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Dirk0 09.07.2003

Nimm zwei!

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Nimm zwei!

Von Sydney ins Outback
Im Südosten des Fünften Kontinents sind die Metropolen Sydney und Melbourne ebenso zu Hause, wie grandiose Landschaften, traumhafte Motorradstrecken und eine exotische Tierwelt. Wir tourten durch New South Wales und Victoria, zwei der schönsten Staaten Australiens.
Die komplette Reportage mit vielen Bildern findet Ihr wie immer unter http://www.motorradkarawane.de​ (das Sydney Opera House anklicken und dann unter "Regionen" Australien auswählen, die Reportage steht an an erster Stelle) Viel Spaß beim Lesen!

Ein knallharten Wind schlägt uns ins Gesicht, die Helme hatten wir vorsichtshalber auf dem Kopf gelassen. Die Gischt sprüht fontänenartig bis auf unsere Aussichtsplattform über den Felsen der zwölf Apostel. Fotografieren unmöglich, das Salzwasser würde alles ruinieren. Ob die Motorräder noch stehen?

Jetzt verstehen wir sehr gut, warum die Great Ocean Road, die schönste Küstenstraße auf dem fünften Kontinent auch Shipwreck Highway, der Schiffwracks-Highway heißt. Hier die Kontrolle über ein Schiff zu verlieren und es an der schroffen Küste zerbersten zu lassen, war für die Kapitäne eins. „So muss es bei der Landung der ersten englischen Schiffe gewesen sein,“ brülle ich gegen den Wind in Richtung Diana.

Heimisch in der Strafkolonie
Tagelang hatten sie keinen Ankerplatz gefunden, die Küste war zu steil, die Wellen des Pazifik zu harsch für die elf Schiffe und ihre 1230 Passagiere. Dennoch, Kapitän Phillip musste irgendwo vor Anker gehen, um seine lebende Fracht, 780 Häftlinge und 450 Soldaten aus England, an Land zu setzen. Dann endlich entdeckte er die Bucht, die James Cook siebzehn Jahre früher auf den Namen Botany Bay getauft hatte. Die Soldaten trieben die Gefangenen von Bord und errichteten erste Camps der neuen Strafkolonie.

Doch schon bald war ein besserer Platz gefunden, an dem auch die nachfolgenden Häftlingsschiffe der britischen Krone anlegen konnten: Port Jackson. Das war 1787. Die Erben der zum Verurteilten steigen heute, im Jahr 2003 von Port Jackson wieder in die Boote und fahren entweder zur Arbeit, nach Hause oder einfach zum Relaxen an die vorgelagerten Strände. Und Port Jackson haben sie schon lange umbenannt: In Sydney.

Einen der sympathischsten und vermutlich auch gewichtigsten Nachfahren früherer Häftlinge sollten wir am Flughafen von Sydney treffen. Greg hatte, obwohl wir uns nur per e-mail kannten, versprochen, Diana und mich vom Flieger abzuholen. Verfehlen konnten wir uns nicht: Wir kamen mit den Helmen in der Hand aus dem Zoll und Greg war wirklich eine mächtigste Erscheinungen. Kaum zu glauben, das er zu den routiniertesten Motorradfahrern im australischen Outback gehört.

Hier laufen Krabben für Geld
Als Sydneysider ließ Greg es sich nicht nehmen, uns bei blendendem Wetter seine Stadt aus allen Perspektiven zu zeigen. Das smarte Darling Harbour, das faszinierende Aquarium mit den gigantischen Haibecken, den riesigen AMP-Tower, die Kneipe, in denen Krabben gegen Geld um die Wette laufen, das sündige Kings Cross und noch viele andere reizvolle und skurrile Flecken der größten Stadt Australiens.

Nach vierzehn Tagen konnte ich endlich mein verschifftes Motorrad aus seinem Blechkäfig im Zoll befreien. Dann konnte es endlich losgehen. Für mich zumindest, denn Diana hatte ein Leihmotorrad in Melbourne geordert. Wir beschlossen, uns dort zu treffen und während Diana in den Flieger nach Melbourne stieg, hatte ich auf dem Weg dorthin drei Tage Zeit, die Routentipps von Greg zu erproben.

Die Holzbohlen der MacKillops-Bridge knarrten bei der Überquerung des Snowy River. An die Stelle des Urwalds waren jetzt duftende Eukalyptusbäume getreten, und statt auf Asphalt rollten die groben Contis über eine gute Piste. Auf einer fast unleserlichen Tafel wurde auf die nächste Tankstelle hingewiesen. Die kommt wie gerufen, dachte ich und hielt auf einer abenteuerlichen Tankstelle.

Geistertankstelle
Weit und breit war kein Mensch zu sehen, die zwei Säulen waren abgeschlossen. Zeit, sich ein wenig umzusehen. Gegenüber dem Wärterhäuschen war ein Szenario aus Astronauten und Aliens aufgebaut. Ersatz- und Schrottteile von Autos prangten daneben an einem Totempfahl. Am Laternenmast neben der Zapfsäule war eine hohle Box montiert, auf die der Besitzer mit einem Edding „Observation Camera“ gekritzelt hatte. Dann erst fiel mir das Schild auf, mit dem Tankwillige aufgefordert werden zu Hupen, damit der Tankwart erscheint. Wenn sich dann niemand zeigen sollte, empfiehlt das Schild zu rufen.

Ich hielt es für angemessen, mein Glück mit einem kurzen Hupsignal zu versuchen. Keine Reaktion. Ich hupte länger und öfter. Nichts. Fast schüchtern rief ich ein „Hello!“ vom Tankgelände. Der Wind rauschte in den Bäumen. Ich fasste mir ein Herz und rief aus Leibeskräften „HEELLOOO!!“. Für eine Sekunde fragte ich mich, ob mir aus der Observation Camera nicht doch jemand zuschaute. „Yeah Mate, that’s allright“, tönte es hinter mir. Der Tankwart war im Bademantel zum Kundendienst angerückt.

Vorbei an den Urlauberparadiesen Ninety Mile Beach und Lakes Entrance lief ich in Melbourne ein, wo ich mit Diana bei Chris und Sally verabredet war. Die beiden Australier hatten wir beim Motorradreisetreffen in Gieboldehausen kennen gelernt und waren von ihnen in ihr Haus nach Melbourne eingeladen worden.

Alles was die Ozzi-Küche zu bieten hat
Chris und Sally boten alles auf, für das die australische Küche berühmt ist: Fisch und Meeresfrüchte in allen Variationen. Zur Vorspeise wurden mit Speck überbackene Austern in Worcester-Sauce gereicht. Sally hatte einen köstlichen Red Snapper zum Hauptgang vorbereitet, der von Riesengarnelen eingerahmt war. In den Weingläsern glänzte ein vollmundiger Shiraz aus dem Barossa-Valley. Schon lange nicht mehr hatten wir uns auf derart angenehme Weise vom Motorradfahren abhalten lassen.

Von Sally hatten wir den Tipp bekommen, vor unserer Weiterreise den Wilsons Promontory National Park zu besuchen. Der Park, von den Einheimischen kurz „Prom“ genannt, liegt als Granitgebirge auf einer Halbinsel, die den südlichsten Punkt des australischen Festlands markiert.

Bis Tidal River an der Norman Bay konnten wir mit den Bikes fahren. Schon hier ließ es sich eine ganze Weile aushalten. Der Tidal River führt sein seltsam bräunliches Wasser an einem Felsen vorbei, der wie der Kopf eines Wals aus den grünüberwucherten Felsen herausragt. An seiner Mündung bahnt er sich die letzten Meter über einen weiten Strand, von dem der Blick weit hinaus auf’s Meer bis zu den vorgelagerten Inseln reicht. Ein Paradies für das wir gerne noch mehr Zeit gehabt hätten.

70.000 Glücksritter
Ballarat wirkte da schon als ordentliches Kontrastprogramm. Im Süden des Städtchens ist eine Goldgräberstadt aus dem Zeiten des großen Goldrausch vor 150 Jahren nachgebaut worden. Überall liefen Statisten in Originalkostümen zwischen den Holzhäusern umher und vermittelten uns das Gefühl, noch einmal Live dabei zu sein, als man 1858 einen 68 Kilo schweren Goldklumpen fand. Damals strömten fast 70.000 Glücksritter nach Ballarat.

Und dann stand uns eines der Highlights vor den Rädern: Die Great Ocean Road von Geelong nach Warrnambool. Immer an der Küste der Bass Strait entlang hatten wir unter den Helmen ein ununterbrochenes Panorama von immer steileren grünen Felsen und wunderbaren Stränden an denen Surfer in den Wellen herumtollten. Am Cape Otway brachte eine kleine Gruppe Koalas den gesamten Verkehr zum erliegen. Niemand konnte sich dem Anblick der possierlichen Teddys erwehren.

Und jetzt am Aussichtspunkt der Zwölf Apostel, nur wenige Kilometer von den Koalas entfernt, kämpfen wir gegen den heftigen Seewind. Nur mit Mühe können wir die Enduros beim Starten in der Waage halten und während der Fahrt haben wir mächtig Schräglage auch wenn die Strecke geradeaus führt.

Entscheidung nie bereut
In Warrnambool ist der Spuk vorbei, die Sonne zeigt ihr breitestes Grinsen und wir erreichen gerade die Kaimauer, als eine prächtige Languste aus dem Hafenbecken gefischt wird. Mikas, der glückliche Angler ist mit seiner Familie vor dreißig Jahren nach Australien ausgewandert und hat es, besonders heute, nicht bereut.

Wir kehren der Küste den Rücken und peilen das Inland, oder besser das Outback an. Vorher jedoch wollen die Grampians, eine Bergkette mit herrlichen Seen und bizarren Felsformationen überwunden werden. Zwei Tage streifen wir durch die Berge und genießen die kühle Frische, nach der wir uns bald zurücksehnen werden.

Dreihundertfünfzig Kilometer weiter nördlich erreichen wir bei Mildura den Murray River, die Heimat des Platypus, des Schnabeltiers. Bevor man es so taufte, hielten es englische Zoologen die leider nur ausgestopft nach Europa mitgebrachten Tiere für einen Scherz der Schiffsbesatzung. Mit dem Schnabel einer Ente, dem Körper eines Otters und dem Schwanz eines Bibers ausgerüstet, wollte kein Wissenschaftler an ein echtes Tier glauben. Als man Jahre später ein bei einem Weibchen erst Milchdrüsen entdeckte und dann zusah, wie es ein Junges im Ei gebärte, war die Verwirrung komplett und die Welt um ein Wunder reicher.

See ohne Wasser
Mit dem Murray River verlassen wir die Nähe der Städte. Erst dreihundert Kilometer später werden wir uns Broken Hill wieder versorgen können. Unser Ziel heißt Lake Mungo. Anders als der Name es vermuten lässt, ist der See keiner. Wasser führt er nur, wenn es einen der höchst seltenen Regenfälle gibt.

„Regen?“ Der Ranger schaut uns ungläubig an. Auf einen kleinen Small-Talk besucht er nachdem wir unser Zelt aufgebaut haben. „Nein, Regen habe ich hier noch nie erlebt. Das Gegenteil ist eher der Fall. Letztes Jahr stieg das Thermometer an der Rangerstation auf 65°C. Im Schatten!“ Er schiebt seinen breitkrempigen Hut in den Nacken und erzählt, dass dies der heißeste Ort ist an dem er je gearbeitet hat. „ Wenn das Quecksilber schon um sieben Uhr 40°C anzeigt, dann können wir höchstens zwei Stunden arbeiten. Bis die Sonne untergeht liegen wir in den Räumen und versuchen zu schlafen.“ Innerlich preise ich den Umstand, der uns in diesem ausnahmsweise kühlen Jahr hierhin geführt hat.

Lake Menindee ist das genaue Gegenteil von Lake Mungo. Gespeist vom Darling River und achtmal größer als der Hafen von Sydney ist er eine Oase inmitten einer kargen Ebene. An seinem Ufer stehen Tausende toter Bäume, die die Szenerie wie auf einem anderen Planeten wirken lassen. Dieses Gefühl verstärkt sich noch, als wir in Silverton ankommen.

Mad Max' Heimat
Die wenigen Häuser stehen hunderte Meter auseinander, dazwischen unwirtlicher Boden. Am Ende der Welt wähnten sich hier auch viele Regisseure, zum Beispiel die des Kult-Streifens Mad Max. Die trostlose Stimmung am Silverton Hotel kam ihnen wie gerufen für ihr Endzeit-Epos. Das Hotel, dass mehr eine Kneipe ist, wurde zum Inbegriff der Outback-Pubs. Keine Zigaretten- oder Bierwerbung in Australien, in der nicht das Silverton-Hotel vorkommt.

Nur noch dreißig Kilometer sind es bis Broken Hill, dem Endpunkt unserer Reise durch Victoria und New South Wales. Verglichen mit den Ausmaßen des Kontinents Australien haben wir nur eine kleine Tour gemacht. Aber von den Anfängen der ersten Siedler in Botany Bay über die modernen Metropolen, die fantastischen Küstenlandschaften bis ins menschenleere Outback haben den Kontinent im Kleinen erlebt. Bestimmt nicht zum letzten Mal.

Die Bilder zur Reportage findet Ihr wie immer unter http://www.motorradkarawane.de​/repo/index.html​ (unter "Regionen" Australien auswählen, die Reportage steht dann an an erster Stelle).

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