Ardèche
Fest für die Sinne
17. September 2010 Ardèche – das Gebiet um den gleichnamigen Fluss gilt unter Zweiradlern als Kurven-El-Dorado der Extraklasse. Zudem verströmt dieser Landstrich das Flair des Ursprünglichen, das weder der rummelige Süden noch der elitäre Norden Frankreichs bieten können
Die Region Ardèche ist ein Fest für alle Sinne. Sattes Grün der Wälder wechselt sich mit dem ausgeblichenen Weiß der Kalkfelsen ab, die vielen Flüsse plätschern unter friedlichem Vogelzwitschern dahin, und hinter jeder Kurve umschmeichelt ein neuer Duftmix aus Lavendel, Rosmarin und Pinien die Nase. Doch im Moment duftet die Ardèche nicht mehr, sie riecht markant und streng, und zwar nach frischem Landregen. Was eine maßlose Untertreibung für das gewaltige Gewitter ist, das Land, Zweirad und Unterwäsche unter Wasser setzt. Pitschnass und aus allen Poren triefend betreten wir in Ruoms die wunderschön über dem Fluss gelegenen „Terrasses de l’Ardèche“ und treffen überraschend auf eine stattliche Zahl Leidensgenossen: Für einen Betriebsausflug stiegen die Beschäftigten einer Firma allesamt aufs Motorrad und wurden hier vom regen überrascht. Glückliches Frankreich, wo das Betriebsklima nicht mit Kegeln und Saufen sondern gemeinsamer Kurvenlust verbessert wird.
Gut zwei Stunden später sieht die Welt ganz anders aus und das Département Ardèche zeigt sich wieder von seiner besten Seite. Nur einen Katzensprung von Ruoms entfernt liegt die Straße, die den legendären Ruf dieses Departements begründete: Die „Haute Corniche” verläuft am Nordrand des tief eingeschnittenen Ardèche-Tals und zeichnet den Verlauf des „Gorges de l’Ardèche” exakt nach. Diese D 290 ist ein Muss für alle Zweiradfans, auf den gut dreißig Kilometern zwischen Vallon-Pont-d’Arc und St. Martin-d'Ardèche gibt es praktisch keine Gerade.
Dafür aber unzählige wunderschöne Ausblicke tief ins Tal hinunter, wo zahlreiche bunte Kanus dem tiefgrünen Wasserlauf folgen. In Jahrmillionen haben sich die Ardèche und zahlreiche andere Flüsse wie Chassezac, Beaume oder Ligne ihr steiles Mäander-Bett in den Felsen gefräst, sehr zur Freude der paddel- und zweiradbewehrten Touristen. Der gute Grip des Asphalts verleitet zur wahren Kurvenorgie und entlarvt die Basis des hohen Fahrkönnens der Einheimischen – wer sich hier bewährt, braucht keinen zweiradelnden Touristen zu fürchten, egal, mit welcher PS-Granate er unterwegs sein mag. Denn für diese Sträßchen reicht die gut eingesetzte Leistung einer Kawa ER-6 allemal, hinterher fahrende Motorradfahrer mit Sportbikes kommen an der sich schwungvoll in Szene setzenden Mittelklasse-Naked nicht vorbei – genüsslichen Fahrspaß kann man später noch goutieren.
Zurück geht’s etwas weiter nördlich über St. Remèze auf einer nicht weniger kurvigen Route. Doch was des einen Freud, ist des anderen Leid. Durch die vielen tief eingeschnittenen Schluchten gibt es im gesamten Département Ardèche keine einzige vernünftige Verbindungsstraße, die Landkarte sieht aus wie ein umgekippter Teller Spaghetti. Selbst kleinste Abstände auf der Karte arten in der Realität in zeitraubende Kurverei aus. Wohl deshalb haben sich die Ardèchois darauf geeinigt, Entfernungen zwischen Orten nicht in Kilometern, sondern in Zeiteinheiten anzugeben.
Von Vallon-Pont-d’Arc bis zu unserer Unterkunft in Les Vans ist es daher eine knappe Stunde. Mit seinen zahlreichen Geschäften und Unterkunftsmöglichkeiten ist das quirlige Landstädtchen ein idealer Ausgangspunkt für die gesamte südliche Ardèche. Außerdem findet jeden Samstag ein traditioneller Markt statt, auf dem die Erzeugnisse der Region von Olivenprodukten bis zur Wildschwein-Hartwurst feilgeboten werden – die sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen. Ebensowenig wie eine Weinprobe beispielsweise bei der Winzergenossenschaft von La Croisée-de-Jalès, gerade mal zehn Kilometer beziehungsweise zwanzig Minuten entfernt. Hier gibt’s leckere Landweine aus einheimischen Rebsorten wie Viognier oder Grenache zu probieren, auch die aus der „Zapfpistole” in mitgebrachte Behälter gefüllte Weine sind empfehlenswert. Vor der Verkostung sollte man sich jedoch einen Fahrer für den Heimweg organisiert haben.
Vom Fahren und Probieren hungrig geworden, kehren wir im ehemaligen Karmeliter-Kloster „Le Carmel” zum Abendessen ein. Im wunderschönen Klosterhof wird das Menü serviert, mit bunten Blütenblättern garniert und teilweise irritierenden Zutaten wie Löwenzahn und Brennessel versehen. Raffinierte Gerichte mit Hilfe der typischen Ardèche-Flora gehören zu den kulinarischen Highlights der Region.
Zur Erkundung der westlichen und nördlichen Bereiche des verzweigten Départements empfiehlt sich ein Ortswechsel ins alte Thermalbad Vals-les-Bains oder weiter nach Le Cheylard. Hier ändert sich das Bild gewaltig, wir kommen in die Ardèche vert, die grüne Ardèche. Waldbewachsene Hänge, hohe Berge, unzählige Flüsse und Pässe auf 1200er Niveau kennzeichnen die dünn besiedelte Mittelgebirgsregion. Oben am Gerbier de Jonc entspringt sogar die Loire. Das ist ein extrem reizvoller Unterschied zur landwirtschaftlich geprägten Süd-Ardèche, der nicht nur ins Auge sticht sondern alle Sinne betört – man kann ihn auch riechen, schmecken und fühlen.
Autor: Thilo Kozik
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Wir waren 2013 und 14 an der Ardeche. Eine wundervolle Gegend. Musste allerdings etwas schmunzeln bei Deiner Passage über die Corniche. Die kann man wirklich nur zu Jahreszeiten fahren, wo noch keine Touristen unterwegs sind. Sonst vermasseln einem die vielen Reisebusse und Wohnmobile den ganzen Fahrspaß.
2012 waren wir in den Cevennen - nicht minder schön mit tollen Strecken durch die ganzen Schluchten. Und das allerbeste - nichts los!!!!!!
Schöner Kurzbericht, da bekommt man Sehnsucht nach dem Mai!
Ostern wieder :-) Wie jedes Jahr.... geht weiter über Tarn, Dordogne, Lot....die ganze Gegend ist besser zum fahren als jede Alpentour!!!
Ist Thilo nicht ein "profesioneller" Schreiber vom Tourenfahrer? merkt man, gelernt ist gelernt. Die schöne Gegend hätte nur ein schönes Moped für die Fotos verdient :-))) "Duck und wech"
Wer einmal in dieser Gegend war und ihren unvergleichlichen Charme kennenerlen konnte, den zieht es immer wieder hin......, mich bereits seit über 30 Jahren...., mehr oder weniger regelmäßig
;-)
Hat viele kleine Höhlen da zum übernachten. Muss man aber schon kraxeln i.d. Flusstal runter. Ist echt geil. Campingplatz geht auch. Bloss das Bike bleibt oben. Kanufahren ist das oberg.... dort.
...jap, das ist einfach geil da. War 88 mal da. Genial!!!
Guter Bericht, schöne Gegend
Danke
Vielen Dank fürs einstellen...
Da kommen doch wieder Erinnerungen hoch. Tolle Bilder.!!!! Ich war 2001 im September dort,als in Amerika die Türme fielen.
Habe ein paar Pics in meinem Profil
Sehr schöner Bericht, danke!