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Missing_mini
Gelöschter Benutzer 13.01.2008

Geiler Herbst oder "nur Gewinner gewinnen..."

Wegstrecke 0 km
Länder/Regionen/
Wegpunkte
Vogesen
Straßenart
Tour-Motorrad
Schwierigkeit
Schlagworte
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Geiler Herbst oder "nur Gewinner gewinnen..."

So ein wenig Training zwischendurch, in den hügeligen Vogesen, in der nahen Wildnis, ein echtes letztes Abenteuer, dort, wo kein Weibes Fuss den Weg kreuzt, wo Männer noch echte Männer und kleine pelzige Wolpatinger noch echte kleine pelzige Wolpatinger sein können.
Die Männer (manchmal sogar Frauen) reiten auf bunten Stahlrössern durch die wilde, waldige Vogesenwelt und befreien böse Prinzessinnen und töten wunderschöne Drachen. Viele Reiter sind süchtig danach. Es ist die persönliche Herausforderung diesen verdammten Scheisshügel dort bis hoch zur Schlossmauer (hinter welcher ja die Prinzessin wartet) zu schaffen. Nichts für Weichduscher oder Warmeier, der Hügel ist steil und er ist steinig und er ist lang, - verdammt lang.
Nebel, -1 Grad, trotzdem fallen erste Regentropfen nach Sonnenaufgang aus schwangeren, schwarzen Wolkenklumpen. Der Blick gen Himmel mit gekniffenen Augenbrauen. Wird ne rutschige und feuchte Sache werden. Regenzeugs hält den Regen fern, und konserviert den Schweiss, - man wird auf jeden Fall kladdernass sein.
Die erste steinige Auffahrt fordert schon etwas Beachtung; und mit der körperlichen Arbeit steigt auch die Wärme des gequälten Organismus. Die Brille beschlägt, na, eigentlich lebt darin ein Nebelmeer, welches die Sicht auf die schwimmende Natur verwehrt. Man nennt das dann Blindflug in den schnelleren Passagen, - habe ich irgendwo gelesen. Das Vorderrad hat den dicken roten Stein übersehen und die gesamt Fuhre ändert schlagartig die Richtung nach links in Gehölz. Aber eigentlich ist das ja auch ein Weg, nur ein anderer eben, welcher wahrscheinlich auch befahren werden kann, wenn kein Baum Deinen Vortrieb stoppt.
Frank fährt eine kreischende Kettensäge, soll über 60 Peh-Äss freisetzen und im vierten noch locker hochkommen. Die Säge sägt knapp hinter mir, und sie treibt mich mit ihrem Kreischgeheule über die nassen Wurzeln und roten Steine voran. Der Regen pladdert auf mich herab während ich versuche, in den Rasten stehend, im ersten Gang über die recht rutschigen Brocken und Bröcklein nach oben zu kommen. Micha wartet in einem schützenden Waldstück. Die Kettensäge ist nicht mehr zu hören. Wir laufen stolpernd zurück und helfen Fank, das Radl wieder auf die Räder zu stellen. Der Schnabel, das Schutzplastikteil, ist abgebrochen. Das gestutzte Möfi sieht zwar jetzt irgendwie „cool“ aus... aber Frank wird sich recht schnell in einen schlammigen Dreckhaufen verwandeln. Fast oben am Berggrad sind dicke Schneeflocken in den kalten Regenschauern, - schauerlich, irgendwie fühle ich mich nicht so sehr wohl.Marco grinst aus seinem Helm heraus und benutzt häufig das Wort „geil“. Bernhard und seine Frau fanden das Regenschlammgewürge wahrscheinlich superplusuncool, - sie haben sich verabschiedet und sitzen wahrscheinlich am wärmenden Kamin. Eigentlich ist mir auch danach. Und dann passiert, was so passieren kann. Frank verletzt sich bei einem kleineren Sturz und an ein Weiterdurchsgehölzwürgen ist nicht mehr zu denken. Wir alle begleiten ihn zurück ins wasserdichte Basislager. Ich entledige mich der äusseren durchweichten Schutzschale und sehe das liebe, wärmende Kaminfeuer. Bernhard grinst und ich schlürfe den ersten heissen Tee – noch ohne Rum.
Enduro, hat was mit dur, mit hart zu tun. Wäre es sanft oder soft, hiesse es Ensofto. Und nur die ganz Harten setzen sich jetzt nochmals auf Möfis, um eine „coole, geile“ Runde noch kurz vor dem Einbruch der Dunkelheit zu erleben. Bernhard fragt lapidar, jetzt ist aber Rum im Tee, was uns an der Dreckquälerei so viel Spass machen könnte. Selbst die Hunde bleiben freiwillig im Haus. Irgendwann kommen letzten Ritter zurück und binden ihre regennassen beschlammten bunten Pferde an. In Marcos Aussagen ist wie immer oft das Wort "geil" zu hören. Geiles Wetter, geile Auffahrt, der Pillepalleberg war auch geil, geiles Kaminfeuer, geiler Tee-Rum... dabei erinnere ich mich dunkel, dass die Wortbedeutung von geil mal so was wie „kraftlos wachsend“ gewesen war, irgendwie im Zusammenhang mit Pflanzenwachstum...
Je mehr Tee wir trinken, umso mehr wird die Vermutung in den Vordergrund gestellt, dass allein der „geile“ Selbstsieg, das „geile“ Konkurrenzbesiegen und das sich dann einstellende „geile“ Heldengefühl dabei zentrale Gründe für kühne extraordinäre Endurotaten sein könnten. Es ist sicherlich ein persönlicher Sieg, wenn man den Steilhang schafft, - aber viel wichtiger scheint zu sein, dass andere den, wie nun bewiesen, bezwingbaren Hang dann nicht schaffen. Treibt lediglich die Emotion, ein elementares intrinsisches Erleben, hier in der Ausfärbung der elitären Dominanz, unser mutiges Verhalten? Lebt der Endurofahrbeweggrund durch das Fehlen der kognitiven Beteiligung der linken Hirnhälfte? Ist dies Tun wirklich bestimmt durch animalische intuitive intrinsische Bestrebungen? Und wenn dies so ist, ist die causa einfach evolutionär bestimmt oder hat uns das Werden in der Menschheitsgeschichte so werden lassen. Im Kontext beider Beweggründe lebten wir in reinster Unschuld. Menschen sind so, kommentiert Marco. Bernhard grinst nur und ich reiche ihm einen Tee. Naja, bei dem Wetter, - da können ja nur Gewinner gewinnen... und irgendwie sind die dann auch geil...oder?

Kommentare


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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Hm,
ich glaube Du hast da nicht nur den Tee mit Rum getrunken, sondern auch noch geiles, bewußtseinerweiterndes Zeugs geraucht! *lach*
Aber so ist das eben, der eine braucht den Tee, der Andere diesen mit Rum und der Nächste eben noch das "Erlebnis-Gefühl" davor.
Gruß: Dirk (derallesnimmtundbraucht)
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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Hinter dem Endurofahren steckt dann also das Konzept eines mittleren Anregungspotenzials (Reizeinstroms) auf psychologischer Ebene.
Ich hingegen bevorzuge dann doch eher Ensofto gucke ins Feuer und trinke Tee mit Rum und lasse mir von Endurogeschichten Berichten. ;-)
Ride On
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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
So ein wenig Training zwischendurch, in den hügeligen Vogesen, in der nahen Wildnis, ein echtes letztes Abenteuer, dort, wo kein Weibes Fuss den Weg kreuzt, wo Männer noch echte Männer und kleine pelzige Wolpatinger noch echte kleine pelzige Wolpatinger sein können.  mehr...
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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Danke für Deine Ausführungen deren trefflichen Formulierungen bezüglich (En)duro-Fahrer(inne)n!
Ich habe mir Deinen Bericht wirklich - und leicht bis heftig schmunzelnd - zu Gemüte geführt!
Da sich bei mir diese sich entfaltende Antimaterie beim Endurofahren auch öfters mal manifestiert, genoss ich Deine Zeilen entsprechend.
Fahren, Sliden und zügig vorpreschen,das beflügelt schon, aber später wieder ziehen, heben und reissen ..... s'gehört halt auch dazu. Am Schluss gibt's, wie überall im Leben, von allem etwas.
Ist doch alles Pillepalle!
Ben
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