Thema: Für Leseratten... "Verschüttetes Wasser"

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tundrarabbit Erstellt am Sa 26.09.2020
Spitzenbewertung aus Deutschland

Amazonleser
4,0 von 5 Sternen Interessante Ostalgie
Rezension aus Deutschland vom 23. August 2020

Wolf Bergmann, ein passionierter Biker, Motorradfreak und Lebenskünstler, kollidiert eines nachts mit einem Fahrzeug und wird schwer verletzt in ein nahes Krankenhaus verbracht. Allmählich wieder zu sich kommend, resümiert er in der weiteren Folge über sein bisheriges Leben und kommt schließlich zu der Überzeugung, dass dieser Unfall kein Produkt des Zufalls, sondern eher eine notwendige Fügung seines Schicksals war. Aus diesem Blickwinkel bewertet er nun vieles in seinem Leben neu und kommt zu erstaunlichen Erkenntnissen. Nicht nur, dass er sich selbst in Reflektion dessen in vielen Dingen nachträglich einen ‚dämlichen Hund‘ nennt und für eine Looser hält; er fühlt sich darin auch noch darin bestätigt, indem er sich plötzlich Dinge eingesteht, welche ihm früher so niemals in den Sinn gekommen wären. Auch wenn er sich selbst weder als Pessimist noch Optimist, sondern vielmehr als Realist sieht, wird allein schon durch seine bisweilen doch sehr emotionalen, bis kantigen Schilderungen bald klar, dass er letztlich ein Opfer der eigenen Vorurteile bleibt. Daraus macht er erstaunlicherweise auch keinen Hehl, sondern führt die Gründe dafür dem Leser klar vor Augen. So wird er z. b. in seinem fortwährenden Kampf um Selbstbehauptung während seiner Schulzeit, aufgrund bestehender diktatorisch bedingter Hierarchien und den damit verbunden Ungerechtigkeiten, schnell zum Einzelhänger und Opportunisten, wie das Beispiel des ihm physisch überlegenen Achsner verdeutlicht. Ganz nebenbei entsteht vor diesem Hintergrund ein bizarres Zeit- und Sittengemälde aus der Zeit einer Diktatur, die heute doch sehr befremdlich wirkt. Bemerkenswert erschien mir noch die vielfach durchschimmernde Liebe zu den technischen Details der damaligen Ost- Motorräder, die den ‚West-Bikern‘ kaum bekannt sein dürfen. Nichtsdestotrotz erwartet den Leser trotz oftmals fehlender Dialoge und einer bisweilen zu großen Detailverliebtheit in technischen Dingen durchaus ein kurzweiliges Buch, das viele interessante Denkanstöße bietet


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