Atlantische Kurvenfreuden

Wie wäre es mit einer Winterflucht nach Teneriffa?

16. September 2010 Keine Lust auf graue Wolken, Regen, Schnee und Kälte? Die größte der kanarischen Inseln ist ein Eldorado für Kurvensüchtige und Landschaftsgenießer

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In einer großen Schleife dreht der Ferienflieger von südwestlicher auf östliche Richtung. Links erscheint ein mächtiger Vulkankegel, der während des ganzen Anflugs auf den Flughafen von Teneriffa nicht mehr aus dem Blickwinkel verschwindet.

Der Teide, mit 3718 Metern Spaniens höchster Berg und markantester Punkt der Insel, wird für die nächsten Tage unser treuer Begleiter. Kaum eine Ecke auf der Insel, von wo aus man ihn nicht im Blick hat.

Matthias Baumgarten, Chef von moto sol und damit unser Reiseorganisator, holt uns am Flughafen ab und bringt uns in unser Appartement in Las Maretas, einem kleinen Dorf im Süden. Dort warten schon unsere Motorräder, eine Suzuki DR 650 S und eine Yamaha TT 250. Die perfekten Maschinen, um Teneriffa zu erobern. Rund eine Stunde lang versorgt uns Matthias mit Tourentipps, Ausflugszielen, Restaurantempfehlungen und vielen Infos, die in keinem Reiseführer stehen.

Der erste Tag
führt uns in den Nordwesten der Insel, ins Teno-Gebirge und in die Masca-Schlucht. Die Bettenburgen von Los Christianos, Playa de las Americas und Costa Adeje lassen wir auf der Schnellstraße flott hinter uns. Auf dieses Gebiet, auf Puerto de la Cruz im Norden und auf die Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife im Osten konzentriert sich der Massentourismus. Gut so, denn dadurch blieb der große Rest der Insel von Bausünden, Betonbunkern und Neckermännern verschont.

Schon die rund 100 Kilometer Fahrt von unserem Domizil nach Garachico an der Nordküste zeigen die unglaubliche landschaftliche Vielfalt Teneriffas, die den Forschungsreisenden Alexander von Humboldt bei seinem Besuch im Jahr 1799 zu der Äußerung veranlassten, fünf Kontinente auf einem Eiland gesehen zu haben. Gut, die ausgedehnten Gewächshäuser, in denen für Ketchup bestimmte Tomaten wachsen, werden vor über 200 Jahren noch nicht den Süden beherrscht haben. Aber die dort wachsenden Kakteen waren ebenso schon da wie die ausgedehnten Wälder bei Santiago del Teide. Und noch etwas wird von Humboldt entgangen sein: Die Wahnsinns-Straßen. In aberwitzigen Kurvenkombinationen winden sie sich in Schluchten hinab und Berge hinauf, zumeist frisch asphaltiert und damit in einem bemerkenswert guten und griffigen Zustand.

Mag die schnellste Verbindung zwischen zwei Punkten die Gerade sein, so ist die Kurve die schönste. Und davon gibt es reichlich. Kurvenfahren bis zum schwindlig werden, eine Achterbahn ist nicht dagegen. Die bergige Topografie der Insel führt dazu, dass man bei einem mehrtägigen Motorradaufenthalt einige tausend Höhenmeter überwindet.

Die Serpentinenstrecke hinab in das sehenswerte Städtchen Garachico klebt förmlich am Berg, das ist nichts für nicht schwindelfreie Naturen. In dieser Stadt wenden wir uns zum westlichsten Punkt der Insel, zur Punta de Teno, von wo aus man bei klarer Sicht die Nachbarinseln La Palma und La Gomera sehen kann.
Gewarnt vor Steinschlag und Erdrutschen, führt der Weg an einer schroffen, imposanten Steilküste entlang. Der vulkanische Ursprung Teneriffas ist überall sichtbar, wer sich ein wenig für Geologie interessiert, der findet sich in einem erdgeschichtlichen Lehrbuch wieder. Über Buenavista del Norte und El Palmar nähern wir uns einem weiteren Höhepunkt dieses an Schönheiten gewiss nicht armen Tages: die Masca-Schlucht. Ob man nun von Norden über Buenavista oder von Südosten über Santiago in die Schlucht hineinfährt – Atem beraubend ist es allemal. Einmal mehr sind wir voll der Bewunderung über die Ingenieursleistung, hier eine Straße hinzubauen. Sie ist mehr als eng, fordert höchste Konzentration, aber die Aussichten in die Schluchten und auf das aus mehren Weilern bestehende Dorf Masca sind einfach grandios. Am besten befährt man diese Straße in den frühen Morgenstunden, bevor die Touri-Busse kommen und sie verstopfen.

Nächster Tag,
uns zieht’s in Anaga-Gebirge im Nordosten. Erneut erweist sich die Schnellstraße als zügiger Lift. Unser erster Halt ist La Laguna, die alte Hauptstadt, die von der Unesco in den Rang eines Weltkulturerbes erhoben wurde. Wir lassen die Motorräder stehen und machen uns zu Fuß an die Eroberung. Das pittoreske Stadtbild mit vielen Häusern aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert ergänzt sich bestens mit dem prallen Leben auf den Straßen, die Universitätsstadt prosperiert in allen Ecken und Kanten.
Bei einem Cafe con leche genießen wir das geschäftige und doch entspannte Treiben und die milden Temperaturen. Selbst jetzt, im Februar, zeigt das Thermometer immer so um die 25 Grad.

Doch genug genossen, das Anaga-Gebirge wartet.

Durch den Mercedes-Wald geht es hinauf in 1000 Meter. Auf halber Höhe verlangt der Mirador del Ingles nach einem Halt. Von hier hat man eine fantastische Aussicht auf La Laguna und den Teide. Weiter führt die Fahrt durch eine üppig wuchernde, fast schon dschungelartige Vegetation zum nächsten Aussichtspunkt, dem Mirador Pico del Ingles. Links ab laden immer wieder kleine, perfekt geteerte Straßen zu Abstechern ein.
Sie enden als Sackgassen in engen Schluchten und winzigen Dörfern wie Batan de Abajo, Taborno oder Casa de Afur, so dass wir den selben Weg auch wieder zurück müssen. Macht aber nichts, denn jede diese Straßen bietet einen Mords-Fahrspaß. Das gilt besonders für die Straße nach Taganana und San Roque, die sich aus fast 1000 Metern fast senkrecht hinunter zum Meer stürzt.

Am Playa de San Roque genießen wir frisch zubereitetes Meeresgetier und schauen den waghalsigen Windsurfern zu, die sich an diesem Strand auf den Kampf mit den Elementen einlassen. Schwimmen ist hier nicht, dazu müssen wir erneut auf den Rücken des Anaga-Gebirges, um ihn südwärts durch den Barranco (Schlucht) de las Huertas wieder herab zu steigen. Innerhalb weniger Kilometer und einer halben Stunde bringen wir 3000 Höhenmeter hinter uns, um dann am künstlich aufgeschütteten Strand von Las Teresitas ein belebendes Bad im Atlantik zu nehmen.

Dritter Tag.
Jetzt haben wir ihn schon von oben gesehen, von Süden, von Westen und Osten. Nun wollen wir dem Teide einmal ganz nahe kommen. Wieder einmal überrascht uns die vegetative Vielfalt Teneriffas. Aus dem trockenen Süden geht es hinauf nach Villaflor, wohl eines der schönsten Dörfer Teneriffas.

Ringsum fallen uns die vielen kleinen, terassenförmig angelegten, so genannten Trockenbaufelder auf. Sie sind mit vulkanischen Bimssteinen bedeckt, die die Feuchtigkeit der Nacht aufsaugen und diese dann am Tage wieder abgeben. Hinter dem Dorf passieren wir einen großen Wald, die Straße schraubt sich höher und höher, bis wir schließlich die Baumgrenze hinter uns lassen und den 2050 Meter hohen Pass Boca del Tauce erreichen. Hier eröffnet sich eine fantastische Aussicht. Gerade noch im grünen Wald, stehen wir nun vor einer mondartigen Landschaft. Riesige Lavafelder, schwarz, rot, braun und in allen Schattierungen dazwischen, erstrecken sich bis zum Horizont. Frisch ist es hier oben, wie gut, dass wir warme Klamotten anhaben. Las Cañadas heißt diese Hochebene, die nichts anders ist als der Krater eines Vulkans mit rund 17 km Durchmesser. Aus dem Zentrum dieses Kraters erwuchs vor rund einer halben Million Jahren ein neuer Vulkan, eben der Teide, dessen Anblick uns gehörigen Respekt einflößt.
Die Cañadas werden an drei Seiten von hohen Felswänden begrenzt. Nur die nördliche Wand wurde bei einem Ausbruch weggesprengt, die Felsbrocken von der Lava mitgenommen. Die lange Menschenschlange an der Seilbahn, die auf den Teide-Gipfel hinaufführt und die Wolkenhaube, in die er sich hüllt, halten uns von einer Bergerstürmung ab. Statt dessen betrachten wir ausgiebig die Azulejos, durch Eisenhydrat blau gefärbtes Gestein, und die Roques de Garcia, von Wind und Wetter bizarr geformte Felsen. Viele Pisten schreien geradezu danach, von unseren Enduros befahren zu werde. Doch im Gegensatz zum Rest der Insel ist es im Nationalpark Teide nur Wanderern erlaubt, die Straße zu verlassen. Selbst die Mitnahme eines Steinchens ist strikt untersagt.

Wir verlassen die Cañadas Richtung Nordosten durch die Portillo de las Cañadas, kommen am Observatorium vorbei, fahren über den 2300 Meter hohen Pass Puerto de Izaña – und stehen im nächsten Wunderwerk der Natur. Die Straße führt durch ein Lavafeld, dessen Schichten in allen möglichen Farben erscheinen. Wir können uns kaum satt sehen an diesem Farbenspiel, müssen aber doch weiter und folgen der Straße Richtung La Laguna. Wieder zurück im Wald, eröffnen einige Aussichtspunkte herrliche Ausblicke auf Nord- und Südwestküste, bis wir plötzlich im Nebel stehen. Falsch, ist kein Nebel, wir stehen in den Wolken und werden so mit einer weiteren Besonderheit Teneriffas konfrontiert: Dem Passat.

Dieser Wind schiebt Wolken in einer Höhe von 1000 bis 2000 Meter gegen die Berge. Dort regnen sie allerdings nicht ab, sondern das in den Wolken enthaltene Wasser kondensiert an den bis zu 30 cm langen Kiefernnadeln, weshalb die Kiefern auch den Spitznamen „Wolkenmelker“ tragen. Ein Großteil des Wassers versickert und bildet so den Grundstock der Versorgung der Insel mit Süßwasser. Im Schnitt holt eine Kiefer so pro Jahr bis zu acht Kubikmeter Wasser aus den Wolken. Vor dem Esperanza-Wald biegen wir ab nach Arafo. Wieder eine tolle Strecke, und einmal im Jahr, im Juni, Austragungsort für ein Bergrennen, bei dem sich die kanarischen Motorrad-Cracks auf die Jagd nach Schräglagen und Zehntelsekunden machen.

Die restlichen Urlaubstage verbringen wir mit Baden im Meer (im Februar eine sehr erfrischende, dennoch machbare Aufgabe) und kleinen Ausflügen. So entdecken wir Los Gigantes an der Westküste, bis zu 200 Meter hohe, lotrecht ins Meer abfallende Felsen, die vor allem bei Sonnenuntergang ein farbenprächtiges Spektakel bieten. Auch der Parco Eolico in der Nähe des Flughafens, in dem sehr anschaulich über alternative Energiegewinnung informiert wird, ist einen Abstecher wert.

Nach sieben Tagen ist dann leider Schluss mit der Winterflucht. Wir verlassen die Insel des ewigen Frühlings und kehren zurück ins kalte Deutschland. Abflug in nordöstliche Richtung, und es dauert eine Weile, bis der mächtige Teide aus unserem Blickfeld verschwindet.


Autor: Thilo Kozik



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bikestar123
Hallo Thilo,
vielen Dank für die tollen Bilder und den Bericht. Da bekommt man richtig Lust auf einen eigenen Ausflug nach Teneriffa. Leider ist weder die allgemeine Situation momentan dazu geeignet, noch die Saison dazu.
Dennoch werde ich mir deine Tipps und die Eindrücke aus deinem Bericht merken und möglichst bald einen Abstecher auf die Insel machen, sofern Corona dies irgendwann wieder zulässt.
Vielen Dank dir!
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heike1303
Hallo Thilo, Bericht und Bilder machen wirklich Lust auf mehr, ich war schon mal 4 Tage Motorrad fahren auf der Insel, mit Swissraserle, wir sind ein wenig abseits der Strassen gefahren. Hat riesigen Spass gemacht.
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branca
Super Bericht
war vor ein paar Jahren auch dort nur leider nicht zum Mop fahren .
Habe da schon gedacht komme mal wieder aber zum Motorad fahren.
Die Landschaft und die vielen schönen Kurven dort einfach Klasse.
LG Branca
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Ossibiker57
Gut beschrieben, weckt Interesse ! Habe 2009 mit einer Gruppe die Insel Madeira mit dem Bike erkundet, ist auch sehr zu empfehlen.
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Dr_Duc
Tenneriffa ist eine tolle Insel! Super gut-ausgebaute Strecken! Tolle Landschaften von kark bis safig grün! Ist absolut eine Reise wert! Nicht vergessen Wal-Watching vor den Steilklippen in Los Gigantes! Nächstes Mal komm ich mit dem eigenen Motorrad.....
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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Schöner Bericht!
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casamoto
EIn Kompliment von Gran Canaria fuer den netten Artikel, war selbst schon oft drueben, ist von uns aus in 1 STunde zu erreichen, aber auch Gran Canaria hat tolle Strecken bis auf eine Hoehe von 1900 Metern !
Schauts mal auf www.casamoto.eu ! Gruss Andreas
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DJ3
Da würde es mir jetzt auch besser gefallen als hier. Toller Bericht
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Buggy
schöne sache,mal schauen was der Weinachtsmann dazu sagt. ;-)
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gs1100
Hi
toller Bericht
Wollt au scho im Winter da runter
aber leider kann man ihn nicht so gestallten wie im alten Biker
Text und dann nen bild zwischenrein
wäre viel besser
soll keine kritik an dich sein sondern an biker.de
die haben da nen morz mist produziert
bilder im zusammenhang im Bericht lockern einfach auf und man kommt sich nicht so vor wie in einer Tageszeitung
ggvlg uli
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