BUELL XB12 X ULYSSES (XB12X)
Allgemeines: | Baujahr: | 2005 - 2010 |
Modellvariante: | XB12X |
Technische Daten: | Hubraum: | 1202 ccm |
Leistung: | 102 PS / 75 KW | |
Höchstgeschwindigeit: | 224 km/h | |
Leergewicht: | 245 kg | |
Zulässiges Gesamtgewicht: | 431 kg | |
Standgeräusch: | 96 db | |
Fahrgeräusch: | 79 db |
ulysses
Modell:
BUELL XB12 X ULYS...
Stärken:
Schwächen:
Fahrbericht:
Buell XB 12 X Ulysses (Mod. 2006)
aus bma 02/06
von Klaus Herder
Lieber Leser, vielleicht erwische ich Sie gerade in einer wichtigen Entscheidungsphase. Vielleicht sitzen Sie gerade gemütlich in Ihrem Reihenendhaus und haben etwas Zeit für sich, weil Ihre Frau gerade mit dem Familen-Passat die Hannah-Marie und den Lukas-Alexander aus der Musikschule oder vom Kindergarten abholt. Und vielleicht überlegen Sie gerade, welches Motorrad Sie im kommenden Frühjahr von Ihrem sauer verdienten Verwaltungsfachangestellten-Gehalt kaufen sollen. Ich nutze diese Gelegenheit, um Sie vor einer großen Fehlentscheidung zu bewahren: Bitte kaufen Sie dieses Motorrad nicht! Das ist nichts für Sie, Sie würden sich damit unglücklich machen. Garantiert. Daß dieses Motorrad keinen geregelten Dreiwege-Katalysator (oder überhaupt irgendeinen Katalysator) hat und daß ABS selbst gegen Aufpreis nicht lieferbar ist, wissen Sie ja selbst am besten. Also lassen Sie sich auch bitte nicht von der Zubehör-Optionen „Heizgriffe”, „Touringset” oder „Navigationssystem” blenden - das sind billige Tricks. Okay, das Ding hat auch einen Entenschnabel, zwei Zylinder, 1200 Kubik und einen praktisch wartungsfreien Endantrieb, doch bitte lassen Sie sich gesagt sein: Es ist keine GS. Noch nicht mal ein bißchen. Dieses 11499 Euro teure Teil ist und bleibt eine Buell. Und zwar eine sehr typische Buell. Also vergessen Sie bitte die Buell Ulysses XB12X und fahren möglichst noch heute zum BMW-Händler Ihres Vertrauens. Dort bekommen Sie ein Motorrad, das alles - wirklich alles - objektiv besser kann als eine Buell. Na ja, vielleicht würde die Buell ab und an noch etwas mehr Spaß machen, aber mal ehrlich: Seit wann interessieren Sie sich ernsthaft für Dinge, die einfach nur Spaß machen? Eben. Und noch etwas: Falls Ihre Frau in Sachen BMW Einwände haben sollte (Sie wissen schon: von wegen „Fast 14000 Euro, muß das wirklich sein?”), probieren Sie es doch einfach mal beim Yamaha-Händler. Der hat für unter zehn Steine die TDM 900 A im Angebot. Die ist auch ganz toll zuverlässig und hat ABS sowie G-Kat sogar serienmäßig.
So, liebe Restleser. Nach diesen einleitenden und hoffentlich deutlichen Worten dürften wir jetzt unter uns sein. Um Ihnen erklären zu können, um welches Motorrad es hier geht, habe ich mich unter anderem durch die 52-seitige Buell-Pressemappe für das Modelljahr 2006 gekämpft. Ich weiß jetzt, daß die nebenbei als Öltank dienende Hinterradschwinge nur noch 6,75 Kilogramm und damit 0,25 Kilogramm weniger als die 2005er-Schwinge wiegt. Und ich weiß jetzt auch, daß der nebenbei als Benzintank dienende Alu-Brückenrahmen bei den bekannten XB-Modellen nunmehr 14,5 statt 14 Liter faßt, und bei der an dieser Stelle behandelten Ulysses aufgrund vergrößerter Rahmenflanken sogar 16,7 Liter Super Plus hineingehen. Was ich auf 52 Seiten nicht gefunden habe, ist das Wort „Enduro” oder die Kombination „Reise-Enduro”. Und das aus gutem Grund, denn dieses „Julissiis” gesprochene und auf der letzten Silbe betonte Etwas rollt auf feisten Dunlop-616-Gummis im Format 120/70 ZR 17 vorn und 180/55 ZR 17 hinten. Lassen Sie sich nicht vom etwas gröberen Alibi-Profil blenden, die Pellen haben exakt das üblichste aller üblichen Sportreifen-Formate.
Genau in dieser Liga kann das vollgetankt 228 Kilo wiegende Ami-Eisen sehr ordentlich mitmischen, vorausgesetzt, es geht möglichst kurvig zu Sache. Die extrem klebrige Besohlung, die nahezu unendliche Schräglagenfreiheit, der angriffslustig und dabei bequem gestaltete Arbeitsplatz und vor allem die beeindruckende Handlichkeit machen es möglich. War da noch was? Richtig: 101 PS aus einem luftgekühlten 1200er-V-Twin sind ja wohl auch ein Wort. Und zwar für „Abenteuer-Sport”. Jawoll, besagte Pressemappe klärt uns nämlich darüber auf, um was es sich bei der jüngsten Buell-Schöpfung denn nun wirklich handelt: „Die Ulysses XB12X ist eine brandneue Maschine, mit der Buell in das Adventure-Sports-Segment vordringt.” Na, dann ist ja alles klar.
Doch vor das lustvolle Vordringen haben Chefkonstrukteur Erik Buell und seine Truppe ein nicht zu unterschätzendes Hindernis gelegt: Die Sitzhöhe. Nun sind 841 (Prospektangabe) beziehungsweise 885 Millimeter (gemessen) ja an und für sich schon ein ziemlich beeindruckender Wert für ein Motorrad, dessen Antrieb aus einem Harley-Davidson-Motorenwerk stammt. Daß das für Buell-Verhältnisse ungewöhnlich lange (und erstmals soziustaugliche!) Sitzmöbel auch noch ziemlich breit ausfällt, macht die Sache für Menschen unter Einsfünfundachtzig Länge nicht unbedingt leichter. Erschwerend kommt hinzu, daß der maximal mögliche Lenkeinschlag eher dürftig ausfällt und damit durchaus öfter hin und her rangiert werden darf. Zwerge und Frauen stehen da vor einer echten Herausforderung. Vorausschauende Kurzbeiner können ab Werk aber eine um vier Zentimeter niedrigere Bank ordern, was für einen etwas besseren Stand und einen deutlich heißeren rechten Oberschenkel sorgt. Der liegt dann nämlich exakt im Arbeitsbereich des häufig laufenden Lüfters, der die Heißluft vom hinteren Zylinder abführt und durch sein Geheul auf Dauer etwas nerven kann. Aber bitte jetzt keine Klagen, das hier ist schließlich eine Buell. Perfekt ist anders.
Perfekt wäre zum Beispiel, wenn der Kupplungszug nicht das Display für die Kilometeranzeige verdecken würde. Aber zwei serienmäßige Bordsteckdosen (eine im Cockpit, eine unter der Sitzbank) beweisen dann doch, daß die verrückten Amis ab und an doch ganz vernünftig konstruieren können. Überraschend vernünftig sind auch das Windschild und die Windschutzscheibe gelungen. Zwischen beiden Teilen klafft ein breiter Spalt, der etwas Luft durchläßt und dafür sorgt, daß hinter der Scheibe keine Verwirbelungen entstehen. Die Scheibe ist nur aufgesteckt und läßt sich sehr leicht entfernen oder von Sitzriesen gegen eine noch höhere Tourenscheibe tauschen. Hinter dem breiten, nicht zu hoch montierten Lenker läßt es sich prima aushalten, die spürbar tiefer gelegten und üppiger als bei den anderen Buell-Modellen dimensionierten Fußrasten passen bestens zur tourensportlichen Sitzposition. Handprotektoren, ein fünffach verstellbarer Bremshebel, ein etwas albernes Lampenschutzgitter und ein Biberschwanz sind serienmäßig. Biberschwanz? Das Copyright auf diese Bezeichnung gehört den schreibenden Kollegen vom österreichischen „Reitwagen”. Treffender kann man das in drei Stufen arretierbare Kofferbrücken-Rückenlehnen-Dings nicht nennen. In der Grundposition ruht das Teil auf dem Soziusplatz und dient als Solofahrer-Kofferbrücke. Senkrecht gestellt wird daraus eine Sissybar, ganz nach hinten geklappt ist es eine Soziusfahrer-Kofferbrücke. Offiziell heißt der Biberschwanz übrigens „Multifunktionsheck” oder auch „Triple Tail”. Der Sprachwitz bayerischer Maschinenbau-Ingenieure entrichtet seine Grüße.
Schluß mit vernünftig, der leicht verwirrte und zehn Jahre für seine Heimreise benötigende Sagenheld Odysseus (genau das heißt Ulysses übersetzt) möchte zum Leben erweckt werde. Also fix zum links neben dem Scheinwerfer montierten Zündschloß gegriffen, ein Druck aufs Knöpfchen an der Lenkerarmatur: Krawumm - der Twin kommt auf Schlag und pröttelt sofort munter aus dem unterm Motor montierten Ofenrohr und schüttelt sich und die ganze Fuhre wie ein nasser Hund. Die Buell-Jungs betonen immer wieder, daß der urige Zweiventiler eigentlich fast nichts mit Harleys Sportster-Motoren zu tun hat. Egal wie, der exakt 1203 cm große Twin wird komplett auf den gleichen Bändern wie alle Sportster-Motoren im „Harley-Davidson Powertrain Operations, Capitol Drive, Wauwatosa/Wisconsin” zusammengesteckt und von dort einbaufertig ins 35 Meilen entfernte Buell-Werk East Troy geliefert. Zylinderwinkel, Hub und Bohrung, die Art der Ventilsteuerung und das Getriebe sind völlig identisch. Doch wo der vergaserbestückte 1200er-Sportster-Motor 67 PS bei 5900 U/min leistet und maximal 93 Nm bei 3300 U/min stemmt, drückt der von einer Einspritzanlage befeuerte Buell-Vauzwo 101 PS bei 6600 U/min und 110 Nm bei 6000 U/min. Und so wird wohl stimmen, was Ulysses-Entwickler Tony Stefanelli sagt: „Abgesehen von den Zylindern und dem Getriebe paßt kein Bauteil an eine 1200er-Sportster. Sämtliche Leistungsteile, Kurbelwelle, Kupplung, Zylinderkopf, Gehäuse - alles ist anders und wird nach Buell-Vorgaben gebaut.
Was allerdings auch stimmt, ist die Tatsache, daß praktisch alle Harley-Motor-Modellpflegemaßnahmen regelmäßig auch den Buell-Twins zugute kommen. Für 2006 gab es also für alle Sportster und alle Buells ein neues, leichter und leiser zu schaltendes Fünfganggetriebe und eine modifizierte Kupplung, die sich mit etwas weniger Kraftaufwand betätigen läßt. Für Weichgreifer ist das Teil aber glücklicherweise immer noch nicht gemacht, hier darf noch ordentlich zugelangt werden. Probleme? Hey, hier handelt es sich um ein amerikanisches Urvieh und nicht um einen taiwanischen Motorroller!
Der bullige Vauzwo schiebt wie gewohnt ab 2000 Touren ordentlich und ruckfrei an, ab 3000 U/min verschwindet die gröbste Schüttelei. So richtig zur Sache geht es aber erst ab 4000 Umdrehungen. Alles, was an womöglich störenden Rest-Vibrationen bis dahin duchkommen konnte, hat sich nun komplett verabschiedet und ist einem herrlichen Swing gewichen. Mit einem kernigen Rhythmus und einem Sound, der nun gar nichts Cruisermäßiges mehr hat, bollert der Twin munter dem Drehzahlbegrenzer entgegen, der bei knapp 7000 U/min sanft eingreift. Wer jetzt noch kein ganz breites Grinsen aufgelegt hat, sollte sofort den Motorradführerschein abgeben und zukünftig nur noch U-Bahn fahren. Genau so gehört sich das nämlich für ein Zweirad, dessen Antrieb in die Kategorie „Verbrennungsmaschine” gehört. Menschen, die Cabrio nur mit Windschott fahren und Phil Collins für einen Rockmusiker halten, werden mit der Ulysses vermutlich nichts anzufangen wissen. Dafür ist sie zu grob, zu ungehobelt und viel zu amerikanisch. Wer in 20, 25 Jahren Motorradfahrerleben aber schon fast alles gefahren hat und immer noch auf den großen Kick wartet, sollte es aber unbedingt mal mit ihr probieren.
Solche Typen werden vermutlich auch kein Problem mit der Kurvengierigkeit der Buell haben. Ab 160 km/h stur und völlig neutral geradeaus zu rollen, können andere Motorräder viel, viel besser. Doch sobald das erste Landstraßen-Winkelwerk in Sicht kommt, gibt es kaum ein anderes Motorrad, das so willig, ja fast schon zu willig einschwenkt, wie die Buell. Kurvengierigkeit trifft die Sache nur bedingt, nennen wir es so, wie es ist: Kurvengeilheit. Mit 50 Millimeter mehr Radstand und einem 2,5 Grad flacheren Lenkkopfwinkel haben die Buell-Macher die Ulysses zwar schon etwas zahmer als ihre XB-Schwestern konstruiert, aber 1370 Millimeter und 66,5 Grad sind immer noch kürzer und steiler als die entsprechenden Werte der handlichsten 600er-Supersportler.
Auf der Autobahn und auf autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen wirkt die Ulysses für Buell-Neulinge leicht zappelig. Der nahezu lastwechselfrei arbeitende (und für 2006 kräftig verstärkte) Zahnriemenantrieb und die Motoraufhängung in Schwingungsdämpfer-Elementen erledigen ihren Job dermaßen wirkungsvoll und unauffällig, daß dem Fahrer viel Muße bleibt, über vermeintliche Fahrwerksschwächen bei Geradeausfahrt nachzudenken. Doch die sind ein klarer Fall von Denkste, denn die Buell ist eines der wenigen Motorräder, die sich mit zunehmender Schräglage immer sicherer und stabiler anfühlen. Lenkpräzision und Rückmeldung werden immer besser, je schräger es ums Eck geht. Oder anders gesagt: Für den Skandinavien-Urlaub gibt es deutlich bessere Maschinen, wer die Buell aber in den Alpen ausführt, fährt goldrichtig.
Was nicht heißen soll, daß es an der Ulysses nichts zu verbessern gäbe. Die an der Felge und nicht an der Radnabe befestigte 375-Millimeter-Einzelscheibenbremse im Vorderrad ist so ein Fall. Die Nissin-Sechskolbenzange packt zwar knackig zu, ist aber nicht übermäßig fein dosierbar, verlangt recht hohe Bedienkräfte und sorgt bei brutaler Verzögerung für ein spürbares Verwinden der ansonsten prima arbeitenden und wie auch das Showa-Zentralfederbein voll einstellbaren Showa-Upside-down-Gabel. Die unsensible 240-Millimer-Scheibenbremse im Hinterrad ist dabei keine echte Hilfe. Erik Buells Lieblingsthemen „Zentralisierung der Massen” und „Minimierung der ungefederten Massen” lassen die Vorderrad-Soloscheibe zumindest theoretisch als ganz große Nummer erscheinen, doch vielleicht sollte es der Meister zumindest versuchsweise auch mal mit einer ganz stinknormalen Doppelscheibenbremse versuchen. Der Individualität einer Buell würde das nur ganz wenig schaden.
Die Sache mit dem nervigen Lüftermotor hatten wir schon, das Abblendlicht scheint eher mäßig, die
Spiegel sind etwas zu klein, und auch der Seitenständer einer BMW GS läßt sich im Sitzen leichter bedienen. Ansonsten läßt sich über die sparsame (um die fünf Liter Verbrauch) und durchweg gut verarbeitete Buell eigentlich nur Gutes sagen. Vorausgesetzt, man ist sich im Klaren darüber, daß es durchaus Motorräder gibt, die alles, wirklich alles objektiv besser als die in „Barricade Orange” und „Midnight Black” lieferbare Amerikanerin können. Aber vielleicht nicht immer soviel Spaß machen...
Buell XB 12 X Ulysses (Mod. 2006)
aus bma 02/06
von Klaus Herder
Lieber Leser, vielleicht erwische ich Sie gerade in einer wichtigen Entscheidungsphase. Vielleicht sitzen Sie gerade gemütlich in Ihrem Reihenendhaus und haben etwas Zeit für sich, weil Ihre Frau gerade mit dem Familen-Passat die Hannah-Marie und den Lukas-Alexander aus der Musikschule oder vom Kindergarten abholt. Und vielleicht überlegen Sie gerade, welches Motorrad Sie im kommenden Frühjahr von Ihrem sauer verdienten Verwaltungsfachangestellten-Gehalt kaufen sollen. Ich nutze diese Gelegenheit, um Sie vor einer großen Fehlentscheidung zu bewahren: Bitte kaufen Sie dieses Motorrad nicht! Das ist nichts für Sie, Sie würden sich damit unglücklich machen. Garantiert. Daß dieses Motorrad keinen geregelten Dreiwege-Katalysator (oder überhaupt irgendeinen Katalysator) hat und daß ABS selbst gegen Aufpreis nicht lieferbar ist, wissen Sie ja selbst am besten. Also lassen Sie sich auch bitte nicht von der Zubehör-Optionen „Heizgriffe”, „Touringset” oder „Navigationssystem” blenden - das sind billige Tricks. Okay, das Ding hat auch einen Entenschnabel, zwei Zylinder, 1200 Kubik und einen praktisch wartungsfreien Endantrieb, doch bitte lassen Sie sich gesagt sein: Es ist keine GS. Noch nicht mal ein bißchen. Dieses 11499 Euro teure Teil ist und bleibt eine Buell. Und zwar eine sehr typische Buell. Also vergessen Sie bitte die Buell Ulysses XB12X und fahren möglichst noch heute zum BMW-Händler Ihres Vertrauens. Dort bekommen Sie ein Motorrad, das alles - wirklich alles - objektiv besser kann als eine Buell. Na ja, vielleicht würde die Buell ab und an noch etwas mehr Spaß machen, aber mal ehrlich: Seit wann interessieren Sie sich ernsthaft für Dinge, die einfach nur Spaß machen? Eben. Und noch etwas: Falls Ihre Frau in Sachen BMW Einwände haben sollte (Sie wissen schon: von wegen „Fast 14000 Euro, muß das wirklich sein?”), probieren Sie es doch einfach mal beim Yamaha-Händler. Der hat für unter zehn Steine die TDM 900 A im Angebot. Die ist auch ganz toll zuverlässig und hat ABS sowie G-Kat sogar serienmäßig.
So, liebe Restleser. Nach diesen einleitenden und hoffentlich deutlichen Worten dürften wir jetzt unter uns sein. Um Ihnen erklären zu können, um welches Motorrad es hier geht, habe ich mich unter anderem durch die 52-seitige Buell-Pressemappe für das Modelljahr 2006 gekämpft. Ich weiß jetzt, daß die nebenbei als Öltank dienende Hinterradschwinge nur noch 6,75 Kilogramm und damit 0,25 Kilogramm weniger als die 2005er-Schwinge wiegt. Und ich weiß jetzt auch, daß der nebenbei als Benzintank dienende Alu-Brückenrahmen bei den bekannten XB-Modellen nunmehr 14,5 statt 14 Liter faßt, und bei der an dieser Stelle behandelten Ulysses aufgrund vergrößerter Rahmenflanken sogar 16,7 Liter Super Plus hineingehen. Was ich auf 52 Seiten nicht gefunden habe, ist das Wort „Enduro” oder die Kombination „Reise-Enduro”. Und das aus gutem Grund, denn dieses „Julissiis” gesprochene und auf der letzten Silbe betonte Etwas rollt auf feisten Dunlop-616-Gummis im Format 120/70 ZR 17 vorn und 180/55 ZR 17 hinten. Lassen Sie sich nicht vom etwas gröberen Alibi-Profil blenden, die Pellen haben exakt das üblichste aller üblichen Sportreifen-Formate.
Genau in dieser Liga kann das vollgetankt 228 Kilo wiegende Ami-Eisen sehr ordentlich mitmischen, vorausgesetzt, es geht möglichst kurvig zu Sache. Die extrem klebrige Besohlung, die nahezu unendliche Schräglagenfreiheit, der angriffslustig und dabei bequem gestaltete Arbeitsplatz und vor allem die beeindruckende Handlichkeit machen es möglich. War da noch was? Richtig: 101 PS aus einem luftgekühlten 1200er-V-Twin sind ja wohl auch ein Wort. Und zwar für „Abenteuer-Sport”. Jawoll, besagte Pressemappe klärt uns nämlich darüber auf, um was es sich bei der jüngsten Buell-Schöpfung denn nun wirklich handelt: „Die Ulysses XB12X ist eine brandneue Maschine, mit der Buell in das Adventure-Sports-Segment vordringt.” Na, dann ist ja alles klar.
Doch vor das lustvolle Vordringen haben Chefkonstrukteur Erik Buell und seine Truppe ein nicht zu unterschätzendes Hindernis gelegt: Die Sitzhöhe. Nun sind 841 (Prospektangabe) beziehungsweise 885 Millimeter (gemessen) ja an und für sich schon ein ziemlich beeindruckender Wert für ein Motorrad, dessen Antrieb aus einem Harley-Davidson-Motorenwerk stammt. Daß das für Buell-Verhältnisse ungewöhnlich lange (und erstmals soziustaugliche!) Sitzmöbel auch noch ziemlich breit ausfällt, macht die Sache für Menschen unter Einsfünfundachtzig Länge nicht unbedingt leichter. Erschwerend kommt hinzu, daß der maximal mögliche Lenkeinschlag eher dürftig ausfällt und damit durchaus öfter hin und her rangiert werden darf. Zwerge und Frauen stehen da vor einer echten Herausforderung. Vorausschauende Kurzbeiner können ab Werk aber eine um vier Zentimeter niedrigere Bank ordern, was für einen etwas besseren Stand und einen deutlich heißeren rechten Oberschenkel sorgt. Der liegt dann nämlich exakt im Arbeitsbereich des häufig laufenden Lüfters, der die Heißluft vom hinteren Zylinder abführt und durch sein Geheul auf Dauer etwas nerven kann. Aber bitte jetzt keine Klagen, das hier ist schließlich eine Buell. Perfekt ist anders.
Perfekt wäre zum Beispiel, wenn der Kupplungszug nicht das Display für die Kilometeranzeige verdecken würde. Aber zwei serienmäßige Bordsteckdosen (eine im Cockpit, eine unter der Sitzbank) beweisen dann doch, daß die verrückten Amis ab und an doch ganz vernünftig konstruieren können. Überraschend vernünftig sind auch das Windschild und die Windschutzscheibe gelungen. Zwischen beiden Teilen klafft ein breiter Spalt, der etwas Luft durchläßt und dafür sorgt, daß hinter der Scheibe keine Verwirbelungen entstehen. Die Scheibe ist nur aufgesteckt und läßt sich sehr leicht entfernen oder von Sitzriesen gegen eine noch höhere Tourenscheibe tauschen. Hinter dem breiten, nicht zu hoch montierten Lenker läßt es sich prima aushalten, die spürbar tiefer gelegten und üppiger als bei den anderen Buell-Modellen dimensionierten Fußrasten passen bestens zur tourensportlichen Sitzposition. Handprotektoren, ein fünffach verstellbarer Bremshebel, ein etwas albernes Lampenschutzgitter und ein Biberschwanz sind serienmäßig. Biberschwanz? Das Copyright auf diese Bezeichnung gehört den schreibenden Kollegen vom österreichischen „Reitwagen”. Treffender kann man das in drei Stufen arretierbare Kofferbrücken-Rückenlehnen-Dings nicht nennen. In der Grundposition ruht das Teil auf dem Soziusplatz und dient als Solofahrer-Kofferbrücke. Senkrecht gestellt wird daraus eine Sissybar, ganz nach hinten geklappt ist es eine Soziusfahrer-Kofferbrücke. Offiziell heißt der Biberschwanz übrigens „Multifunktionsheck” oder auch „Triple Tail”. Der Sprachwitz bayerischer Maschinenbau-Ingenieure entrichtet seine Grüße.
Schluß mit vernünftig, der leicht verwirrte und zehn Jahre für seine Heimreise benötigende Sagenheld Odysseus (genau das heißt Ulysses übersetzt) möchte zum Leben erweckt werde. Also fix zum links neben dem Scheinwerfer montierten Zündschloß gegriffen, ein Druck aufs Knöpfchen an der Lenkerarmatur: Krawumm - der Twin kommt auf Schlag und pröttelt sofort munter aus dem unterm Motor montierten Ofenrohr und schüttelt sich und die ganze Fuhre wie ein nasser Hund. Die Buell-Jungs betonen immer wieder, daß der urige Zweiventiler eigentlich fast nichts mit Harleys Sportster-Motoren zu tun hat. Egal wie, der exakt 1203 cm große Twin wird komplett auf den gleichen Bändern wie alle Sportster-Motoren im „Harley-Davidson Powertrain Operations, Capitol Drive, Wauwatosa/Wisconsin” zusammengesteckt und von dort einbaufertig ins 35 Meilen entfernte Buell-Werk East Troy geliefert. Zylinderwinkel, Hub und Bohrung, die Art der Ventilsteuerung und das Getriebe sind völlig identisch. Doch wo der vergaserbestückte 1200er-Sportster-Motor 67 PS bei 5900 U/min leistet und maximal 93 Nm bei 3300 U/min stemmt, drückt der von einer Einspritzanlage befeuerte Buell-Vauzwo 101 PS bei 6600 U/min und 110 Nm bei 6000 U/min. Und so wird wohl stimmen, was Ulysses-Entwickler Tony Stefanelli sagt: „Abgesehen von den Zylindern und dem Getriebe paßt kein Bauteil an eine 1200er-Sportster. Sämtliche Leistungsteile, Kurbelwelle, Kupplung, Zylinderkopf, Gehäuse - alles ist anders und wird nach Buell-Vorgaben gebaut.
Was allerdings auch stimmt, ist die Tatsache, daß praktisch alle Harley-Motor-Modellpflegemaßnahmen regelmäßig auch den Buell-Twins zugute kommen. Für 2006 gab es also für alle Sportster und alle Buells ein neues, leichter und leiser zu schaltendes Fünfganggetriebe und eine modifizierte Kupplung, die sich mit etwas weniger Kraftaufwand betätigen läßt. Für Weichgreifer ist das Teil aber glücklicherweise immer noch nicht gemacht, hier darf noch ordentlich zugelangt werden. Probleme? Hey, hier handelt es sich um ein amerikanisches Urvieh und nicht um einen taiwanischen Motorroller!
Der bullige Vauzwo schiebt wie gewohnt ab 2000 Touren ordentlich und ruckfrei an, ab 3000 U/min verschwindet die gröbste Schüttelei. So richtig zur Sache geht es aber erst ab 4000 Umdrehungen. Alles, was an womöglich störenden Rest-Vibrationen bis dahin duchkommen konnte, hat sich nun komplett verabschiedet und ist einem herrlichen Swing gewichen. Mit einem kernigen Rhythmus und einem Sound, der nun gar nichts Cruisermäßiges mehr hat, bollert der Twin munter dem Drehzahlbegrenzer entgegen, der bei knapp 7000 U/min sanft eingreift. Wer jetzt noch kein ganz breites Grinsen aufgelegt hat, sollte sofort den Motorradführerschein abgeben und zukünftig nur noch U-Bahn fahren. Genau so gehört sich das nämlich für ein Zweirad, dessen Antrieb in die Kategorie „Verbrennungsmaschine” gehört. Menschen, die Cabrio nur mit Windschott fahren und Phil Collins für einen Rockmusiker halten, werden mit der Ulysses vermutlich nichts anzufangen wissen. Dafür ist sie zu grob, zu ungehobelt und viel zu amerikanisch. Wer in 20, 25 Jahren Motorradfahrerleben aber schon fast alles gefahren hat und immer noch auf den großen Kick wartet, sollte es aber unbedingt mal mit ihr probieren.
Solche Typen werden vermutlich auch kein Problem mit der Kurvengierigkeit der Buell haben. Ab 160 km/h stur und völlig neutral geradeaus zu rollen, können andere Motorräder viel, viel besser. Doch sobald das erste Landstraßen-Winkelwerk in Sicht kommt, gibt es kaum ein anderes Motorrad, das so willig, ja fast schon zu willig einschwenkt, wie die Buell. Kurvengierigkeit trifft die Sache nur bedingt, nennen wir es so, wie es ist: Kurvengeilheit. Mit 50 Millimeter mehr Radstand und einem 2,5 Grad flacheren Lenkkopfwinkel haben die Buell-Macher die Ulysses zwar schon etwas zahmer als ihre XB-Schwestern konstruiert, aber 1370 Millimeter und 66,5 Grad sind immer noch kürzer und steiler als die entsprechenden Werte der handlichsten 600er-Supersportler.
Auf der Autobahn und auf autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen wirkt die Ulysses für Buell-Neulinge leicht zappelig. Der nahezu lastwechselfrei arbeitende (und für 2006 kräftig verstärkte) Zahnriemenantrieb und die Motoraufhängung in Schwingungsdämpfer-Elementen erledigen ihren Job dermaßen wirkungsvoll und unauffällig, daß dem Fahrer viel Muße bleibt, über vermeintliche Fahrwerksschwächen bei Geradeausfahrt nachzudenken. Doch die sind ein klarer Fall von Denkste, denn die Buell ist eines der wenigen Motorräder, die sich mit zunehmender Schräglage immer sicherer und stabiler anfühlen. Lenkpräzision und Rückmeldung werden immer besser, je schräger es ums Eck geht. Oder anders gesagt: Für den Skandinavien-Urlaub gibt es deutlich bessere Maschinen, wer die Buell aber in den Alpen ausführt, fährt goldrichtig.
Was nicht heißen soll, daß es an der Ulysses nichts zu verbessern gäbe. Die an der Felge und nicht an der Radnabe befestigte 375-Millimeter-Einzelscheibenbremse im Vorderrad ist so ein Fall. Die Nissin-Sechskolbenzange packt zwar knackig zu, ist aber nicht übermäßig fein dosierbar, verlangt recht hohe Bedienkräfte und sorgt bei brutaler Verzögerung für ein spürbares Verwinden der ansonsten prima arbeitenden und wie auch das Showa-Zentralfederbein voll einstellbaren Showa-Upside-down-Gabel. Die unsensible 240-Millimer-Scheibenbremse im Hinterrad ist dabei keine echte Hilfe. Erik Buells Lieblingsthemen „Zentralisierung der Massen” und „Minimierung der ungefederten Massen” lassen die Vorderrad-Soloscheibe zumindest theoretisch als ganz große Nummer erscheinen, doch vielleicht sollte es der Meister zumindest versuchsweise auch mal mit einer ganz stinknormalen Doppelscheibenbremse versuchen. Der Individualität einer Buell würde das nur ganz wenig schaden.
Die Sache mit dem nervigen Lüftermotor hatten wir schon, das Abblendlicht scheint eher mäßig, die
Spiegel sind etwas zu klein, und auch der Seitenständer einer BMW GS läßt sich im Sitzen leichter bedienen. Ansonsten läßt sich über die sparsame (um die fünf Liter Verbrauch) und durchweg gut verarbeitete Buell eigentlich nur Gutes sagen. Vorausgesetzt, man ist sich im Klaren darüber, daß es durchaus Motorräder gibt, die alles, wirklich alles objektiv besser als die in „Barricade Orange” und „Midnight Black” lieferbare Amerikanerin können. Aber vielleicht nicht immer soviel Spaß machen...
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