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Gelöschter Benutzer 06.06.2003

Bagger baggern braune Brocken

Wegstrecke 0 km
Länder/Regionen/
Wegpunkte
Nordrhein-Westfalen
Straßenart
Tour-Motorrad
Schwierigkeit
Schlagworte
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Bagger baggern braune Brocken

Zugegeben, es ist eigentlich keine richtige Motorrad-Tour. Aber immerhin hat das Fahrzeug zwei Räder und einen Benzinmotor. Dafür gibt es viel interessantes zu sehen.
Es war wieder zeitig, am Morgen. Da war es noch frisch, richtig warm wurde es im Laufe des Tages. Diese Tour machte ich am 4. Juni. Es sollte zum Braunkohlen-Tagebau Garzweiler gehen. Um richtig nah an die interessanten Stellen heranzukommen, muß ich Feldwege, teilweise Werks- Straßen benutzen. Und dafür ist mein Leicht-Mofa (Saxonette) das geeignete Fahrzeug. Nach nur 2 Km ist bereits ehemaliges Abbaugebiet erreicht. Direkt am Stadrand von Grevenbroich. Das ausgekohlte Gebiet ist längst wieder aufgefüllt und rekultiviert. Ich fahre auf die Gustorfer Höhe, eine ehemalige Abraumhalde. Die trägt heute einen Segelflugplatz, Spazierwege und landwirtschaftlich genutzte Flächen mit kleinen Feldgehölzen. Also keine "Agrarsteppe".

Auffällig sind die dort massenhaft blühenden Lupinen. Die sind eingesät worden. Die Lupine ist eine Pionierpflanze. Die kann den Stickstoff aus der Luft binden. Damit düngt sie den Boden und bereitet ihn so für die nachfolgenden Pflanzen vor.

Hier sieht man ein schon fertig rekultiviertes Feld. Im Hintergrund die Dampfschwaden vom Kraftwerk Frimmersdorf.

Eine weitere Düngepflanze ist hier zu sehen. Nein, ist kein Lavendelfeld. Diese Blumen heißen "Phacelia" (habe mich schlau gemacht) und werden, wenn sie abgeblüht sind, einfach untergepflügt. So kommt der Landwirt mit weniger Chemie aus.

Nach wenigen Kilometern ist der Rand des Tagebaues erreicht. Ein Großbagger fördert gerade Kohle, Ein anderer, der noch das Deckgebirge abtragen muß, wird gerade repariert. Die winzigen hellen Rechtecke, das sind ausgewachsene Geländewagen!

Näher ran kam ich nicht. In die Grube reinfahren ist streng verboten und auch gefährlich. Der Werkschutz kennt da kein Pardon.
Drum habe ich in meinem Fotoalbum gekramt und ein paar Bilder eingescannt. Die stammen aus dem Jahr 2000 und 2001. Da wurden mehrere Bagger-Transporte über Land durchgeführt. Da sah man diese Giganten mal aus der Nähe.

Von diesen 3m hohen Raupenfahrwerken besitzt die Maschine 18 Stück. Ein paar technische Daten, zum staunen:
Kapazität 200 000 Kubikmeter pro Tag (400 000 Tonnen)
Bedienungsmannschaft 5 Mann
Gewicht 13 000 Tonnen
Schaufelraddurchmesser 21,6 m
Gesamtlänge 220 m
Höhe des Pylones 74 m
Höhe einschließlich des Kranes auf der Spitze 96 m
Leistungsbedarf 10 000 KW
Höchstgeschwindigkeit 10 m pro Minute (0,6 Km/h)
Bodenpressung 1,8 kg pro Quadratzentimeter (weniger als ein Autoreifen!)
Damit ist dieses Gerät auch das größte Landfahrzeug der Welt. Das folgende Bild zeigt ein Fahrwerk von einem "kleinen" Bagger. Der kann nur 100 000 Kubikmeter pro Tag. Von dem kleinen ist auch das Titelbild-Schaufelrad.

Aus diesem Grunde benutze ich hier lieber das Mofa!

Damit die Anwohner nicht so sehr mit Staub belästigt werden, stehen am Grubenrand diese Brausen. Wenn der Wind zu viel Staub aufwirbelt, werden die eingeschaltet. Der Wasserschleier soll dann den Staub aus der Luft waschen. Ebenso wird die freigelegte Kohle immer feucht gehalten. Schon wegen der Brandgefahr. Bei Brühl hat mal ein Flöz gebrannt. Es hat über 100 Jahre gedauert, das Feuer aus zu bekommen. Alle Löschversuche blieben ohne Erfolg. Da hat man das glimmende Flöz komplett wegbaggern müssen!

Damit die Grube nicht absäuft, muß das Grundwasser abgepumpt werden. Deswegen steht am Grubenrand alle 100 m ein Sümpfungsbrunnen. Das so geförderte Wasser ist von bester Qualität. Teils wird es zu Trinkwasser weiterverarbeitet, teils werden damit Oberflächengewässer gespeist. Die Bäche in der Umgebung würden sonst austrocknen. Der Rest wird zum Rhein und zur Maas abgeleitet.

Weiter ging die Fahrt, diesmal zur Abwechslung ganz legal auf der Grubenrandstraße nach Jackerath. Dort befindet sich der beste, allgemein zugängliche Aussichtspunkt auf den Tagebau.

Wer mal zufällig in diese Gegend kommt, und das mal sehen möchte, hier der Zufahrtsplan.

Das abgetragene Deckgebirge muß ja irgendwo hin. Das wird zur Halde aufgeschüttet, oder damit das bereits ausgekohlte Loch verfüllt. (Ein Teil wird auch zu Sand und Kies weiterverarbeitet.) Das Verfüllen erledigen die Absetzer. Das ist das Gegenteil von einem Bagger. Der macht das Loch wieder zu. Diese Geräte sind ähnlich groß wie die Bagger. So ist alleine der Ausleger 100 m lang.

Das Baggergut wird mit Bandanlagen transportiert. Keine Eisenbahn wäre bei diesen Mengen leistungsfähig genug. So sind auch die Förderbänder riesig, und fahren viel zu schnell, als daß man aufspringen könnte. Die Gurtbreite beträgt bis 2,80m und die Geschwindigkeit bis 27 Km/h. Das Bild zeigt die Antriebsstation einer viele Km langen Bandstraße.

Der Braukohlen-Bergbau begann auf den Ville-Höhen. Da war die Wasserhaltung noch recht einfach. Die Sohle der Grube lag immer noch höher als die Erft. So brauchte man das Sümpfungswasser nur ableiten. Aber, dazwischen lag ein Berg. Da hat man einen Ableitungsstollen durch den Berg getrieben. Das war übrigens die einzige untertägige Anlage im gesamten Braunkohlerevier. Vom Bau des Stollens stammt diese Grubenbahn.

So, nun verlasse ich bei Kaster den noch offenen Tagebau. Hier bin ich wieder im rekultivierten Gebiet. Sieht aus wie natürlich. Nur daß es hier keine 100 Jahre alten Bäume gibt. Es bleibt also keineswegs eine Mondlandschaft zurück.
[img 15812]
Brütender Schwan an der Mühlenerft. Diese Vögel sollte man nicht stören. Die können, wenn die ihre Brut bedroht sehen, ganz schön rabiat werden!

Und wenn dann irgendwann in ferner Zukunft die Kohle alle ist, dann machen wir den Strom eben aus Wind. Auf den ehemaligen Abraumhalden stehen Windkraftanlagen. Dies ist ein Versuchsfeld. Da werden Windräder unterschiedlicher Bauart und Größe getestet. Übrigens steht hier, auf der Neurather Höhe, auch das größte Windrad Deutschlands. Rotordurchmesser 80m. Nabenhöhe 80m. Leistung 2000 KW. Möglich sind 3000 KW.

Die Rotorblätter sind länger als die Tragflächen eines Jumbo-Jet. Dieses Windrad bekommt einen anderen Rotor. Auch der Kran ist nicht ohne!

Hier wird die Braunkohle verheizt. Man macht daraus hauptsächlich Wolken. Und als Nebenprodukt noch ein wenig Strom.

Zum Schluß habe ich noch einen Brocken Rohbraunkohle mitgebracht. An der faserigen Struktur sieht man, daß der schwarze Dreck früher, vor 13 Mio. Jahren, mal ein Baum war.

So, Mittag, Tour zu Ende. Eine Runde um den Tagebau Garzweiler mit Abstecher zur Neurather Höhe. 55 Km zurückgelegt. Auftanken. Weniger als einen Liter Treibstoff mußte ich nachfüllen. Welches Motorrad ist noch sparsamer?
Das war mal ein etwas anderer Tourenbericht. Ich wünsche allen eine knitterfreie Fahrt. Peter

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Gelöschter Benutzer
Hi Peter,
ich wollte nur mal sagen, dass ich deine Berichte echt prima und informativ finde, auch wenn sie nicht immer was mit Bikes zu tun haben *zwinker*!
Mach ruhig weiter so!
Liebe Grüße von der Ex-Eiflerin
Claudia/hexenweibi
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