Thema: Arbins Tour

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bluelion Erstellt am 17.09.2017 , Zuletzt bearbeitet So 17.09.2017 von bluelion
Gespräch mit Arbin; in (Klammern ein Versuch, Arbins Gedanken gehaltvoller zu übersetzen.)

Im letzten Sonnenlicht fahre ich dann doch weiter. Habe gerade mit Arbin einen Reiseinfoaustausch hinter mir. Arbin fährt BMW, eine etwas ältere GS. Die Schilderungen seiner „Abenteuer“ waren so eindrücklich, dass ich seine für mich bemerkenswerten Aussagen hier übersetze und wiedergebe und aber auch seine sprachlichen Lücken intuitiv ergänze. Nach der Unterhaltung trennten sich unsere Wege. Er fährt in die Richtung Stuttgart, wo er seit 34 Jahren wohnt - und ich will nach Genf.

„Wollt isch im Somma Tour machen, Alder, aber Moped kaputt.“
(Eigentlich wollte ich ja schon in den Sommerferien losfahren…. eigentlich… aber da hat plötzlich die Motorradtechnik interveniert.)

„Oktober, Sachen gepackt und los mit GS, guggst du Wetter, geil, GPS, alles klaro, Alder!“

(Anfang Oktober dann packte ich nach kurzer Überlegung schnell die Motorradkoffer, steckte das GPS-Gerät in den Halter der GS und schaute ins Internet, ob alles so in der Welt da draussen und auch das Wetter gut sei.)

„Schweiz, Wetter Scheisse, Mann, mach isch Umweg aussenrum, geile Strassen, abends bei Valonz fängt dat Pissen an, Scheisse.“

(Jenseits, westlich des Schweizer Jura soll es sonnig sein, während schwarze Wolken und Regenschauer im Schweizer Mittelland parken. Ich wählte meine Route westlich der Berge, über die Landstrassen und erreichte so gen Abend und mit einsetzendem Regen Valence. )

„Treff isch doch bei Valonz Sergei aus Moskau, geiler Typ, Alder, fährt allein, hat Afriga Twin, hat am Abend dick Schloss dran, Kumpel kaputt, Unfall in … in .. in Andromeda… Kurve. Fährt jezz heim, Alder, geiler Typ Sergei, muss noch lang fahn. Scheiss Storrih, Alder.“

(Sergeij aus Moskau hat seine vollgepackt Africa Twin direkt neben dem Eingang des Hotels abgestellt und mit einem Monsterschloss gesichert. Er erzählt von seiner Reise durch Spanien und dann nach Andorra. In einer unübersichtlichen Kurve sei sein Begleiter dann von der Strasse abgekommen und…. Sergeij ist jetzt allein unterwegs und die Angehörigen seien nun in Andorra, um den Transport seines toten Freundes zu regeln. ….von den 8 000 Rückreisekilometer habe er noch rund 6000 unter die Räder zu nehmen – aber die Twin werde das schon machen. Das ist keine schöne Geschichte.)

„Sonntag noch nicht Mittag, eh, echt geil, Strassen leer, Gas. Dörfer sin leer, nur eine Tussi guggt, aber geile Häuser, weiss eh, echt alt und geil, eh isch allein. „

(Sonntagmorgen in Frankreich, in der Frühe sind die Strassen lebensleer, so dass sich eine dynamische Fahrt entwickeln kann. Nein, ich vermisse den Verkehr überhaupt nicht. Die Welt ist so….so….motorradfreundlich, dennoch schalte ich vor einem Ortschild zweimal runter. In einem kleinen Städtchen an der Rohne öffnet Désirée die Ladentür und tritt heraus. In meiner gesamten Blickwelt ist sie das einzig Lebendige, selbst die Katzen schlafen noch um Siebenuhrfünfzig. Dési ist auch überrascht, dass so kurz nach Mitternacht, am Tag des Herrn, ein lautes Ding über die Strasse rollt und schaut verwundert her zu mir. Die Strasse windet sich um ein herrschaftliches opulentes Anwesen. Helles Kalksteingemäuer preist den Stil des späten sechzehnten Jahrhunderts. Beherrschend dort hingepflanzt, mit Schutzgraben und niedrigen, schon von der Zeit angeflachten Schanzen. Ein erster Sonnenstrahl fällt auch das helle Mauerwerk und niemand ausser mir sieht zu. Du, das ist schon toll.)

„Fahh isch immer mit Blick auf GPS, musch aufpasse, nit zu schnell, Mann, vielleicht doch Bullen irgendwo, Alder, mit dem Rada, musch immer guggen, dann bremsen. Dann fah isch in die Berg, geile Kurven, bis zum Abwinke, Adler, kuhl. In Wallon hab‘ ich dann Paus gemacht, Arsch macht weh, Mann, musch Pause machen in Kneipe Vegeh, un mal pissen. Eh, da hab ich noch alte Wasserbrück gefunden, Mann, ganz alt mit Wasser drin, geht immer noch.“

(Links am Lenker, im Blickwinkel, informiert das GPS über Ort, Geschwindigkeit und Höhe. Im langen 6. Gang ist es problemlos möglich, die zulässige Höchstgeschwindigkeit grob zu überschreiten. Eine latente Angst, nennen wir sie Gewissensvorsicht, beeinflusst die ungehorsame Gashand doch etwas…. vielleicht ist die Ordnungshut doch schon zu dieser sonntäglichen Unzeit unterwegs und testet trotz den verkehrsleeren Strassen die neueste Radarpistole…. Dann verlasse ich die Rohne-Route und fahre in die Richtung Cevennen. In den Dörfern kann ich nun immer mehr hummanoide Lebewesen wahrnehmen, welche durch irgendwelches wuseliges Tun ihren Zeitvertreib suchen. In Vallon Pont d’Arc pulst das Leben schon richtig. Mindesten 17 Personen wandeln desorientiert umher und jemand bringt mir im „Verger“ wortlos den bestellten café au lait. In der Generalrichtung „Süden“ bewege ich mich am Fusse der Cevennen entlang, finde irgendwo im Outback einen vollaktiven römischen Aquädukt, der so dirnichts da funktionierend in der Landschaft herumsteht. Diese Römer, diese Schlingel, haben diese Wasserleitung vor rund zweitausend Jahren overengineered gebaut. Sie funktioniert immer noch, aber die Wassersteuerzahler sind schön längst ausgestorben. Heute würde so’n Fehler nicht mehr passieren, heute ist die Produktobsoleszenz eine natürliche Komponente einer jeden Marktleistung.)

„Ich denk an Wasserbrücke, so, dann passiert die Scheisse doch, Alder, Blizz, rot mann, wasisslos, denk isch, musch weg von Strasse auf Kleinstrasse, weg von die Bullen, Mann, fah isch dann nach Sallaguh, also Richtung, iss noch weit, Strassen geil für Kuh. Isch kuhl dort, Felsen rot und Zelles musch guggen, is totes Dorf, aber wieder gut. „

(Während ich auf der Weiterfahrt über die Römer und deren Probleme so nachdenke, sticht mir ein roter Blitz in die Augen. Oh je, ich wurde geblitzt, aber warum denn? Na es dürfte jedenfalls sinnvoll sein, den aktuellen Fahrweg zu verlassen, denn wahrscheinlich lauern die Flics in absehbarer Entfernung und wollen ein überhöhtes Bussgeld. Der Abweg ist zwar asphaltiert, und die GS schluckt alle Bodenwellen, aber das Weglein überrascht mit spontanem Richtungswechsel. Ich bin im Hinterland von Montpellier und ich suche die Generalrichtung zum lac Salagou. In Octon werde ich einen Kaffee trinken, jedenfalls nehme ich mir dies vor. Der Salagou ist von rotem Land umgeben. Celles ist ein im See halb versunkener Ort, welcher ausgestorben war, aber infolge des florierenden Tourismus‘ reanimiert wurde.)

„Süden isch kalt wie Arsch, mehr anziehen, trotzdem Nutten an Strasse. Such isch kleines Hotel und setz mich in die Badewanne. War echt geil, dann bin isch in die Bar und hab mit Dita paar Bier und dann schnell im Bett, war isch echt fettisch, Alder.“

(Der Süden erschien unerwartet frisch. Von Westen her brachte der Wind Kälte und bisweilen auch wenige Regentropfen. So hielt ich an, ums aus den Koffern noch wärmende Unterkleidung herauszunehmen. Und siehe, dort, direkt neben der gut befahrenen schnellen Verbindungsstrasse von Beziers nach Narbonne, stehen junge auffällig gekleidete Damen, welche auf irgendetwas oder wen zu warten schienen. Jene, dort, direkt links trug lange rote Anglerstiefel, - was wohl in Feuchtgebieten sich als nützlich erweisen könnte. Mir war kalt, sehr kalt und ich sehnte mich nach einem wärmenden Ort. In einem kleinen einfachen Hotel traf ich Dieter, mit dem ich ein paar lauwarme Biere trank. Wir erzählten uns unsere Reiseerlebnisse. Da ich doch recht müde war, legte ich mich nach einem Entspannungsbad sehr bald ins wohlige Bett.)

„Next Tag bin isch durch Berge un über Wege nach Spanien. Direkt hinter an Grenze, so 20 Kilometer, geiler See, so links, musch mal guggen, echt mega. In Junkera steht viel Nutten rum, eh, isch nit teuer, kannst aussuchen. Hab isch eine mitgenommen ins Hotel – Alde war gut. Eh, Mann, wat noch echt geil is, die Drukerwirtschaften, Essen billisch und viel, so viel, bis satt bischt.
Also Alder, dann fah un denk an Bullen. „

(Am folgenden Tag fuhr ich dann nach Spanien hinein. Bald hinter der Landesgrenze, etwa 20 Kilometer danach, findet man einen wunderschönen Stausee. An dem grösseren Ort La Junquera stehen viele junge arbeitslose Frauen an den diversen Kreisverkehranlagen. Eine von ihnen war so freundlich mich zu begleiten. Wir hatten einen sehr schönen Abend zusammen. Erwähnenswert dort sind die Gastwirtschaften, welche wohl sehr häufig von LKW-Fahrer besucht werden. Die Essensqualität ist gut und die Mengen sind mehr als ausreichend bei günstigen Preisen. So, ich will mich wieder auf den Wag machen, du bitte fahre vorsichtig und denke an die möglichen Bussen bei Geschwindigkeitsüberschreitung​en.)​

Tolle Geschichte, nun aber will aber auch ich weiter und noch etwas an Wegstrecke gewinnen. Arbin lebt nun seit 34 Jahren bei Stuttgart, es ist ihm aber gelungen, seine in der Jugend ge- und erlernte Spezialsprache zu bewahren und in wenigen rudimentären Worten, die lebendige Welt eindrücklich zu beschreiben. Tja, - so ist Arbin eben.


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Gelöschter Benutzer Erstellt am Do 28.09.2017
Klasse!
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