Alle FotoalbenTour melden
Offline
Dirk0 30.06.2003

Asphaltstrand

Wegstrecke 0 km
Länder/Regionen/
Wegpunkte
Nordrhein-Westfalen
Straßenart
Tour-Motorrad
Schwierigkeit
Schlagworte
Alle 0 Kommentare anzeigen


Asphaltstrand

Unterwegs zur längsten Theke der Welt
Mittwoch Abend, kurz nach zehn. Auf der Ratinger Straße, zwischen der Hausbrauerei Füchschen und der Yuppiekneipe Ohme Jupp geht nichts mehr. Mehrere Hundert gutgelaunte Altbiertrinker blockieren mit dem Glas in der Hand die Kopfsteinplasterstraße am Rande der Altstadt. Selbst mit der schmalen Enduro ist hier nicht an Durchkommen zu denken.
Die komplette Reportage mit vielen Bildern findet Ihr wie immer unter http://www.motorradkarawane.de​/repo/index.html​ (unter "Regionen" Deutschland auswählen, die Reportage steht dann an an dritter Stelle) Viel Spaß beim Lesen!

Asphaltstrand

Mittwoch Abend, kurz nach zehn. Auf der Ratinger Straße, zwischen der Hausbrauerei Füchschen und er Yuppiekneipe Ohme Jupp geht nichts mehr. Mehrere Hundert gutgelaunte Altbiertrinker blockieren mit dem Glas in der Hand die Kopfsteinplasterstraße am Rande der Altstadt. Selbst mit der schmalen Enduro ist hier nicht an Durchkommen zu denken. Blaugeschürzte Kellner jonglieren tablettweise die Null-Zweier-Gläser mit dem dunklen Gerstensaft durch die Menge. Ungefragt tauschen sie leere gegen volle Biergläser, wer noch keins hat bekommt eins. So geht das hier jeden Mittwoch.

Ein Dreh am Zündschlüssel, der Motor macht Pause. „Auch eins?“ fragt mich ein Blauschurz mit vollem Tablett noch bevor der Kopfschutz Frischluft ans Haupthaar lässt. „Lieber ein Wasser, ich muss noch fahren“. Mit einem unverständigen Blick, wie man sonst eingebildete Kranke beäugt, kommt’s im breitesten rheinisch: „Willste misch veräppeln? Hier jibbet nur Bier.“ Und schon schwappen zwanzig Schaumkrönchen weiter durch die Menge der Durstigen.

Die Ratinger Straße markiert das nördliche Ende der längsten Theke der Welt, dem Kneipenviertel der über 200 Tresen starken Düsseldorfer Altstadt. Gleich um die Ecke, am Rheinufer, gibt’s um diese Zeit noch mehr zu sehen. Kurz vor der Ehrenrunde, die Väterchen Rhein an der Lausward dreht, recken sich der futuristisch in Schwarzlicht getauchte Fernsehturm und das aus dem Hypersonic-Zeitalter entliehene Stadttor in das abendliche Himmelsrot. Moderne Architektur macht sich gut im Stadtbild meinen die Stadtväter und versuchen so, den weltstädtischen Charakter des Dorfs an der Düssel zu manifestieren.

Dabei stört der manchmal dörfliche Charakter der Businesscity nicht die Bohne. Wenn man zum Beispiel mit der Fähre von Langst nach Kaiserswerth übersetzt, wähnt man sich weit, weit weg von aller Großstadthektik. Im Café am Marktplatz ist bei einem Cappuccino sogar Zeit für einen kurzen Ausritt in die Geschichte. In der Kaiserpfalz Kaiserswerth wurde der minderjährige Thronfolger Heinrich IV großgezogen, als Häscher des Kölner Erzbischofs Anno den Elfjährigen während einer Bootsfahrt auf den Rhein kidnappten. Wer den Jungen hatte, der regierte das Land.

Kontrastprogramm ist dann auf Düsseldorf Flaniermeile, der Kö angesagt. Die Edelboutiquen reihen sich auf der rechten Straßenseite aneinander wie die dunklen Limousinen und PS-protzenden Sportcoupés auf der anderen. It’s showtime, man! Vorbei an den Chicen und Neureichen ist lässiges Cruisen angesagt. Der Seitenständer darf an der Shoppingmall Sevens ausgeklappt werden. Captain Kirk hätte seine Freude am Enterprise-Stil der Designer. Blaue Lichtleisten trennen die balkonartigen Ebenen und schwerelos pulsiert das überdimensionale TV-Herz über den Besucherköpfen.

Die Natur kennt keinen rechten Winkel, sagte sich Frank O. Gehry, Architekt der nach ihm benannten Häuser im Medienhafen. Mit der Negierung des Pythagoras hat er die Häuserfronten am Zollhof zu einer Wallfahrtsstätte der Architekturjünger gemacht. Runde Wänder, schräge Fassaden, mal in Weiß, spiegelndem Silber oder Backstein, selbst die Augen eingeborener Düsseldorfer bleiben immer wieder an den schiefen Türmen hängen.

Gegenüber hat sich des Düsseldorfers angesagteste Pommes-Bude eingerichtet. Extravagante Saucen, zum Beispiel Senf-Honig, über die Kartoffelstangen gegossen, dazu ein Glas Schampus, fertig ist der Imbiss für die Medienapostel aus den umliegenden Büros.

Apropos Apostel: Der Kirche verdankt Düsseldorf letztlich seine Existenz. 1288 zogen unter der Führung von Graf Adolf V. die Bauernlümmel aus dem benachbarten Bergischen Land gegen die Truppen des Kölner Erzbischofs bei Worringen zu Feld. Die Kirchenmänner mussten sich den Mistgabeln und Holzprügeln der Bauernarmee geschlagen geben. Zum Dank wurden Düsseldorf die Stadtrechte verliehen und der Bergische Hof an den Rhein verlegt. Heute ist davon nur noch der Turm am Burgplatz in der Altstadt erhalten.

Wesentlich besser ist es dem Benrather Schoss, an der Südgrenze der Stadt ergangen. 1755 hatte Herzog Karl-Theodor den Bau als Maison de Plaisance, auf gut deutsch Lustschloss, in Auftrag gegeben. Von außen wirkt das Schloss fast wie ein etwas zu groß geratenes eingeschossiges Haus vor einem hübschen Weiher. Tatsächlich ist es die perfekte Illusion. Bis zu vier Etagen sind übereinander verbaut, zahlreiche Geheimgänge für das Personal eingerichtet worden.

Nach all dem Sightseeing ist eine ordentliche Kehlenspülung angesagt. Ich versuche es noch mal im Füchschen an der Ratinger Straße, fest entschlossen, das Bike stehen zu lassen . „Na, willste widder’n Wasser?“. „Wie, ich denk’ hier jibbet nur Bier?“

Die Bilder zur Reportage findet Ihr wie immer unter http://www.motorradkarawane.de​/repo/index.html​ (unter "Regionen" Deutschland auswählen, die Reportage steht dann an an dritter Stelle).

Kommentare


ABSENDEN

Keine Kommentare vorhanden
[Anzeige]

Ähnliche Touren