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till11
Erstellt am Do 27.03.2003
kannst du sie kriegen (vielleicht)
BOYKOTT GEGEN US-PRODUKTE
"Wir kriegen sie nur über das Geld"
Gastwirte verbannen Heinz-Ketchup, Barkeeper offerieren Anti-Cola, Demonstranten sammeln sich vor Esso-Tankstellen: Nach den ersten Bomben-Nächten mehren sich die Boykott-Aktionen gegen US-Produkte. Per SMS-Kettenbrief und E-Mail verbreiten Friedensaktivisten Tabu-Listen, auch die meisten Videos und Kino-Filme gelten plötzlich als verpönt.
Auf dem Index der Aktivisten: Whopper von Burger King
London/Hamburg/Rom - "Was kannst Du gegen einen Irren tun, der Zugang zu enormen Mengen von Massenvernichtungswaffen hat?", fragen die Grünen im englischen Milton Keynes auf ihrer Website. Freundlicherweise liefern sie auch gleich die Antwort: "Kauf keine Waren und Dienstleistungen aus den USA." Und um britischen Peaceniks und Bush-Gegnern dies zu erleichtern, haben die Grünen aus der Londoner Vorstadt auch gleich eine Liste von Produkten erstellt, die von US-Firmen produziert werden. Wer sich tatsächlich davon leiten lassen will, muss bei jedem Gang durchs Geschäft höllisch aufpassen. Mehr als 330 Firmen und Produkte sind in der Liste aufgeführt. Der Boykott-Führer endet außerdem mit dem Hinweis, dass die meisten Filme, DVDs und Videos künftig gemieden werden müssten.
Auch deutsche Restaurantbesucher bekommen den Protest gegen den Krieg und die politischen Spannungen zwischen Amerika und Europa zu spüren. Der Bonner Wirt Bruno Kessler hat sämtliche amerikanische Produkte aus dem Angebot seiner Kneipe verbannt. Im Wirtshaus "Zuntz' selige Witwe" wird seit Donnerstag kein US-Whisky und kein Coca-Cola mehr über den Tresen gereicht. Mit einem Aushang "Gegen den Krieg" macht der Wirt seine Gäste bereits an der Kneipentür auf den Boykott aufmerksam.
Retourkutsche für die Amerikaner
In Hamburg haben zahlreiche französische Restaurants amerikanische Produkte wie Ketchup, Reis, Whiskey oder Coca Cola von ihren Karten genommen. Dies sei zum einen ein Protest gegen den Kriegskurs der US-Regierung, aber auch eine Retourkutsche für den Boykott französischer Waren in einigen Teilen der USA. "Amerikaner protestieren doch auch gegen Frankreichs Nein zum Krieg, indem sie unseren Käse und unsere Weine nicht mehr kaufen", rechtfertigte der französische Koch Louis Bouillon den Schritt.
Keinen Cent mehr für die USA: Fahradbauer Müller und Riese mit ihrer Belegschaft
Markus Riese und Heiko Müller haben ihren eigenen Boykott schon umgesetzt. Als sie die Nachricht von den Bomben auf Bagdad erfuhren, beschlossen die beiden Geschäftsführer des Fahrradherstellers Riese und Müller, ab sofort keine Fahrradteile mehr aus den USA zu ordern. "Die Amerikaner sind nur über das Geld zu kriegen", sagt Müller zur Begründung. Er hofft, dass die boykottierten US-Zulieferer bei der eigenen Regierung Protest anmelden. "Wenn uns jemand schreibt, dass er auch gegen den Krieg ist und sich beschwert hat, dann kaufen wir dort auch wieder ein", so Müller.
SMS-Kettenbriefe
In Italien rufen unterdessen linke, grüne und kirchliche Gruppen per SMS-Kettenbrief zum Boykott auf. "Kauft keine US-Produkte", lautet die Aufforderung auf dem Handy-Display, "und schickt diese Botschaft an zehn Personen weiter". Greenpeace, die katholische "Lilliput"-Bewegung, Grüne und Kommunisten wollen es nicht bei Fackelzügen und Sit-Ins belassen, sondern ihren Protest auf diese Weise zeigen.
Auch der amerikanische Ölkonzern Exxon Mobil, in Europa bekannt unter dem Namen Esso, steht auf der schwarzen Liste der Protestler. Kriegsgegner werfen der Führung des weltgrößten Ölkonzerns vor, die Abhängigkeit der USA vom Erdöl forciert und auf diese Weise zum Kriegskurs Washingtons beigetragen zu haben. In mehreren italienischen Städten kam es zu Protestaktionen vor Esso-Tankstellen, Tanksäulen wurden mit Parolen wie "Kein Blut für Öl" übermalt.
Gandhis Idee
Die Idee, mit Konsumenten-Boykotts politischen Einfluss zu nehmen, ist alles andere als neu. Schon Mahatma Gandhi rief im Kampf um die Unabhängigkeit Indiens zum Verzicht auf britische Waren auf. Zumindest anfänglich haben solche Initiativen eher symbolische Bedeutung, als dass sie wirklich wirtschaftliche und letzlich politische Wirkung zeitigen. Sie mögen kurzfristig das Gewissen beruhigen oder gegen Ohnmachtsgefühle helfen, doch es dauert Jahre, bis sie nennenswerte Ergebnisse erzielen.
IM INTERNET
· boycottwar.net
· boycottusa.org
SPIEGEL ONLINE ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten.
Eine Reihe dieser Kampagnen allerdings, wie etwa der langjährige Boykott gegen südafrikanische Produkte im Kampf gegen die Apartheid oder die von Greenpeace und anderen Umweltgruppen initiierte Kampagne gegen Shell wegen der Versenkung der Brent Spar, zeigten schließlich sichtbare Erfolge.
Die aktuelle, weltweit durch den Irak-Krieg beförderte Boykott-Kampagne hat einen Vorlauf in den arabischen Ländern und der muslimischen Welt. Seit gut zwei Jahren rufen dort Gegner der andauernden Besetzung Palästinas durch Israel zum Kaufstreik gegen US-Produkte auf. Die Regierung von George W. Bush, so ihre Begründung, unterstütze Ariel Scharon bei seinem Feldzug gegen die Palästinenser.
Gewalt gegen US-Hühner-Kette
REUTERS
Blinder Hass: Bei einer Anti-US-Demonstation in Karachi wurde im Oktober 2001 eine Filiale von Kentucky Fried Chicken angezündet
So predigen Mullahs in Moscheen gegen das Rauchen von Marlboros oder Studenten forderen dazu auf, arabische Restaurants zu besuchen, statt sich bei "Kentucky Fried Chicken" den Bauch vollzuschlagen. Die Boykottaufrufe werden über das Internet verbreitet oder mit traditioneller Mundpropaganda in den Basaren.
In Beirut verteilten Studenten vor den vier Starbucks-Filialen der libanesischen Hauptstadt Flugblätter, die den Chef der Coffee Shop Kette aus Seattle als "aktiven Zionisten" denunzierten. Marokkanische Zeitungen forderten Geschäftsleute auf, aus dem US-Dollar in den Euro zu gehen. In Ägypten verschickte die Ärztevereinigung Listen von europäischen Medikamenten, mit denen sich amerikanische ersetzen lassen. Gelegentlich schlagen die Aktionen gegen US-Firmen in Gewalt um: In der Kairoer Universität zündeten Studenten eine Filiale von Kentucky Fried Chicken an, auch in Pakistan und Libyen kam es zu Anschlägen auf die US-Hühner-Kette.
Anti-US-Cola ausverkauft
"Wir erwarten, dass es Auswirkungen hat", sorgt sich Ahmed Linjawi, Manager des Procter & Gamble Co. Joint Venture in Saudi Arabien. "Wir haben ein Image-Problem." In der Tat gingen die US-Importe in mehreren Golfstaaten seit dem Afghanistankrieg deutlich nach unten. Von den sechs McDonalds Filialen in Jordanien gingen zwei im vergangenen Jahr pleite.
IN SPIEGEL ONLINE
· Mecca-Cola: Wie Allahs Brause nach Deutschland kam (14.01.2003)
Nennenswerte Wirkung zeigen die Aufrufe naturgemäss erst, wenn alternative Produkte verfügbar sind. Und für solche besteht offenbar echter Bedarf. In den Vereinigten Arabischen Emiraten konnte Star Cola im vergangenen Jahr in nur drei Monaten einen Umsatzzuwachs von 40 Prozent verbuchen. Im Iran kommt Zam Zam Cola nicht mit der Produktion hinterher, um die Nachfrage nach einer Alternative zur Yankee-Brause im gesamten arabischen Raum zu befriedigen.
Die Idee des anti-amerikanischen Konsumierens verbreitete sich während des Afghanistan-Krieges in der gesamten islamischen Welt. Muslimische Organisationen in Indonesien, Malaysia oder Indien riefen zum Boykott nicht nur amerikanischer, sondern auch britischer Waren auf.
Im Zuge der Irak-Krise verbreiten sich derzeit solche Boykott-Aufrufe rund um die Welt. In Brasilien rief vergangene Woche Chico Alencar, Vizechef der Arbeiterpartei , zum Boykott von US-Waren auf, sobald Bush seine Truppen in den Irak schickt. In Island hat die "Atak gegn Stridi" (Kampagne gegen den Krieg) zum Boykott aufgerufen, ebenso hielten es Kriegsgegner in Spanien, Belgien oder Südafrika. Sogar US-Bürger, die gegen die Politik George W. Bushs opponieren, unterstützen vereinzelt einen Boykott. Sanford Russell, ein US-Airforce-Veteran des Koreakrieges, bekannte zumindest: "Ich habe einen perönlichen Boykott gegen Produkte mit dem Label "Made in USA" begonnen."
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Nr.2
Auch an der Ladentheke wird gegen den Irak-Krieg demonstriert
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urbs-media, 24.2.2003: Entgegen der offiziellen Haltung vieler europäischer Politiker, die in der Frage eines Angriffs der US-Armee gegen den Irak tief gespalten sind, gibt es bei der Bevölkerung in der EU eine klare Mehrheit gegen den Irak-Krieg. Selbst in England und Spanien, wo sich die Regierungschefs besonders kritiklos in die amerikanische Kriegsfront einreihen, sind mehr als 80 Prozent der Bürger für eine friedliche Beilegung des Konflikts.
In Frankreich kann man sich jetzt auch beim täglichen Einkauf als "Kriegsgegner" bekennen: "Mecca-Cola" statt "Coca-Cola" oder "Pepsi-Cola". Was von den Initiatoren ursprünglich als Alternative für Muslime gegen die Allmacht der amerikanischen Getränkekonzerne gedacht war, hat sich inzwischen auch bei anderen gesellschaftlichen Gruppen, die gegen die Rolle Amerikas im Nahen Osten protestieren wollen, zum Selbstläufer entwickelt.
"Ne buvez plus idiot, buvez engagé" (Trinke nicht wie ein Idiot, trinke engagiert), unter diesem Motto werden die Franzosen seit November 2002 aufgerufen, ihre ökonomische Macht als Konsumenten auch im Sinne ihrer politischen Einstellung auszuüben. Und der Erfolg scheint dem Erfinder von "Mecca-Cola" Recht zu geben: Allein in den ersten zwei Monaten gingen in Frankreich über 2 Mio. 1,5-Liter-Flaschen der "ideologisch korrekten Cola" über die Ladentheken, Tendenz steigend.
Vom Preis her liegt die "Mecca-Cola" in etwa auf dem Niveau ihrer amerikanischen Konkurrenzprodukte. Allerdings spendet das Unternehmen 20 Prozent seiner Einnahmen für humanitäre Zwecke, und zwar zehn Prozent an palästinensische und zehn Prozent an europäische Kinder-Hilfswerke.
Die amerikanischen Massenmedien kennen offensichtlich nicht die in Deutschland übliche Zurückhaltung, wenn es um Aufrufe zum Boykott von Waren aus anderen Ländern geht. So reagierten z.B. Teile der US-Presse mit der unverhohlenen Forderung nach einem Boykott deutscher und französischer Waren, als die gemeinsame Friedensinitiative des französischen Präsidenten und des deutschen Bundeskanzlers bekannt wurde. Einige Politiker aus dem Bush-Lager stellen sogar die Forderung nach Sonderabgaben auf Importe aus Frankreich und "drohen" Deutschland mit einer Verringerung der hier stationierten US-Truppen. Für unsere französischen Nachbarn haben die zum Kampf gegen das Böse gerüsteten Bush-Krieger sogar eine neue Bezeichnung erfunden: "käsefressende Kapitulationsaffen". Unser neuer Kosename lautet: "Euromemmen aus dem Land der fettigen Würste und des verkochten Sauerkrauts".
Wenn Sie sich einen Eindruck von den amerikanischen Hasstiraden gegen Deutschland und Frankreich machen wollen, sollten Sie die URL www.GermanyStinks.com aufrufen. Dort gibt es unter anderem eine Zusammenstellung mit den Namen von mehr als 100 deutschen Firmen, die von den amerikanischen Verbrauchern boykottiert werden sollen. Diese sogenannte Liste der Schande enthält z.B. Bosch, Haribo, Porsche und Puma. Unter www.FranceStinks.com finden Sie die entsprechenden Kampfseiten der selbsternannten US-Patrioten gegen Frankreich. Gegenwärtig (11.3.03) sind diese beiden Internetseiten jedoch nicht erreichbar. Nach Angabe der amerikanischen Betreiber wurde der Server von anti-amerikanischen Hackern aus Deutschland außer Gefecht gesetzt.
urbs-media Praxistipp: Die urbs-media Redaktion steht nun ganz bestimmt nicht im Verdacht, die Politik der rot-grünen Bundesregierung kritiklos zu unterstützen. Dies gilt insbesondere für den Teil des Regierungshandelns, der sich auf die Bereiche Wirtschaft und Finanzen bezieht. Wenn jetzt aber führende Oppositionspolitiker von CDU und FDP die Irak-Politik des Bundeskanzlers als "kriegsfördernd" bezeichnen und bedingungslose Solidarität mit der Busch-Regierung fordern, dann kann dies nicht unwidersprochen hingenommen werden. Nach den amerikanischen Flächenbombardierungen von Köln, Düsseldorf, Wuppertal, Dresden usw. kurz vor Kriegsende wissen insbesondere die älteren Deutschen noch sehr genau, was ein Krieg für die Zivilbevölkerung bedeutet. Diese Erfahrung bzw. Kenntnis fehlt offensichtlich den jetzigen "Nachwuchspolitikern", die lautstark die diplomatischen Versuche Frankreichs und Deutschlands um eine Verhinderung des Kriegs kritisieren.
Es wird Zeit, dass sich Europa auf seine eigene politische Identität und vor allem seine wirtschaftliche Stärke besinnt. So macht es keinen Sinn, wenn wir wie "hypnotisierte Kaninchen" auf Amerika starren und die angeblichen Wachstumsraten der US-Wirtschaft bewundern, ohne kritisch zu hinterfragen, durch welche aberwitzigen Rechenoperationen diese Statistiken zurechtgetrimmt werden.
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