Thema: Anleitung zum Mopedgruß ;-)

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Seyla Erstellt am Do 27.03.2003
Es wird immer schwieriger einen korrekten Mopedfahrergruß auszuführen.
Polofahrer grüßen einander nie. Omegafahrer grüßen einander nie. Doch fahren
zwei Alfa- Romeo-Fahrer aneinander vorbei, heben sie auffallend lässig einen
Finger der linken Hand.
Wer eine "Ente" fährt, grüßt andere Entenfahrer, indem er aufgeregt mit der
Frischluftklappe wackelt. Selbst Lkw-Fahrer kleben sich manchmal eine hin
und her pendelnde rote Plastikhand an die Windschutzscheibe. Wer sich im Autoverkehr als exquisite Minderheit empfindet, grüßt die Angehörigen seiner exquisiten Minderheit. Die höchstentwickelte Grußkultur aber findet man unter Motorradfahrern. Die Ursprünge des Motorradgrußes reichen bis in die Steinzeit zurück.
Motorradfahrer waren damals außerordentlich rar. Es gab kaum befestigte Straßen, und die Räder waren noch aus Stein. Nur ganz harte Kerle vertrugen die Strapazen des
Motorradfahrens. Begegneten sich zwei dieser Kerle, hielten sie an, stiegen ab und zeigten einander die geöffneten Hände, um zu demonstrieren, dass sich kein Faustkeil darin verbarg. So wurde der Motorradgruß erfunden.
Unter ähnlich harten Bedingungen sind heute nur noch die Winterfahrer unterwegs.
Motorradfahrer sind entweder Winterfahrer oder Weicheier. Weicheier trifft
man im April im Straßenverkehrsamt an, wo sie ihre stillgelegten Maschinen wieder anmelden.
Winterfahrer dagegen fahren durch. Ihre Zahl ist klein. Treffen sich zwei Winterfahrer, ist die Freude groß. Sie heben dann so freudig und ausgiebig die Hände, dass sie vom Motorrad zu stürzen drohen. Von April an grüßen Winterfahrer nicht mehr. Winterfahrer grüßen keine Weicheier.
Das Motorradgrüßen ist stark reglementiert und wird von Anfängern zu Recht
als sehr kompliziert angesehen. Es ist umlagert von allerlei Ge- und Verboten. Das
bekannteste Verbot lautet: Grüße nie, nie!, ein Einspurfahrzeug, das weniger als hundert Kubikzentimeter Hubraum hat. So etwas ist kein Motorrad!
Wer fahrlässig Motorroller, Mofas, Mokicks, Kleinkrafträder oder Leichtkrafträder grüßt, verliert sein Gesicht und insbesondere jegliche Selbstachtung. Da dem Anfänger alles, was zwei Räder und einen Motor hat, von vorn betrachtet, ähnlich vorkommt, bereitet ihm dieses Verbot die größten Schwierigkeiten. Ein Spezialfall: Oldtimer.
Oldtimer werden grundsätzlich freudig und bewundernd gegrüßt, unabhängig vom Hubraum. Oldtimer werden meist von technisch versierten älteren Fahrern gefahren, sogenannten "alten Schraubern". Solchen wird Respekt gezollt. Trifft man alte Schrauber, wartet man, ob sie grüßen. Von Frühling bis Herbst grüßen viele
nicht, weil sie Winterfahrer sind. Weil das korrekte Grüßen so schwer ist,
sollten Anfänger nie voreilig von sich aus grüßen. Ungeregelt und darum praktisch nicht existent ist die Motorradgrußkultur auf der Autobahn. Nicht einmal erfahrene Motorradfahrer können sagen, ob man entgegenkommende Motorräder über sechs Spuren und einen Grünstreifen hinweg grüßen muss. Fahrtechnisch problematisch wird das Grüßen beim Überholen. Die klassische Grußhand, die Linke, wird vom Überholten nicht gesehen. Grüßt man mit der Rechten und nimmt dazu die Hand vom Gasgriff, bremst die Maschine ab fatal beim Überholen.
Absurde Verrenkungen sind auf unseren Autobahnen zu beobachten, wenn
Motorradfahrer versuchen, mit der Linken vorn am Körper vorbei nach rechts zu grüßen.
Uneingeweihte Autofahrer tippen auf Heuschreckenschwärme oder Unterarmkrampf. Der Autobahngruß ist eben gerade mal so jung wie die Autobahn und kennt kaum Traditionslinien.
Zu Konflikten kommt es auch, wenn man den deutschen Grußkulturraum verlässt.
So sind deutsche Motorradfahrer in Italien verwirrt und erbost, weil dort partout
niemand gegrüßt wird. Nicht einmal ein alter Schrauber. Die Erklärung: Der "italienische Gruß" besteht in einem für unser Auge nicht wahrnehmbaren Zucken des linken kleinen Fingers.
Solche Missverständnisse führen zu dem Vorurteil, italienische Motorradfahrer seien
unfreundlich und arrogant. Ein Desiderat der Grußkulturforschung!
In Deutschland gilt das minimalistische "italienische Grüßen" als verpönt. Man erachtet das furchtsame Festhalten am Lenker. Diese Haltung ist nicht unproblematisch. Wenn man beim Auto die Hand vom Lenkrad nimmt, fährt es geradeaus weiter. Lässt der Motorradfahrer den Lenker los, fällt die Maschine über kurz oder lang um. Besonders in Kurven. Ganz besonders beim sogenannten "Heizen", dem enorm schnellen Fahren. Der "Heizergruß" in extremer Schräglage (ein Knie berührt den Asphalt) gilt als sehr riskant. Er wird allgemein als Nachweis hoher Fahrkunst angesehen. Wer diese Kunst nicht beherrscht und dennoch ausübt, riskiert seinen letzten, den sogenannten "goldenen Gruß".
(C) DIE ZEIT Nr.31 vom 26.Juli 1996


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nicolassparks Erstellt am Do 27.03.2003
Hallo Seyla,
toller Bericht, den kannte ich noch nicht!
Mein Fazit... halte mich an fast alle Regeln, und bin kein Weichei!! *g*
Jess :)

Missing_mini

Gelöschter Benutzer Erstellt am Do 27.03.2003
Ist schon doll, die Grußpflicht! Ich hatte schon mal eine Grußmaschine in Arbeit. Eine Plastikhand, eigentlich Fliegenklatsche. Die sollte, auf Knopfdruck, elektrisch wedeln. Nur hielt der Prototyp dem Fahrtwind nicht stand. Schon bei 100 Km/h flog diese Konstruktion weg. Nun, ich bin (war) Elektromechaniker. Wenn ich wieder mal zu viel Langeweile habe, dann werde ich diese Grußautomatik noch einmal, aber diesmal sturmfest bauen!
Gruß, noch manuell: Peter

Missing_mini

Gelöschter Benutzer Erstellt am Fr 28.03.2003
hoi Peter,
kannst Dir alle (mehr oder weniger) komplizierte Mechannik sparen, indem Du einen mit Watte ausgestopften ollen Arbeitshandschuh mit ´nem Schnürsenkel am Lenkerende festknüppelst.
Der flattert dann genauso aufgeregt im Wind, wie die Patschehändchen derer, die vom "Winken" nicht genug bekommen können..:-))
René
*der-am-Wochenende-fast-nie-gr​üsst*​

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Speedfreak Erstellt am Fr 28.03.2003
Ne Gruß-Diskussion hatten wir schon lange nicht mehr ~lol~
Also, seid Moppedfahren so sehr inflationiert, grüß ich auch kaum noch. Irgendwann haben auch die Autofahrer das Grüßen aufgehört, nachdem jeder ein Auto fuhr. Aus diesen Zeiten sind wir raus.
Jetzt grüß ich nur noch in den Kurven, in denen der mir entgegenkommende Anfänger fest in die Verkleidungsscheibe beißt und sich verkrampft am Lenker festhält; mit dem Hoffen, diese gefährliche Kurve heil zu überstehen ~hihi~

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coopman Erstellt am Fr 28.03.2003
Echt Super die Story!
Aber wusstet ihr das die französischen Moppedfahrer eine Geste haben um sich bei Autofahrern zu bedanken?! Ja, in Deutschland brauchen wir das nicht - da gibt's zu 99,9% keinen Grund sich zu bedanken.
Aber die Franzosen sind halt entspannter. Wenn also ein Auto (wie üblich) einem Mopped PLatz macht streckt der Moppedfahrer den rechten Fuß raus!
Als ich das zum ersten mal gesehen habe war ich total überrascht (ich war der Autofahrer): Ich mach dem Platz und der will mir in die Karre treten?! Nein, es ist wirklich eine Dankesgeste!
Wäre schön, wenn wir die in Deutschland auch brauchen könnten!

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Speedfreak Erstellt am Fr 28.03.2003
Ja, in Frankreich ist das ein Dank-Prinzip und in Deutschland ein Straf-Prinzip: Da haut man den Dosen aufs Dach oder tritt gegen die Tür ~gg~

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El_maravilloso Erstellt am Fr 28.03.2003
das mit dem Bein grüßen ist in Frankreich und Spanien generell sehr verbreitet... mußte mich auf meinen Mopedrundreisen auch erst dran gewöhnen :o)

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heikojause Erstellt am Fr 28.03.2003
Jou, olle Diskussion.
- ich grüsse (fast) nur im Winter, ihr 'Schattenparker' :-)
- im Vorbeifahren ist der rechte Fuss als Gruss 'normal'. Als Kuttenträger mit schnellem Mopped grüsse ich so öfter mal Clubs, die auf der Autobahn oder Landstrasse 'parken'... ;-)
selektierter Gruss
Heiko

Missing_mini

Gelöschter Benutzer Erstellt am Fr 28.03.2003
Das Bein- Grüßen haben die Rollerfahrer erfunden. Die Füße stehen auf dem Trittbrett und haben sowieso nichts zu tun. Denn der Rolli hat ja Getriebeautomatik, und gebremst wird, falls überhaupt, mit der Hand. Rechts Vorderrad, links Hinterrad. Wenn die Füße also nicht gerade einen Sack Kartoffeln, oder eine Bierkiste festhalten müssen, dann sind sie für Grüße aller Art verfügbar.
Gruß (Hand): Peter

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tante_ju Erstellt am Sa 29.03.2003
Im Winter kann ich's nur bestätigen. Immer wenn ich jemanden sah, grüßte man sich überschwenglich.
Aber jetzt, wo die Horden unterwegs sind, finde ich noch keine Regel, warum mich wer grüßt und warum nicht ...
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