Thema: Wehret den Anfängen oder bleib wie du bist

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dernobbi Erstellt am Di 16.08.2011
Meine Frau lernte mich kennen, nicht umgekehrt. Sie
stellte mir förmlich nach. Egal wo ich hinkam, sie war
schon da.

Das ist jetzt 12 Jahre her.

Damals war ich eingefleischter Motorradfahrer, trug
nur schwarze Shirts und Jeans, Bikerstiefel und ich
hatte lange Haare.

Für besondere Anlässe hatte ich besondere Klamotten:

Sauberes schwarzes Shirt und Jeans sowie weiße
Turnschuhe.

Hausarbeit war mir ein Übel, dem ich immer wenn
möglich, aus dem Weg ging.
Aber ich mochte mich und mein Leben.

So also lernte sie mich kennen.

'Du bist mein Traummann. Du bist so männlich, so
verwegen und so frei'

Mit der Freiheit war es alsbald vorbei, da wir
beschlossen hatten, zu heiraten.

Warum auch nicht: Ich war männlich, verwegen, fast frei
und hatte lange Haare.

Allerdings nur bis zur Hochzeit. Kurz vorher hörte ich
sie sagen: 'Schatz du könntest ruhig vorher zum
Frisör gehen, schließlich kommen meine Eltern zur
Trauung.'

Stunden - nein Tage später und endlose Tränen weiter,
gab ich nach und lies mir eine modische Kurzhaarfrisur
verpassen, denn schließlich liebte ich sie und was
soll's, ich war männlich, verwegen, fast frei und
es zog auf meinem Kopf.

Und ich war soooo lieb.

'Schatz ich liebe dich so wie du bist'
hauchte sie.

Das Leben war in Ordnung, obwohl es auf meinem Kopf
etwas kühl war.
Dann war es eine zeitlang sehr schön. Bis meine Frau
mit einen Tüte vor mir stand. Sie holte ein Hemd, einen
Pullunder (welch grausig Wort) und eine neue Hose
hervor und sagte: 'Probier das bitte mal
an.'

Tage - Wochen - nein Monate und endlose
Papiertaschentücher später gab ich nach und trug
Hemden, Pullunder und Stoffhosen.
Es folgten schwarze Schuhe, Sakkos, Krawatten und
Designermäntel.
Aber ich war männlich, verwegen, totchic und es zog auf
meinem Kopf.
Dann folgte der größte Kampf - Der Kampf um das
Motorrad.

Allerdings dauerte der nicht lange, denn im schwarzen
Anzug, der ständig kneift und zwickt, lässt es sich
nicht sehr gut kämpfen. Außerdem drückten die
Lackschuhe, was mich auch mürbe machte.

Aber was sollst, ich war männlich, spießig, fast frei,
fuhr einen Kombi und es zog auf meinem Kopf.

Mit den Jahren folgten viele Kämpfe, die ich allesamt
in einem Meer von Tränen verlor.
Ich spülte, bügelte, kaufte ein, lernte deutsche
Schlager auswendig, trank Rotwein und ging Sonntags
spazieren.

Was soll's, dachte ich, ich war ein Weichei, war
gefangen, fühlte mich Scheiße und es zog auf meiner
Birne.

Eines schönen Tages stand meine Frau mit gepackten
Koffern vor mir und sagte:

'Ich verlasse Dich'

Völlig erstaunt fragte ich sie nach dem Grund.

'Ich liebe dich nicht mehr, denn du hast dich so
verändert. Du bist nicht mehr der Mann, den ich mal
kennen gelernt habe.'

Vor kurzem traf ich sie wieder. Ihr 'NEUER'
ist ein langhaariger Biker mit schwarzen Jeans und
TShirt, Tätowierungen und Bikerstiefel, der mich
mitleidig ansah.

Mhh ich glaube, ich werde ihm eine Mütze schenken.


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aprico1000 Erstellt am So 21.08.2011, Zuletzt bearbeitet am 22.08.2011 von aprico1000

Frankenbiker schrieb:
Mal ne Frage:
Weiß ehrlich in sich hineinschauend und die Erfahrung der Jahre hinzunehmend überhaupt jemand in dieser Richtung, was er will? .....


Kurze Antwort: JA!!

Lange Antwort:
Haue doch bitte die Begriffe Liebe und Partnerschaft nicht durcheinander.

Und erzähle auch Deiner Tochter bitte nicht dass sie die ganz große Liebe nie erfährt.
Liebe ist eine Empfindung und es ist schön wenn sie erwidert wird – wenn Du das unter Liebe verstehst hast Du vielleicht recht.
Liebe muß aber nicht erwidert werden, genauso wenig wie Liebe vereinnahmen muß
Wenn man sich klar darüber ist, dass man Liebe geben (verschenken) kann ohne etwas zu verlieren (auch wenn sie nicht erwidert wird) relativiert sich der Schmerz bzw. er findet nicht statt wenn man weiß, das nichts zurück kommen muß (alles kann, nichts muß)!
Liebe ist uneigennützig! Liebe ist ein Gefühl, das auch gegen den Verstand entsteht ---
Man sollte dann nur nicht dem Verstand suggerieren, dass der daraus entstehende Kontaktwunsch vernünftig ist.
(Ich bin heute in der Lage zu wissen, das ist ein echtes ???? aber ich liebe ihn trotzdem – die Konsequenzen, die ich für mich daraus ziehe sind Entscheidungen zu denen ich stehe, die Verantwortung wieweit ich mich auf diesen Menschen dann einlasse liegt bei mir - )
Liebe heißt nicht, den anderen an sich binden zu müssen/wollen, das gehört zur Entscheidung eine WG (Wirtschaftsgemeinschaft)/Part​nerschaft/feste​ Bindung zu gründen.
Ebenso wie Treue, Rücksicht-, Verantwortungsübernahme, Fürsorge keine Gefühle sondern Entscheidungen sind.
Partnerschaften zerbrechen, weil persönliche Entwicklungen auseinander laufen, weil einer sich auf dem Status Quo ausruhen möchte während der andere weiter geht.
Weil man sich keine Freiräume mehr lässt.
Diese Erfahrungen kann man in evtl. neuen Beziehungen berücksichtigen aber nicht und niemals vergleichen --- Menschen sind einzigartig --- und damit wird auch jede Beziehung zwischen Menschen einzigartig.
Deshalb gilt für mich (meine Auffassung – muß keiner übernehmen) in Bezug auf Beziehung:
Das Heute genießen ohne an das Gestern zu denken oder das Morgen zu planen!
(was nicht mit ‚heute den, morgen den’ zu übersetzen ist!)
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