Ein Gefallen mit Folgen

Ein Gefallen mit Folgen

Wer hätte das Gedacht: Eine unscheinbare Engländerin wickelt mich um die Zylinder
Durch Zufall kam ich auf Bitte eines Kollegen, der sein Motorrad in der Werkstatt hatte und mich bat, ob ich ihn nicht in die Werkstatt bringen könnte um sein Motorrad abzuholen zu dem Händler. Ich schlich - klar, wenn man schon mal dort ist - zwischen den Bikes umher und schaute mir die verschiedenen Modelle an.
Seitdem ich Motorrad fahre gibt es ein Bike von dieser Marke, das mir immer gefallen hat, jedoch leider für meine Körpergröße einfach nicht gemacht ist. Auch das neue Modell fand ich direkt ansprechend, auch wenn es sich vom Typ her insbesondere beim neuesten Modell grundlegend verändert hat. Ich spreche von der Triumph Tiger. Eines hat sich beim neuen Modell leider nicht geändert: Eine für mich geeignete Sitzhöhe gibt es noch immer nicht...
Das Bike von dem ich hier berichte fand ich optisch erstmal garnicht so ansprechend - zumindest nicht auf den ersten Blick. Erst der Zweite Blick auf ein etwas höher abgestelltes Bike weckte mein Interesse. Es hatte die Farbe-meine Farbe: Mattschwarz . Ja, was meine ich für ein Bike? Ich meine die Speed Triple. Ein Bike das auf den ersten Blick bieder und nichtssagend wirkt. Für mich war es in diesem Falle die Liebe auf den zweiten Blick. Durch das Matte wirken die Linien besonders hervorstechend und zurückhaltend zugleich. Zierlich und grazil, mit regelrecht königlicher Ausstrahlung wirkt die englische Lady auf ihrem Podest. Wow dachte ich für mich - das Feuer war entfacht. Leider hatte ich keine Motorradbekleidung dabei, sonst wäre ich direkt eine Runde gefahren. Mit einem Prospekt in der Hand verließ ich das Geschäft.
Ein paar Tage später war ich mit meinem Bike unterwegs und fuhr zufällig an einem Triumph-Händler vorbei. Ich hielt an und ging hinein, fragte nachdem ich durch deren Ausstellungsangebot gestöbert bin, ob eine Probefahrt mit einer Speed Triple möglich sei. „Ja klar, kein Problem, nur nicht so lange, da wir bald schließen“. Wir erledigten schnell die Formalitäten. Ich ließ mir wie schon x-mal zuvor erklären wie ein Motorrad bedient wird (vielleicht sollte ich nicht mehr sagen, dass ich BMW fahre...). Ich setzte mich drauf und fuhr los. Zunächst zurückhaltend, schließlich hat das Teil 132 Pferdchen und wenn man ein Bike nicht kennt ist erstmal Vorsicht angesagt. Der Sound der 3 Zylinder ist dumpf mit einem leichten. Ich stelle mir vor, wie er wohl mit einem Zubehörauspuff wäre - bestimmt geil :o) Vorsichtig drehe ich am Gas und verlasse das Firmengelände. Nach ein paar Metern geht es rechts ab und erstmal ein Stück geradeaus. Ich drehe am Gas und ohne das geringste Zuckeln oder Verschlucken beschleunigt sie durch. Zweiter, Dritter, Vierter, Fünfter, Sechster Gang - mich begleitet neben einer nicht erwarteten Beschleunigung ein dumpfes Grollen das mir zuraunt: Los, gib Gas, zeig mir die Kurven. Nie hätte ich gedacht, das hinter dieser biederen Engländerin soviel animalische Energie steckt. Das Handling ist nicht wie bei meiner GS, aber das liegt vermutlich an der für mich recht ungewohnten Sitzhaltung und an der breiten Bereifung. Es ist schon fast 3 Jahre her, als ich das letzte Mal ein Bike mit 180-er Bereifung fuhr. Aber die Speedy macht an - von der ersten Sekunde an will sie mit mir spielen. Sie hat mit 132 PS genügend Leistung, aber sie reizt nicht zum ständigen Gas geben, es genügt schon zu wissen, das man kann wenn man möchte. Ohne Zweifel kann sie es richtig gut - die Kurven räubern bis zum geht nicht mehr. Leider konnte ich sie aus dem vorhin genannten Zeitmangel nicht ausgiebig testen, aber Blut habe ich geleckt :o) Zufrieden gehe ich nachdem ich die Speedy wieder beim Händler abgestellt habe in den Baumarkt - mein ursprüngliches Ziel ;o)
An einem warmen Tag in der Mitte der Arbeitswoche war eine Feierabendtour mit einem Bekannten geplant. Kurzfristig musste er mich versetzen, dass ich nun "Frei" hatte. Tja, was tun... da kam ich auf die Idee nochmal zu dem Händler zu fahren, bei dem ich die Mattschwarze Lady gesehen hatte. Gesagt, getan. Der Verkäufer konnte sich sogar noch an mich erinnern. Auf meine verwunderte Frage antwortete er: Ihm wäre aufgefallen, das ich von zuerst desinteressiert auf interessiert umgeschaltet hätte, außerdem wäre es nicht allzu häufig, dass sich eine so zierliche Frau für eine Speed Triple interessiert. Ich musste lachen :o) Wir unterhielten uns kurz und dann bekam ich eine Speedy zur Probefahrt. Die Einweisung blieb mir erspart, da ich zugab schon mal kurz eine Speedy gefahren zu haben. Ich fuhr los. Der erste Eindruck gegenüber meiner ersten Probefahrt hat sich nicht geändert. Sie zieht sauber und glatt durch alle Drehzahlbereiche in jedem Gang durch begleitet mit einem grollenden Ton der mir sagt: Los, zeig mir was du kannst und was du willst :o) Ich begann Spaß zu haben und fing unter meinem Helm an zu lächeln und zeigte ihr was ich kann und was ich will... Ein Stückchen mussten wir geradeaus, dann durfte ich ihr zeigen, was es bedeutet Spaß miteinander zu haben. Wir gingen auf ein kleines Stück das zwar nicht zu meiner Heimstrecke gehört, aber mir doch recht bekannt ist. Der Spaß begann. Zunächst wollte ich die Autos hinter mir lassen - gesagt, getan. Das Beschleunigen mit der Speedy scheint ein Kinderspiel. Selbst im Drehzahlbereich um die 1000 - 1500 U/min zieht sie satt und sauber durch ohne das Gefühl nicht von der Stelle zu kommen. Das verspricht viel Spaß und erinnert mich an meine GS die ebenfalls satt durchzieht. Ich steuere eine Kurvenstrecke an und taste mich langsam an ihre Möglichkeiten und mein Können mit einem fremden Bike heran und merke schon nach der ersten Kurve: Da geht was und grinse erneut :o) Rechts herum - meine Kurvenschokoladenseite - werde ich schon mutiger. Sie zieht um die Kurve wie auf Schienen. Wieder links: Boah macht das Laune. Und wieder rechts... Ich komme aus dem Grinsen nur noch schwer heraus. Niemals hätte ich gedacht, dass hinter einer so biederen Fassade so viel Spaß versteckt ist. Es ist wie ein heißer Salsa-Tänzer der wenn er nicht tanzt unscheinbar im grauen Anzug und Seitenscheitel übersehen wird. Das Fahrwerk ist absolut super und gleicht ohne Murren alle Unebenheiten aus. Das Handling ist für jemanden wie mich, der seit drei Jahren auf der GS eine eher aufrechte Sitzhaltung hat ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber die Speedy ist gutmütig und lässt alles geschehen, hilft einem regelrecht dabei sich umzugewöhnen. Ich mit meinem 165 cm kann habe eine eher sportliche Sitzposition. Der recht kurze Radstand und die Vorderradorientierte Haltung lässt die mit 1050 ccm recht Voluminöse Lady mit Leichtigkeit um die Kurve flitzen fast wie ein Fahrrad. Das die Lady nur knapp 190 kg trocken auf die Waage bringt, erledigt den Rest. Die Sitzhöhe von 815 mm ist zwar für mich recht hoch, aber da sie so leicht und zierlich ist, komme ich gut mit ihr zurecht und hatte auch sofort das Wohlfühlgefühl.
Zuletzt bin ich die Benelle TreK gefahren. Die hat mich emotional berührt und nur die Vernunft hat mich davon abgehalten sie mir zu bestellen.
Die Triumph Speed Triple 1050 hat mich erst auf den zweiten Blick berührt - nicht so emotional wie die Benelli, mehr mit Vernunft aber keineswegs weniger, nur anders. Die Speedy macht Spaß auf eine andere Art. Sie ist ein wenig gediegener, schreit nicht immer nach Gas. Es macht auch Spaß mit ihr nicht ständig am Gas zu hängen sondern auch mal zu cruisen, sich auf die nächste Kurve zu freuen ohne das Messer zwischen den Zähnen zu haben der Suche nach "Kampfpartnern". Mit ihr macht es Spaß alleine mit dem Wissen: Ich kann wenn ich will, aber muss es nicht.
Doch, ich glaube, das ist es was ich gesucht habe: Ein Bike, das durch ihr unscheinbares Dasein anmacht. Ein Bike, das man erst auf den zweiten Blick sieht. Ein Bike, das man erst hören muss um zu erkennen, was wirklich hinter dem schlicht-eleganten Kostüm verborgen ist. Ein Bike, das durch Fähigkeiten beeindruckt nicht nur durch Aussehen.
Die Moral von der Geschicht ist: Finger weg von Probefahrten, sie können teuer enden... das Ergebnis ist in meinem Profil unter „Bike“ zu sehen :o))

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