Muskeln ohne Fett

Chopper pur: Harley Wide Glide

04. August 2011
Da ist es: das Easy Rider-Feeling! Purer und unverfälschter Motorrad-Genuss macht sich breit. Der Anblick dieses Factory-Custom-Bikes stimuliert alle Sinne. Keine Windschutzscheibe, kein Gel-Gestühl, keine weichgespülte Federung und keine Trittbretter. Dafür gibt es den großen 1600 ccm-Motor, eine ordentlich gereckte Gabel mit großem Vorderrad und den unvergleichlichen Bollersound aus den allerdings vorschriftsmäßig gedämpften Tüten. Chopper pur ab Werk.

Wilder Hengst mit guten Manieren
Der Druck auf den Startknopf lässt den Anlasser mächtig schlagen. "Rumms" und die Wide Glide schüttelt sich wie ein wilder Hengst, der nur darauf wartet, dass man ihm endlich die Sporen gibt. "Klack!" Lauter kann man nirgends den ersten Gang einlegen. Kupplung kommen lassen, leichter Dreh am Gasgriff: Schon zeigt sich die Maschine von ihrer besten Seite. Satt und willig, sämig und kraftvoll zieht sie durch das Drehzahlband. Wow! Wie erwartet legt sich der große Twin schon bei niedrigsten Drehzahlen mächtig ins Zeug. Dazu tragen das fahrstabile Dyna-Chassis und der vibrationsisoliert darin aufgehängte Twin Cam 96-Motor mit 1.584 Kubikzentimetern Hubraum bei. Der V2 verfügt über die Kraftstoffeinspritzung ESPFI und das aktive Ansaug- und Auspuffsystem, das Drehmomentverlauf und Sound zugute kommt. Zahlreiche Produktoptimierungen an mehreren Bauteilen machen den Motor für das Modelljahr 2011 noch besser.


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Schön schnell schnell, aber zu langsam langsam
So lässt es sich prima über Boulevards flanieren, um bei Bedarf mit einem kurzen Dreh am Gasgriff zum Spurt anzusetzen - Schalten nicht nötig. Auf Landstraßen genießt der Fahrer im 5. oder 6. Gang herrliches Cruisen, auf Autobahnen überzeugt der Speed auch jenseits der 140 kmm/h. Es geht natürlich noch viel schneller, z.B. zum Überholen, doch dann zerrt der Wind so kräftig, dass man sich automatisch wieder auf ein angenehmes Tempo von rund 120 km/h zurückfallen lässt.

Auch vor kleinen Sträßchen mit schnellen Kurvenwechseln und ordentlich Schräglage muss man auf der Wide Glide keine Sorgen haben. Sie schwingt willig von der einen auf die andere Seite, richtet sich beim Herausbeschleunigen auch prima wieder auf.

Während also das Fahren an sich - und das Beschleunigen insbesondere - Riesenspaß vermittelt, zieht es einem beim Bremsen doch die Sorgenfalten ins Gesicht. Die vordere Scheibe sorgt da noch für ordentliche und gut dosierte Entschleunigung. Beim Tritt auf das Bremspedal jedoch passiert wenig. Erst ein wirklich kräftiger "Nachdruck" bringt den hinteren Stopper dazu, seine Arbeit aufzunehmen. Geht gar nicht! Liebe Harley-Bauer, hier herrscht dringend Nachbesserungsbedarf! Und zumindest für Europa solltet ihr in Erwägung ziehen, ABS - wenn nicht in Serie, dann wenigstens als Option - für alle eure Mopeds anzubieten. Dieses Sicherheits-Feature gehört inzwischen meines Erachtens zur Standardausrüstung von Motorrädern ab der gehobenen Leistungs- und Preiskategorie. Und stünde Harley Davidson wahrlich gut zu Gesicht!

Custom-Bike ab Werk
Ok, das war es schon mit ernsthafter Kritik an dem ansonsten sauber verarbeiteten Bike. Bekannt ist ja inzwischen hinlänglich die seit Jahren erheblich bessere Qualität der amerikanischen Bikeschmiede. Das zöllige Werkzeug kann getrost in der Garage bleiben, bis der Individualist mit eigenen Umbauten zum Customizer avanciert. Die Wide Glide ist eine überzeugende Basis für die Umrüstung nach eigenen Vorstellungen. Mit der "Street Bob" liefert Harley Davidson selbst eine hervorragende Variante.

Doch auch die serienmäßige Wide Glide direkt aus dem Schaufenster macht Spaß ohne Ende. Erscheinungsbild, Lackierungsoptionen, reichlich Chrom sowie die solide Technik mit dem starken Zweizylinder, die niedrige und aufrechte Sitzposition hinter dem Lenker sowie das relaxte Fahrgefühl machen süchtig. Dabei verbraucht die Wide Glide nicht viel und nimmt im großen Tank genügend Sprit für locker über 300 Kilometer mit.

Wer über genügend Sitzfleisch verfügt, reitet diese Distanz locker an einem Stück ab. Sitz und Federung vermitteln allerdings direkten Fahrbahnkontakt, so dass sich feinfühligere Hinterteile zwischen den Tankpausen gerne mal ein Päuschen gönnen, wobei auch die Sozia auf dem schmalen Brötchen für gelegentliche "Stehpausen" dankbar ist. Lange Etappen oder Kilometer fressen sind für die Wide Glide zwar kein Problem, aber auch nicht ihre Stärke. Dafür hat Harley Davidson mit den Softails oder den E-Glides probatere Fahrzeuge im Programm.

Fazit
Alles in allem ist die Wide Glide ein hervorragendes Motorrad mit den unvergleichlichen Harley-Genen. Sie macht ladenfrisch schon eine Menge Spaß und stellt für Chopper zusätzlich eine gelungene Basis für weiteres Customizing bereit. Harley erinnert mit der 2011er Wide Glide an ihre Vorgängerin aus den 80ern, wobei die Technik auf den neuesten Stand gebracht und in wesentlichen Teilen - auch hinsichtlich der Verarbeitungsqualität - deutlich verbessert wurde. Allein ein Wunsch bleibt offen - hoffentlich nicht lange: die ABS-Bremse.


Autor: Martin Joachim









Technik
FXDWG Dyna Wide Glide 2011


Motor:
Luftgekühlter Zweizylinder-Viertakt 45-Grad-V-Twin, Kurbelwelle querliegend, zwei untenliegende, per Zahnkette angetriebene Nockenwellen, zwei über Kipphebel betätigte Ventile je Zylinder (ohv), Hydrostößel, Trockensumpfschmierung, Kraftstoffeinspritzung, Saugrohr-Ø 46 mm, kontaktlose Transistorzündung, E-Starter, 40A-Dreiphasen- Drehstromlichtmaschine mit 493 W bei 2000 U/min und max. 540 W, wartungsfreie Batterie 12 V/19 AH, aktives Ansaug- und Auspuffsystem, ungeregelter Katalysator

Fahrwerk:
Doppelschleifen-Stahlrohr-Rahm​en,​ Telegabel, Standrohrdurchmesser
49 mm, zwei Federbeine mit einstellbarer Federbasis, Zweiarmschwinge aus Vierkantstahlprofil Gabelwinkel: 36°

Features (lt. Harley Davidson Deutschland)
- Bullige Gabelbrücken und ausgestellte Gabeln - das macht die Wide Glide zur Wide Drag
- Lenker - intern verkabelter 1 1/4"-Lenker mit hohen Risern
- Sissy Bar - eine Anspielung auf den Chopper-Stil mit einem leichten Pullback, schwarz wie der Rahmen im Retro-Stil
- 2-1-2 Auspuff - Tommy Gun
- Schwarze Felgen und großzügiges Vorderrad - schwarze Speichenstahlräder, das 21"-Vorderrad sorgt für den langen Custom-Look
17"-Felge mit 180 mm-Reifen
- Premium Lackierung - bis zu zwei Mal dicker als bei der Konkurrenz
- Von Hand vollendeter Kraftstofftank - nahtlose Bauweise
- Twin Cam 96B Motor - pures Drehmoment im unteren Drehzahlbereich
- Sechsgang Cruise Drive - starker Antriebsstrang und niedrige Cruising-Drehzahl
- Schwarze pulverbeschichtete Zylinderköpfe, Zylinder mit ausgearbeiteten Kühlrippen und verchromten Kipphebelgehäuseabdeckungen
- Neueste Technologie, ohne an Stil oder Funktion einzubüßen
- Intuitive Bedienelemente - die Blinker schalten sich von selbst ab und wissen anhand von Geschwindigkeit und Winkel des Motorrads, wie lange sie aktiviert bleiben müssen
- HD Smart-Sicherheitssystem – das Sicherheitssystem mit Freihandschlüsselanhänger aktiviert und deaktiviert elektronischen Sicherheitsfunktionen des Motorrads automatisch
- Einstellbare Federung - die Vorspannung ist mit einem Schraubenschlüssel leicht einzustellen
- Vorverlegte Fußrasten
- Engine Idle Temperature Management Strategy – im Leerlauf schaltet das Motorrad im Leerlauf automatisch Kraftstoffzufuhr und Zündung am hinteren Zylinder ab
- Tank Flame Grafik (Optional) – nostalgisches Flammendesign im Easy Rider-Stil

Preise:
14.795 Euro in Vivid Black
15.505 Euro in Two-Tone-Optik



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