KTM 690 Duke R

Eintopf mit Einlage

12. November 2010 KTMs neue 690 Duke R wird vom stärksten Einzylinder aller Zeiten angetrieben. Doch auch der Rest des Pakets ist einfach unwiderstehlich

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Bei KTM weiß man von vornherein, auf was man sich einlässt, denn Understatement ist nicht die Sache der österreichischen Motorradbauer. Das beginnt schon bei der selbstbewussten Attitüde des Chefs der Firma, die sich selbst ganz ungeniert die Erfinder der Hard Enduros nennt: Der Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer haut verbal gern mal auf die Pauke und proklamierte vor ein paar Jahren auf der Mailänder Weltmesse EICMA, KTM wolle in absehbarer Zeit Europas größter Zweiradhersteller werden – vor BMW und der ganzen italienischen Motorrad-Armada von Aprilia bis Ducati. Diesem lautsprecherischen Credo gehorchen auch die Motorräder aus Mattighofen.

Die ohne Ausnahme vom Salzburger Designbüro Kiska gezeichneten Bikes sind alles andere als zurückhaltend. Nicht unbedingt schön, aber auf jeden Fall auffällig bis polarisierend. Und dieses rattenscharfe Aussehen macht dem Betrachter unmissverständlich klar: Hier kommt keine eierlegende Wollmilchsau. Die Österreicher rühren für ihre Kreationen alles andere bloß keinen massenkompatiblen Einheitsbrei zusammen, sie kredenzen Machwerke höchst individueller Rezeptur. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist die Duke, die bei ihrem Erscheinen 1993 nicht nur ein völlig neues Modell war, sondern gleich eine neue Kategorie Motorrad kreierte: Den Landstraßen-Rennsingle.

Damals maß der LC4-Einzylinder noch anständige 553 Kubik. Sechs Jahre später betrat die Duke II die Bühne, mit 625 Kubik großem Single und trotz der neu implantierten Ausgleichswelle beileibe kein Weichei. 2008 dann kam eine rundum überarbeitete Duke 690mit dem neu entwickelten, 654 Kubik starken Hochleistungs-Einzylinder. Dieser war mit nominal 65 PS der stärkste Serien-Single der Welt.

Und jetzt setzen die Mattighofener mit der Duke R den Edel-Herzog oben drauf. Aus 690 flüssigkeitsgekühlten Kubik erlöst der vierventilige Einspritz-Single stramme 70 PS, das macht ihn zum stärksten zulassungsfähigen Einzylinder aller Zeiten. Die edlen Zutaten dafür lauten Schmiedekolben, Trockensumpfschmierung, Ausgleichswelle und Hohlschaftventile. Für den größeren Hubraum wurde eine neue Kurbelwelle mit mehr Hub notwendig (84,5mm statt 80mm), auch Kolben und Zylinder sind geringfügig verändert worden bei identischen Abmessungen für Zylinderbohrung und Kolbendurchmesser mit denen der anderen LC4 Modelle. Da die Mehrleistung und das höhere Drehmoment nicht über eine kurzhubigere Auslegung erkauft werden, erfreut der R-Motor nicht nur durch eine höhere Spitzenleistung am oberen Ende des Drehzahlbandes sondern auch durch ein gesteigertes Drehmoment über den gesamten Drehzahlbereich.

Damit sich der Gute bei plötzlichem Gasgeben seines Adrenalin gepeitschten Treibers nicht verschluckt, haben ihm die Entwickler das Electronic-Power-Throttle (EPT) verpasst, ein elektronisches Drive-by-wire-System, das die Fahrbefehle für den großen Einzelhubraum verträglich umsetzt. So setzt der ohc-Motor die maximal zur Verfügung stehenden 70 Newtonmeter Drehmoment ab 3000 Touren in lustvollen Vortrieb um, eine für Einzylinder untypische Drehfreude sorgt für ein breites nutzbares Drehzahlband.

Wie bei allen 690 LC4 Modellen verfügt auch die 690 Duke R über Einstellmöglichkeiten zur Beeinflussung von Motorcharakteristik und Ansprechverhalten. Der sogenannte „Map-Select“-Schalter befindet sich vor dem Federbein, seine Bedienung ist etwas umständlich: Von der rechten Seite muss der Schalter vom Halteblech abgezogen und nach rechts durch den Rahmen nach außen gelegt werden. Dann lassen sich für die 690 Duke R drei Einstellungen vornehmen: Steht das Einstellrad auf Position 1 bedeutet dies Soft - reduzierte Spitzenleistung, bessere Fahrbarkeit, weicheres Ansprechverhalten. Die Position 2 steht für Advanced - volle Leistung mit sehr direktem, sportlichem Ansprechverhalten. Auf allen anderen Positionen gilt Standard - volle Leistung, aber ausgeglichenes Ansprechverhalten.

Passend zum motormäßigen Angriff gibt’s ein Chassis, das höchsten sportlichen Ansprüchen genügt. Von der fetten 48er USD-Gabel – natürlich zugeliefert vom zum Konzern gehörigen Federungsspezialisten WP – über den schwerpunktgünstig unterm Motor gelegten Schalldämpfer bis zur offenen Kastenprofilschwinge reichen die Insignien. Hier herrscht Gewichtsminimierung, wohin man schaut – das geschraubte Leichtmetallheck, der von Hand laminierte Karbonkotflügel (wiegt läppische 240 Gramm), alles zusammen genommen bleiben auf der Waage 148,5 Kilo ohne Sprit übrig.

Einmal an den breiten, konifizierten Alu-Lenker gepackt giert das Ensemble geradezu nach Schräglagen, herzhaftem Gasgeben und vernichtendem Vollstrecken auf der Hausstrecke. Im Parforce-Modus gibt sich der so eigenwillig aussehende österreichische Erzherzog folgsam wie die junge Sissy; leichtfüßig, agil, spontan und direkt lenkt die Duke R in sämtliche Passagen, bleibt bei Geradeausfahrt und auf der Bremse stabil wie eine oberösterreichische Eiche und flutscht durch Schikanen wie Kärntner Wasser. Hier machen sich die tollen Federelemente beziehungsweise das sehr sanfte Ansprechverhalten im Verbund mit sportiver Dämpfung und Federung bemerkbar, die einen leichtfüßigen Fahrspaß ermöglichen, wie man ihn lange nicht mehr genossen hat – und wie ihn dicke Naked Bikes und übermotorisierte Superbikes konstruktiv bedingt nicht bieten können.

Vielleicht das Beste am ganzen Treiben ist aber die absolute Kontrollierbarkeit: Alles fühlt sich so leicht, so beherrschbar und jederzeit einfangbar an. Das liegt nicht zuletzt an der brachialen Vierkolben-Festsattelzange aus dem Hause Brembo, die per Radialpumpe ein exakt dosierbares Bremsvergnügen bietet. Sicherheitshalber haben die Österreicher hier auch noch eine sinnträchtige Antihopping-Kupplung eingebaut, die lästiges Bremsstempeln beim ambitionierten Herunterschalten vor der Kurve ausschließt.

Da mutet es nur logisch an, dass die größte Kritik an der R-Duke nicht auf dem zweirädrigen Schlachtfeld, sondern an der Kasse entsteht: Knapp neuneinhalb Scheine sind stramm, auch für den unvergleichlichen Spaß der KTM.

Technische Daten KTM 690 Duke R

Motor
Flüssigkeitsgekühlter Einzylinder-Viertaktmotor, eine obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Rollenkipphebel, elektronische Benzineinspritzung mit 52 mm Drosselklappendurchmesser, Ausgleichswelle, Trockensumpfschmierung, geregelter Katalysator, E-Starter.
BohrungxHub: 102,0 x 84,5 mm
Hubraum: 690 cm3
Maximale Motorleistung: 70 PS (51,5 kW) bei 7500/min
Maximales Drehmoment: 70 Nm bei 5500/min
Verdichtungsverhältnis: 12,5 : 1
Kraftübertragung: Hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Primärantrieb über Zahnräder, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette zum Hinterrad.

Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, vorn USD-Telegabel mit 48 mm Standrohrdurchmesser, einstellbarer Federbasis, Druck- und Zugstufendämpfung, 140 mm Federweg, Leichtmetall-Zweiarmschwinge mit angelenktem Zentralfederbein hinten, einstellbarer Federbasis, Druck- und Zugstufendämpfung, 140 mm Federweg.
Bremsen: Vorn 320-mm-Einzelscheibenbremse mit Vierkolben-Radialfestsattel, hinten 240-mm-Einscheibenbremse mit Einkolben-Schwimmsattel.
Räder: Leichtmetall-Gussräder, vorn 3.50 x 17, hinten 5.00 x 17
Bereifung: Vorn 120/70 R 17, hinten 160/60 R 17
Elektrik: 12 V, Drehstromlichtmaschine 224 W, Batterie 8,6 Ah

Maße und Gewichte
L/B/H: 2122/830/1243 mm
Leergewicht (ohne Benzin): 148,5 kg
Zul. Gesamtgewicht: 350 kg
Tankinhalt: 13,5 Liter, davon 2,5 Liter Reserve
Sitzhöhe: 865 mm
Radstand: 1472 mm
Lenkkopfwinkel: 63,5 Grad
Nachlauf: 115 mm

Preis/Garantie/Inspektion
Preis: 9.495,- Euro zzgl. Nebenkosten
Garantie: Zwei Jahre ohne Kilometerbeschränkung
Inspektionsintervalle: 1.000 km, danach alle 7.500 km



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