BMW F 650 GS
Klares Bekenntnis zum Unterstatement
16. February 2011 Manche Bikes übertreiben ein wenig, da wird aus einer Maschine mit 654 Kubik mal eben eine 690er, ein 1151er Hubraum wird flugs zum 1200er deklariert. Nur bei BMW galt bislang: Was draufsteht, ist auch drin. Doch bei der neuen Allround-Enduro F 650 GS legen die Münchener noch einen drauf respektive drunter: Statt des vermuteten Hubraums von 650 schöpft der Reihenzweizylinder von BMW aus 798 Kubik.
BMW stellt bei der F 650 GS sein Licht zwar nicht unter den Scheffel, doch die Mittelklasse-Enduro macht viel mehr her als sie vorgibt.
Die Erklärung ist einfach: Das Aggregat basiert weitgehend auf dem aus F 800 S und ST bekannten Twin mit den Technikschmankerln Semi-Trockensumpfschmierung und Massenausgleich durch ein drittes angelenktes Pleuel. Allerdings stehen die Zylinder steiler, die untere Gehäusehälfte wurde neu konstruiert und Nebenaggregate neu konfiguriert – das kommt deutlich billiger als ein komplett neuer Antrieb. Zudem spart der überarbeitete GS-Triebling ein ganzes Kilo gegenüber dem Aggregat der Straßenmotorräder ein. Modifizierte Nockenwellen und geänderte Ansaug- wie Auslassbedingungen mit entsprechendem Mapping nehmen die Leistung von 85 auf 71 PS zurück, das Drehmoment sinkt auf 75 statt 83 Newtonmeter. Wegen der geringeren Leistungsausbeute genügt der „650er“ sogar Normalbenzin, während der 800er Motor Super benötigt – alles selbstverständlich Euro-3-gerecht per lambdageregeltem Katalysator und Sekundärluftsystem entgiftet.
Zum motormäßigen Understatement passt die harmlose Hülle wie die Faust aufs Auge. Zwar übernimmt die 650er mit dem markanten Entenschnabel und dem Taucherbrillen-Scheinwerfer charakteristische Design-Merkmale des Münchner GS-Leitwolfs, der beliebten R 1200 GS. Doch statt des kantigen Techno-Looks kommt die BMW F 650 GS im zurückhaltenden Straßen-Look und nicht so kühl daher. Auch ihre moderate Standard-Sitzhöhe von 820 Millimetern, auf 790 oder per Tieferlegungssatz sogar auf 765 Millimeter reduzierbar, wirkt lange nicht so abschreckend wie der schwindelerregende Sitz waschechter Enduros. So finden nahezu alle Fahrertypen sicheren beidbeinigen Bodenkontakt und eine bequeme Ergonomie vor. Lediglich Großgewachsene fühlen sich zwischen Lenker, Sitzbank und Rasten etwas eingeengt.
Beim Fahren setzt sich das sichere Gefühl fort. Die kleine GS lässt sich locker beherrschen, nicht zuletzt wegen der Leichtmetallgussräder mit Reifen in maßvoller Asphaltdimensionierung – vorn rotiert ein Pneu in 110/80-19, hinten ein 140/80-17. Ihre leichtfüßigen 199 fahrfertigen Kilos lassen sich mühelos von einer Ecke in die nächste biegen, weder an der Handlichkeit noch der Stabilität gibt’s was auszusetzen. Guten Fahrkomfort steuert die softe Fahrwerksabstimmung auf nahezu allen Untergründen bei. Erst bei engagierter Asphalthatz könnten die Federelemente durchaus straffer dämpfen.
Seinen Teil zum Wohlbefinden trägt aber auch der Paralleltwin bei, der direkt ab Leerlaufdrehzahl zur Sache kommt. Sauber dreht der Vierventiler nach oben und entwickelt seine Kraft gleichmäßig und gut kontrollierbar – eine prima Einstiegscharakteristik. Seine Stärke liegt im Bereich zwischen 3000 und 5500 Umdrehungen, wo er neben dem Schub mit einem kernigen und erwachsenen Sound verblüfft, der demjenigen des großen Boxermotors stark ähnelt. Das verdankt die F der identischen 360°-Zündfolge wie beim Boxer und einem ausgeklügelten Soundmanagement, auf das man im Hause BMW mit Recht besonders stolz sein darf. Oberhalb von 6000 Touren beginnen Vibrationen zunehmend von der Verbrennungsarbeit zu künden, und der Vortrieb erlahmt doch spürbar. Dann hilft das sauber schaltbare Sechsganggetriebe weiter bis zur Endgeschwindigkeit von maximal 189 km/h.
Die wird man jedoch kaum lange ausreizen, zu stark wird der Pilot vom Fahrtwind gebeutelt. Das kleine Windschild sieht besser aus als es schützt, ein Größeres gibt’s als Zubehör (160 Euro). Zur weiteren Optimierung der Reisequalitäten verweist BMW an den üblichen reichhaltigen Zubehörkatalog, der ein extra dickes Stauraumprogramm beispielsweise mit variablen Koffern führt – 19 bis 29 Liter links, 28-38 Liter rechts komplett für 715 Euro. Hier findet sich mit dem Hauptständer für 110 Euro ein Teil, das eigentlich serienmäßig dran sein sollte – der Kettenpflege wegen. Denn anders als die Kardan getriebene R 1200 GS und die mit einem Zahnriemen versehene F 800 S/ST-Modelle überträgt die F 650 GS ihre Antriebskraft via Kette ans Hinterrad – des durchaus möglichen gemäßigten Offroadeinsatzes wegen.
Im Gelände macht zudem die defensive Auslegung der vorderen Einscheibenbremse Sinn, schließlich fördert ein schnell blockierendes Vorderrad auf losem Untergrund nicht gerade das Wohlbefinden. Auf Asphalt wünschten sich versierte Fahrer eine etwas zupackendere Note, hier ist das gegen Zahlung von 710 Euro optionale ABS auf jeden Fall empfehlenswert. Doch die zurückhaltende Art harmoniert bestens mit dem F 650-Konzept des straßenorientierten Allrounders für Ein-, Auf- und Wiedereinsteiger zum vergleichsweise günstigen Preis von 7990 Euro. Damit wäre auch das Understatement bei der Bezeichnung erklärt: BMW hofft auf ein erfolgreiches Anknüpfen an die Geschichte der einzylindrigen Funduro F 650 GS, die mit der gleichen Idee vor einigen Jahren zu enormer Beliebtheit gelangte. Jetzt nur ein wenig stärker, schneller und agiler.
Technische Daten BMW F 650 GS
Motor:
Flüssigkeitsgekühlter Reihen-Zweizylinder-Viertakt -Motor, vier Ventile, zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinder, elektronische Kraftstoffeinspritzung mit 46 mm Drosselklappendurchmesser-Ø, geregelter Katalysator, SLS, E-Starter.
Hubraum: 798 ccm
Bohrung x Hub: 82,0 x 75,6 mm
Leistung: 71 PS (52 kW) bei 7.000U/min
Max. Drehmoment: 75 Nm bei 4. 500 U/min
Verdichtungsverhältnis: 12,0 : 1
Kraftübertragung:
Primärantrieb über Zahnräder, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Nasskupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette zum Hinterrad.
Fahrwerk
Stahl-Gitterrohrrahmen, vorn Telegabel mit 43 mm Standrohrdurchmesser und 180 mm Federweg, hinten Aluminium-Zweiarmschwinge, in Federvorspannung und Zugstufendämpfung verstellbares, direkt angelenktes Federbein mit 170 mm Federweg.
Bremsen: Vorn 300 mm-Einscheibenbremse mit Doppelkolben-Schwimmsätteln, hinten 265 mm-Einscheibenbremse mit Einkolben-Schwimmsattel.
Räder: Leichtmetall-Gussräder, vorn 2.50 x 19, hinten 3.50 x 17
Bereifung: Vorn 110/80 R 19, hinten 140/80 R 17
Elektrik: 12 V, Drehstromlichtmaschine 400 W, Batterie 14 Ah
Maße und Gewichte
Länge/Breite/Höhe: 2280/890/1370 mm
Tankinhalt: 16,0 Liter
Sitzhöhe: 820 mm
Radstand: 1575 mm
Lenkkopfwinkel: 64,0°
Trockengewicht: 179 kg
Leergewicht: 199 kg
Zulässiges Gesamtgewicht: 436 kg
Höchstgeschwindigkeit: zirka 189 km/h
Preis/Garantie
Preis: 7.990,- Euro inkl. Liefernebenkosten, ABS 710,- Euro
Garantie: Zwei Jahre ohne Kilometerbeschränkung
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Schon beim Aufsteigen hatte ich das direkte Gefühl: "Das passt" und erfreute mich beim Probefahren über das superschöne Handling.
Dennoch: Die knappe Leistung hätte ich noch akzeptieren können, aber die nicht gerade knackige Bremsleistung war ein K.O. Kriterium für mich.
Für viele andere wird sie ein tolles Moped sein.
Ich fahre auch die alte, BJ 02; dieses Jahr könnte das die Nachfolgemaschine werden, wenn das mit den kurzen Beinen klappt, da ich sie nicht tieferlegen lassen will?? Schauen wir mal:-)
Ich fahre die "alte" F 650 GS und bin sehr zufreiden !