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traum-wunsch 31.05.2008

Overland - Ankunft in Indien

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Straßenart
Tour-Motorrad
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Overland - Ankunft in Indien

Eine besondere Reise mit Enfield Motorrädern.
Ich veröffentliche hier, mit Erlaubnis, die Berichte von einer Tour der besonderen Art. Die Texte und Bilder stammen von Günter Schiele.
Organisiert bzw. ausgerichtet wird die Tour von Wheel of India
Die E-Mail Nr. 8 ist in den Weiten des Internets verschwunden...
schade...

Overland nach Indien - 10.000 km - geschafft :-)
Liebe Freunde,
GESCHAFFT!!! Wir haben den Landweg nach Indien neu entdeckt.

Am 37. Tag unserer Überlandtour überschritten wir die Grenze von Pakistan nach Indien. Je näher wir dem fernen Hindustan kamen, desto mehr gestaltete sich das Unternehmen als echte Herausforderung. Die Durchquerung Pakistans war der Härtetest, für Mann, Frau und Maschine.
Die abenteuerliche Fahrt von Taftan nach Quetta habe ich schon beschrieben. Doch auch danach sollte es nicht gemächlich zugehen. Als wir Quetta verließen, waren wir noch auf uns gestellt und in der Lage das Tempo der Reise selbst zu bestimmen. Doch nur wenige Kilometer später holte uns die politische Wirklichkeit Pakistans ein. Von diesem Moment an wachte das scharfe Auge der Polizei und des Militärs über jeden unserer Schritte. Man versicherte uns zwar immer wieder, wie sicher Pakistan sei, trotzdem durften wir z.B. fortan die Hotels nur in Begleitung Bewaffneter verlassen und uns mit unseren Bikes keinen Meter ohne Eskorte bewegen.

Auf diese Weise kamen wir zwar ziemlich schnell vom Fleck, von Land und Leuten haben wir aber leider so gut wie nichts mitbekommen. Jeder Pakistani, der sich uns bei einem Trinkstopp zu nähern versuchte, wurde von unseren Schutzbefohlenen rüde vertrieben. Mit heulender Sirene rasten wir durch Dörfer und Städte und kamen uns dabei ganz schön blöde vor. So hatten wir uns die Fahrt durch Pakistan nicht vorgestellt.
Eigentlich Schade! Denn wo immer es uns gelang, trotz der Isolierung einen flüchtigen Kontakt zur Bevölkerung herzustellen, empfanden wir die Menschen als sehr freundlich, offen und interessiert. Wahrscheinlich braucht dieses Land einfach noch einige Zeit, sich mit dem Phänomen Demokratie und Freiheit auseinander zu setzen. Es ist schließlich noch gar nicht lange her, da hier eine Militärdiktatur herrschte.


Die Fahrt von Quetta nach Sukkur stand unter keinem guten Stern. Zwei Reifenpannen und ein Sturz mit Schlüsselbeinbruch. Letzterer war auf den spiegelglatten Asphalt zurückzuführen. In einer gar nicht mal so scharfen Kurve rutschte unserem Unglücksfahrer das Hinterrad einfach so weg. Keine Chance. Warum arbeitet man auch Flusskiesel in Asphalt ein?!? Unsere Eskorte reagierte schnell und flexibel und chauffierte den Verletzten in ein nahegelegenens Krankenhaus. Als fest stand, dass einem Transport im Begleitfahrzeug nichts im Wege stand und wir gerade aufbrechen wollten, setzte ein grausiger Sturm ein, der einen anderen Gast so in Angst und Schrecken versetzte, dass er sich weigerte, auch nur einen Meter weiter zu fahren. Was sollten wir machen. Alleine zurücklassen konnten und wollten wir ihn nicht. Also quartierten wir uns im einzigen Hotel des Ortes ein. Ein scheußliches Drecksloch. Aber auch das haben wir überlebt.
Am nächsten Morgen schien die Sonne und von nun an lief wieder alles wie am Schnürchen. Multan, Lahore, Grenze! Hier setzte das übliche Grenzprozedere ein, nur alles noch ein wenig langsamer als bisher. Den pakistanischen Teil brachten wir, wie schon bei der Einreise, flott hinter uns, danach wurde es indisch: unkoordiniert, desinteressiert und sehr laaaaangsaaaaam.
Nach dem Ausfüllen von drei Carnet de Passage, was über eine Stunde in Anspruch genommen hatte, war der Beamte so erschöpft, dass er alles stehen und liegen ließ und sich zur Ruhe zurückzog. Oder hatte er etwa an den drei Sternen auf seiner Schulter zu schwer zu schleppen gehabt? Ich weiß es nicht. Es dauerte jedenfalls weitere 30 Minuten, bis ein Ersatzmann in Zivil erschien und die Arbeit fortsetzte. Am Nebentisch saßen derweil fünf Grenzer und waren mit der Lieblingstätigkeit indischer Männer beschäftigt: rumsitzen, glotzen, labern und Tee trinken.

Irgend wann haben wir es dann doch geschafft: alle Dokumente waren ausgefüllt und wir konnten unsere Reise fortsetzen. Auf der anderen Seite erwartete uns Abdul. Mit Blumenkränzen und freudigem Hallo hieß er uns in seiner Heimat willkommen. Nach Amritsar war es nur noch ein Katzensprung. Allen fiel sofort auf, hier ist es anders. Wer dachte, der Verkehr in Pakistan sei chaotisch, wurde nun eines Besseren belehrt. Hier in Indien geht einfach alles drunter und drüber. Ich frage mich ernsthaft, ob die Inder eine Methode entwickelt haben, die es möglich macht, sein Gehirn bei Betreten eines Fahrzeugs ausbauen oder zumindest vollkommen zu deaktivieren. Kein Mensch, der auch nur einen Mindestrest an Verstand in sich arbeiten hat, würde so unverantwortlich, brutal und dumm fahren.
"Höhepunkt" des Transfers von Amritsar nach Delhi war ein Stau ca. 80 Kilometer vor Delhi. Plötzlich ging nichts mehr. Bei Affenhitze quälten wir uns eineinhalb Stunden im Schritttempo zwischen stinken LKW und Bussen, blökenden Ochsel, klingelnden Fahrradrikschas, Fußgängern und Millionen Moppets hindurch. Alle hupten ohne Unterlass. Das ging an die Nerven. Irgend wann kamen wir an die Stelle, die Ursache für den Stau war. Der Highway war blockiert und der Verkehr wurde auf eine kleine Seitenstraße umgeleitet. Zwei handvoll Polizisten standen untätig dumm herum und kümmerten sich um nichts. Mein Vorschlag wäre, alle Fahrzeuge außer Fahrrädern und Ochenkarren in Indien zu verbieten und die Leute laaaaaaangsaaaaaam ins 21. Jahrhundert zu führen.

Am späten Nachmittag erreichten wir Delhi. Vor unserer Garage begossen wir den erfolgreichen Abschluss dieser gigantischen Tour mit einem erfrischend kühlen Kingfischer Strong. Für mich war dieses Abenteuer die schönste Reise, die ich bislang gemacht habe. Das Team war super. Obwohl der eine oder andere gelegentlich an die Grenzen seiner Belastbarkeit gestoßen ist, haben wir alle Herausforderungen harmonisch und einvernehmlich meistern können. Die Bikes haben uns kein Mal im Stich gelassen. 11.000 km sind für diese neuen, alten Hunde schon eine Superleistung. Wir haben sie nun in die pflegenden Hände Narishs übergeben, der sie für die Rückreise wieder auf Vordermann bringen wird. Erich und sein Wohnmobil sind ebenfalls ohne Blessuren am Ziel angelangt. Eine unglaubliche Leistung für den ältesten Teilnehmer mit dem ältesten Fahrzeug.

Jetzt heißt es ein paar Tage ausruhen und dann geht es wieder los, zur Überlandtour von Delhi nach Schneverdingen.
Namastè und bis bald,
Euer Günter Schiele

Kommentare


ABSENDEN

Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Für solch eine Reise haben die sich wohl bewußt für eine simple und dennoch überaus bewährte Technik entschieden, welche sie letztendlich auch nicht im Stich gelassen hat.
Mit einspritzergefütterten, elektroniküberladenen Moppeds neuester Bauart wäre die Tour wohl nicht ganz so unproblematisch verlaufen.
In jedem Fall: Hut ab vor der Leistung - sowohl der der Maschinen als auch der Treiber.
Übrigens:
auf dem allerletzten Bild des Berichts ist eine BMW indischer Bauart abgelichtet. (Genau zu erkennen am blauweißen Rotorblatt-Emblem oberhalb des Tretkurbellagers)
Mein allergrößter Respekt an den Erbauer!
:-))
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traum-wunsch
Vom Mittelalter bis zur Neuzeit ist eben ein langer Weg!
Auf der Tour sind sie allerdings von Deutschland nach Indien gefahren...
Für die Rücktour würde der Spruch vielleicht etwas besser passen :-))
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traum-wunsch
Eine besondere Reise mit Enfield Motorrädern.  mehr...
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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Vom Mittelalter bis zur Neuzeit ist eben ein langer Weg!
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