Thema: "Die Adventure"

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bluelion Erstellt am 01.04.2018 , Zuletzt bearbeitet So 01.04.2018 von bluelion
„Sie ist ein wunderbares Motorrad“, sagte Leo und seine grauen Augen glänzten dabei vielsagend. „Sie fährt super, keine Vibrationen, absolut sicher….“. Schon wieder diese Verweiblichung, - die deutsche Sprache jedoch vergibt für „Motorrad“ den sächlichen Artikel. Als ich Leo darauf anspreche, meint er nur lakonisch: „Sie ist eine Adventure, also ist sie weiblich – die Adventure“. Als ich bemerke, dass auch das Abendteuer den dritten Artikel verlange, antwortete Leo: „Ein Abenteuer hat man, sofern man heterosexuell veranlagt ist, mit Frauen; - und dies ist oft ein rechtes Abenteuer. In dieser Sicht erscheint es nur natürlich, dass die BMW GS 1200 Adventure weiblich sein muss.“

„Ahaaa! Gut, dann sei dies im gegebenen Falle so“, meinte ich und versuchte so dieses Artikel-Bemerkungskapitel abzuschliessen. Leo hingegen gab nicht auf, er schilderte im Detail, wie er mit „ihr“ die Autobahnauffahrt in langem Bogen mit „schöner Schräglage“ hochgefahren sei und wie „sie“ dann auf dem Fahrstreifen in Richtung Singen dynamisch beschleunigte. Der Schaltautomat, …..die griffigen Bremsen,…. der seidenweiche Rundlauf des Boxers,….die Leichtgängigkeit der Kupplung,….überhaupt der Komfort,….die……, tja und so Vieles mehr, - die Aufzählung dauerte 6.37 Minuten, seien von höchster Qualität. Ich hörte gespannt zu und stellte fest, dass er in seiner engagierten Darlegung kaum grammatische Fehler machte. So eine gymnasiale Ausbildung, wie eben seine in einem Mega-Internat, bringt auch eine überdurchschnitte Aussagepräzision mit unterstreichender und überzeugender Gestik mit sich. Wir hingegen haben diese bemerkenswerten Kompetenzen in den staatlichen Schulen so nicht entwickelt.

Leo steckte den „Schlüssel“ in die GPS-Einheit und aktivierte per Knopf dann die Fahrbereitschaft. Das System fuhr hoch, Symbole huschten über das Display und dann, nach kurzem Warten, startete Leo den Motor seiner geliebten BMW GS 1200 Adventure per Knopfdruck. „Und schau mal hier…. „ dann demonstrierte er direkt von der komplexen Lenker-Armatur aus vielfältige Einstellungsoptio-nen, deren spontanen Wirkungen wir am breiten Display beobachten konnten. Nach etwa 17,41 Minuten konkreter Manipulation mit begleitenden Erklärungen, zwischendurch aktivierte sich der Kühlerlüfter 3 x, rutsche mir heraus, dass dieses Motorrad für Banküberfälle doch eher ungeeignet sei, denn bis der Motor liefe und dann noch das Motorrad fluchtfertig sei, wäre der Polizeieinsatz wohl in vollem Gange.

Wir wollten, da die erlebte Lufttemperatur sich nicht ideal für unser Tour-Vorhaben anfühlte, die höhere Lage des Schwarzwaldes verlassen und hinunter in die wärmere Rheinebene fahren. Kurz vor der Mittagszeit wären wir dann am Südrand des Kaiserstuhls und ein schönes Restaurant liesse sich schon finden. Dies ergab sich dann auch genauso.

Später, auf dem Weg zu den parkenden Motorrädern machte ich den Vorschlag, die nahegelegene, kleine französische Rennstrecke „Anneau du Rhin“ zu besuchen. Die dynamische BMW 1200 GS Adventure blieb dann während der Liaison mit kleinem Abstand von 300 Metern quasi am Rücklicht der KTM und fand dann auch zur Rennstrecke.

Etwa 45 Minuten schauten wir interessiert einem Tourenwagentraining zu. Danach wollte die BWM GS 1200 Adventure nicht, dass ihr sie liebender Fahrer ihren sonst so sanft laufenden Motor zum Leben erweckte. „Hm…..hm….“ grummelte Leo so vor sich hin, „ich habe doch alle Vorbereitungen richtig durchgeführt….“. Tatsächlich aber leuchtete ein gelbes „Warnsignal und ein Schlüsselsymbol wollte uns etwas sagen. „So ein Mist“, entfuhr es Leo, ein Ausspruch, den die Sozialisation ihm wohl nach seiner Internatsausbildung nahebrachte. Was macht man, wenn man/frau sein neues BMW-Motorrad nicht kennt? Man telefoniert mit BMW in München. Die nette BMW-Dame teilte mit, dass die umfangreiche Elektronik der GS nach 15 Minuten, wenn man den Schlüssel stecken lässt und das System so aktiv bleibt, die Batterie leersaugen würde. Sie, die Dame in München, könne schon jemanden nach Anneau vorbeischicken, aber diesen Dienst müsse Leo, weil das Problem durch sein fahrlässiges Verhalten entstanden sei, selbst bezahlen. Diagnose also: leergesaugte Batterie. Obgleich die nette Dame aus ihrem Büro in München telefonisch mitteilte, dass ein Anschieben des Motorrades grundsätzlich möglich sei, waren mehrere anstrengende Versuche auf ebenem Asphalt definitiv erfolglos.

Der Verbauungsort der nun sehr geschwächten Batterie war noch einfach zu finden, - aber ohne Werkzeug, die GS hat keines, ist es sehr schwer die Batterieabdeckung zu entfernen. Mit dem KTM-Werkzeug gelang es dann jedoch. Jetzt nur noch schnell einen Mc-Gyver-Draht vom nahen Maschendrahtzaun abtüddeln….und dann mittels KTM-Batterieüberbrückung die wunderbare BMW zu starten. Ein uns zuschauender Rennteam-Mitarbeiter, lief aber ins Rennareal und besorgte einen Start-Booster aus der Boxengasse. Die GS hatte nun keine Verweigerungsmöglichkeiten mehr und sofort säuselte der grosse, neue, sanfte aber auch kräftige Wasser-Boxer. „Bloss nicht abwürgen….“ meinte Leo und fuhr dann mit leicht erhöhter Drehzahl los. Wie lange dauert’s wohl, bis Batterie und System wieder anstandslos gehorchen würden? Nach meinem Gefühl sollte nach rund 100 gefahrenen Kilometern wieder genug elektrische Energie für‘s Anlassen zur Verfügung stehen.

So ganz trauten wir dem E-System aber nicht mehr. Dies führte dazu, dass nun alle Kaffee-Pausen gestrichen und auch die körperlich bedingten Notpausen bei laufendem BWM-Motor vollzogen wurden.

Wir trennten uns oben im frostigen Schwarzwald. Gen Abend teilte Leo per WhatsApp mit, er sei ohne Stop bis nach Hause gefahren, noch weitere 120 Kilometer also, das Benzin im genial grossen GS-Tankfass habe gereicht; - es seien sogar noch 2 Liter als Rest verblieben. Vor seiner Garage habe Leo dann den Anlass-Test gemacht. „Bumm … lief sofort“.

Was bringt ein solches Erlebnis an Erkenntnis? Immer einen Booster dabei haben? Vielleicht nicht, - mindestens aber jemanden mit einer KTM, - denn bei ihm kann man sich das notwendige Werkzeug für eine BMW-Reparatur leihen.