quote_text('Das etwas andere Weihnachtsfest...
\n Ein (Heilig-)Abend in einer Notschlafstelle
\n Für die einen ist es das Fest der Feste, alles liebevoll hergerichtet, endlich Zeit für die
\n Familie, Basteln, Selbstgebackenes und -gestaltetes. Kinderaugen leuchten. Von langerer Hand vorbereitet, ungeduldig herbeigesehnt – Adventszeit, herrliche Zeit.
\n Für alle?
\n Nach den Sommerferien schleicht er sich an.
\n Der Weihnachtsalarm. Niemand kann sich ihm entziehen,
\n ob Printen ab August oder Weihnachtsmarkt auf jedem noch
\n so kleinen freien Fleck in der Stadt, vor Geschäften und Baumärkten.
\n Am Kölner Roncalli-Platz soll er besonders viele Menschen anziehen.
\n Selbstverständlich aber nur solche mit glücklichen Gesichtern und gut gefülltem Geldbeutel.
\n Viele, die sich dort sonst aufhalten, sind in diesen Tagen
\n nicht erwünscht: Obdachlose. Sie stören den Anblick beim sorgenfreien
\n Konsumrausch und die weitgereisten Touristen möchten nur Weihnachts-
\n Klänge und –Düfte aufnehmen, nicht Not, Elend und Mangel.
\n Ich leide an einer Krankheit, die sich bei immer mehr Menschen verbreitet:
\n Weihnachtsallergie. Mir sträubt sich zunehmend das Fell, wenn ich daran denke, dass die Menschen in der Weihnachtszeit viel mehr kaufen, essen, trinken, Geld ausgeben, als ihnen gut tut. Die jederzeit besungene Besinnlichkeit fällt dem Einkaufs- und Planungsstress zum Opfer. Weihnachten – die Einsamen sind besonders einsam, die Traurigen besonders traurig, die Armen besonders arm dran. Und eines sind fast alle gleichermaßen: Gestresst, entnervt und überfordert. Wie viele Selbstmorde werden an den Feier-Tagen begangen. In den Familien brechen die Emotionen durch...Familiendramen kommen hoch... wo viele Erwartungen, da viele Enttäuschungen...
\n Nicht umsonst gibt es immer mehr Alternativ-Programme für Weihnachten, für Singles und solche, die sich der Familie entziehen, keine haben oder mit ihr gebrochen haben. Die keine Lust auf die Erwartungen und den emotionalen Druck haben.
\n Geht nicht der Sinn des Festes immer mehr verloren, man hetzt durch die Stadt, das Leben. Worum ging es doch eigentlich noch....?
\n Am Heiligabend wollen alle Tradition, alles soll stimmen, schmecken... perfekt soll alles sein.
\n Viele sehen eine Kirche zum ersten Mal im Jahr von innen und man wünscht es sich schön festlich...
\n Dieses Rattenrennen verdirbt mir die Lust auf die Feiertage... deshalb hab ich plötzlich die Idee, mein Weihnachten, trotz vorhandener liebevoller und intakter Familie und Ex-Familie, einfach mal anders zu gestalten.
\n Am Heiligabend 2008 habe ich mich selbst bei einer fremden „Familie“ selbst eingeladen:
\n Am frühen Abend fand ich mich im NOTEL ein, einer Notschlafstelle für obdachlose Drogenabhängige, verlebte zunächst eine schöne ganz kleine intime Messe, denn der Träger dieser Einrichtung ist die Stiftung eines katholischen Ordens (die auch Platz für eine evangelische Zweifelnde und inzwischen aus der Kirche ausgetreten bot).
\n Zusammen mit Mitarbeitern und Freunden der Notschlafstelle und wurde im Anschluss in meine Aufgaben geschickt. Das Essen für die Gäste im Notel wurde vorbereitet, dann aß ich mit Ernst und Ali, zwei seit Jahrzehnten Drogenabhängige und „alte Kundschaft“ in der separat eingerichteten Krankenwohnung zu Abend – eine kleine, ungewöhnliche Gemeinschaft, die in mir das Gefühl entstehen ließ, am richtigen Platz zu sein.
\n Keine falsche Sentimentalität, einfach ein Abend, für die Gäste etwas anders als sonst, aber ohne jeden Hype und unechte verklärte Weihnachtsgefühle. Mit Menschen, die einfach für einen Augenblick Ruhe, Wärme, Essen und Sicherheit genießen – weil das ihr einziger Luxus am Tag ist. Es wird sogar vermieden, solche Gefühle entstehen zu lassen, um nicht Wunden aufzureißen oder Krisen auszulösen. Wie banal kommen mir meine kleinen Zipperlein dagegen vor.
\n Als die letzten Handgriffe in der Küche getan sind, Tische abgewischt und das Nachtgebet der Gastgeber gesprochen sind, alle Gäste und der diensthabende Berthold sich zum Schlafen begeben haben, nehme auch ich mich an meinen Ruheplatz ein und fühle mich ausgeglichen, in meiner Mitte, beschenkt und ich spüre – DAS war der richtige Platz für mich an diesem Heiligabend.
\n Über Nacht die Gäste-Wäsche versorgen (igittigitt, wenn Ihr glaubt, Ihr wisst, was Ekelsocken sind, dann denkt Ihr das nur J, ich weiß es WIRKLICH. Wie gut, dass ich Taucherin bin, ich kann ziemlich lang die Luft anhalten J), das Übliche, am Morgen Kaffee kochen, Wäsche ausgeben und wieder alles in Ordnung bringen. Als alle Übernachtungsgäste ihre Habseligkeiten entgegengenommen haben und wieder in ihren Alltag entlassen sind, noch ein Frühstück mit den „Kollegen“.
\n Auf dem Heimweg fühl ich mich leicht, freudig und sehr zufrieden. Ein Ehrenamt hat mich gefunden: Denn das Notel hat eine neue freiwillige Mitarbeiterin. „Einmal Notel, immer Notel“, sagt Bärbel Ackerschott, die Leiterin und lacht dabei, als hätte sie es gewusst. Ich glaube ja, sie HAT es gewusst.
\n Der Eintrag für den sogenannten Nachtdienst in der heiligen Nacht 2009 lautet schon lange auf meinen Namen. Es ist schön, Dinge zu tun, die man einfach richtig findet. Ohne Belohnung, ohne Bezahlung. Das ist ein Stück weit Selbstbestimmtheit.
\n K.
\n P.S. Wer sich dafür weiter interessiert, kann unter www.notel-koeln.de<\/a> schauen und mich bei Fragen auch gern anschreiben.'); $('post_text').scrollTo();