Bodensee
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Bodensee
Der SeelenfängerDer Bodensee und das Dreiländereck in Deutschlands Süden ist kein Land der Abenteurer. Dafür kommen Romantiker, Naturfreunde, Kunstliebhaber, Feinschmecker und sportliche Naturen am Schwäbischen Meer voll auf ihre Kosten. Jo Glaser und Dirk Schäfer haben sich zwischen Konstanz und Bregenz umgesehen.
Die komplette Reportage mit vielen Bildern findet Ihr unter http://www.motorradkarawane.de
Manchmal frage ich mich, ob wir nicht über’s Ziel hinausschießen. Die Planken biegen sich bedrohlich unter Jo’s 1150 GS. Drei, vielleicht vier Meter tiefer schwappt das frühjahrskalte Wasser des Bodensees. An Umdrehen ist nicht zu denken. Mit den Aluboxen zwängt sich die BMW nur soeben zwischen den hölzernen Geländern durch.
Ich seh’s schon vor mir: Eine Planke wird brechen, die nächsten können die Last nicht mehr halten und so stürzen Mann und Maschine haltlos in die Tiefe. Und dann die Fragen: Wer ist denn auf diese Idee gekommen, mit dem Motorrad auf die Pfahlbauten zu fahren? Was? Für ein Foto? Herrjeh, ich wünschte, ich hätte die Museumsverwaltung nie danach gefragt, ob wir mit einem Motorrad für ein Foto auf die Stege des Pfahlbautenmuseums fahren können.
Klar, die steinzeitliche Siedlung im Wasser ist ein Muss, wenn’s um den Bodensee geht. Aber da hätte mir ja auch etwas anderes einfallen können. Die Kelten zum Beispiel. Die haben immerhin den Grundstein für Konstanz, der heutigen Metropole des Sees, gelegt. Was aus der einst keltischen Siedlung geworden ist, würde die Kelten bestimmt mächtig wundern, denn die Stadt platzt aus allen Nähten. Bustouristen, drängeln sich durch die Altstadt, vor den Cafés warten Gäste, auf das die noch Sitzenden endlich ihren Kaffee zu Ende getrunken haben.
Omas Kohle reichte nicht
Immerhin, dass Publikum ist bunt gemischt, nicht zuletzt wegen der rund 10.000 Studenten, die an der hiesigen Uni büffeln. Hätte ich hier studiert, ich wäre wohl nie fertig geworden. Viel Sonne, die Alpen, Vogesen, den Hegau und den Schwarzwald vor der Haustür - es hätte nur einer reichen Oma und eines Motorrads bedurft. Gut, mit einer XBR war ich seinerzeit nicht schlecht bedient, aber die Oma wollte partout nicht reich sein. So ist aus Konstanz damals nichts geworden. Vielleicht auch nicht schlecht, denn wenn man für einen Kaffee schon Schlange stehen muss ...
Keine fünf Kilometer außerhalb der Stadt, hinter dem Wollmatinger Ried, geht’s auf der Reichenau gleich viel beschaulicher zu. Über einen alleebestandenen Damm, der das hektische Treiben Konstanz’ von uns abstreift, cruisen wir auf den Boden der ehemaligen Mönchsrepublik, die sich seit 2000 zum Weltkulturerbe zählen darf. Auch wer kulturell nicht so beschlagen ist, sollte am Abzweig zur Klosterkirche St. Georg den Blinker rechts setzen.
Lufthauch des Paradieses
Unter einer Klosterkirche stelle ich mir immer etwas großes, ja fast pompöses vor. Doch dieses Kirchlein inmitten eines Weinbergs ist das genaue Gegenteil meiner offenbar nicht sehr ausgeprägten Vorstellungskraft. Nicht monströse Ausmaße oder übertriebener Prunk machen St. Georg sehenswert, sondern dessen Bescheidenheit, die für nicht mehr als die Mönchsgemeinschaft vorgesehen war. Was muss das für ein Leben gewesen sein? Abgeschieden auf einer Insel, auf der genug Nahrung für alle Bewohner wuchs. Vielleicht war es ein kleines Paradies, von dem heute noch ein Lufthauch zu spüren ist.
An der Kreuzung mit der B33, die Radolfzell mit Konstanz verbindet, sind wir schneller wieder zurück im Hier und Jetzt als uns lieb ist. Die automobile Karawane quält sich im Schneckentempo vorwärts, bis von der Mobilität fast nichts mehr zu bemerken ist. Wir treiben die Bikes weg von der Schlagader des Freizeitverkehrs und peilen Bodman über den Bodanrück an, der sich wie eine lange Zunge in den See hineinstreckt. Dettingen, Langenrain, Liggeringen, hier oben, zwischen blühenden Obstbäumen und fetten Wiesen ist die Welt noch in Ordnung. Der Geruch von frischen Wiesen strömt durchs Visier, die Reifen surren wie von selbst.
Ab Ludwigshafen, dem Nordzipfel des Bodensees, der hier Überlinger See heißt, wird die Fahrfreude fix ausgebremst. Die komatösen Zustände auf der zweiten wichtigen Bodenseestraße, der B 31, sind selbst für hartgesottene Stausteher eine Zerreißprobe. Und alle haben Fährräder dabei. Auf den Dächern, an den Heckklappen. Ja, das schwäbische Meer ist Fahrradland. Fast könnte man meinen, dass es in der ganzen Republik keine anderen Gegenden gibt, dem Drahtesel Auslauf zu verschaffen. Ich hadere mit allen, die hier unterwegs sind, mit mir dass ich hier auch unterwegs bin.
Versöhnung in Meersburg
Wir klinken uns aus dem Strom aus und beziehen im Löwen am Obertor Quartier. Verkehrsberuhigter Bereich, Fußgängerzone, herrlich! Sogar Zeit für ein wenig Sightseeing ist noch. Vor dem Alten Schloss mit seinen bis zu fünf Meter dicken Mauer erinnert eine Büste an Anette von Droste-Hülshoff, die Münsterländer Lyrikerin, die ihr Leben 1848 am Bodensee aushauchte. Gleich daneben in weiß und Rosa das Barockschloss, das auf die im 16. Jahrhundert aus Konstanz geflohenen Kirchenfürsten zurückgeht.
Meersburg kommt geradewegs aus dem Bilderbuch über das romantische Mittelalter. Die Meersburg über dem See und die in den Fels gebauten Fachwerkhäuser an der Steiggasse geben das rechte Flair, mit dem die Stadt heute gut lebt. Die Steiggasse ist talwärts übrigens für die Radfahrer gesperrt. „Die Vernünftigen fahren hier nicht, den anderen ist es verboten“, steht unter dem Verbotsschild. Stadtväter mit Sinn für Humor.
Mit weißer Mütze und Blick über’s Wasser steht er am Meersburger Schiffsanleger, der Herr Steidle. Er kümmert sich darum, dass die Passagiere der Weisse Flotte hier wohlbehalten auf ihr Schiff kommen. Fast vier Millionen schippern jährlich über den See. Alleine um Ostern herum waren es 60.000, weiß der Herr Steidle. Auf eine Schifffahrt hätte ich auch Lust, allerdings mehr auf die mit dem Luftschiff. Kein Problem eigentlich, denn die Heimatstadt des „verrückten“ Grafen Zeppelin liegt gleich um die Ecke in Friedrichshafen.
Fette Preise für die fliegende Zigarre
Der Graf schwebt lange schon auf einer Wolke über dem See, aber die Idee seiner Luftschiffe lebt weiter. Über kleine Straßen im Hinterland erreichen wir die Zeppelinstadt. Das größte in Betrieb befindliche Luftschiff steht hat seine Hangar hier. Da muss ein Besuch doch lohnen, vielleicht können wir sogar ein Rundflug über den See machen? Die Enttäuschung ist doppelt groß. Der fliegende Zigarre zieht gerade über Freiburg ihre Kreise und für den Preis der Bordkarte kann man problemlos auch an eine Urlaubsregion ans Mittelmeer fliegen. Natürlich nur in einem der seelenlosen Jets ohne Kniefreiheit.
Jo, als Bodenseeanrainer, hat die Idee, wie ich doch noch zur Aussicht über den See komme: Der Gehrenberg! Hinter Markdorf kommen auch die Reifenflanken wieder mal mit dem Asphalt in Kontakt. Durch einen schattigen Wald kurvt das Sträßchen höher und höher, bis der Turm der Verheißung erreicht ist. Konstanz, das schweizer Ufer und die Alpen sind gut auszumachen. Bei gutem Wetter - und guten Augen - reicht der Blick schon mal weit über 5o Kilometer weit.
Eine physikalische Gemeinheit sorgt übrigen dafür, dass man zum Beispiel Bregenz, dass von Konstanz nur 46 Kilometer Luftlinie entfernt liegt, von dort selbst mit der besten Pupille nicht sehen kann. Die Erdkrümmung ist schuld. Satte 41 Meter türmt sie sich zwischen den beiden Seemetropolen auf. Grund genug also den Aussichtsturm auf dem Gehrenberg einzurichten.
Nation der Fahrradtransporteure
Noch besser muss es doch vom Pfänder, dem Hausberg von Bregenz sein. Der ist immerhin über tausend Meter hoch. Jo ahnt vermutlich, dass es zwecklos ist, mir ein anderes Ziel schmackhaft zu machen. Sein Widerstand ist schnell gebrochen und so finden wir uns schnell wieder auf der B 31 ein. Die Nation der Fahrradtransporteure ist immer noch unterwegs.
Langenargen liegt am Seeufer, aber abseits der Bundesstraße. Grund genug, einen Blick ins Dorf zu werfen. Die Grafen Montfort hatten sich hier ein Schloss in den See hineinbauen lassen. Die PR-Veranstaltung eines Autohauses macht unsere Besuchsabsichten zunichte. Doch die von Montfort hatten noch anderes unter ihrer Fuchtel. Wasserburg zum Beispiel. Kurz vor Wasserburg, ab Kressbronn, rollen die Pneus auf bayrischem Asphalt. Die Grafen von Montfort hatten es sich am See zwar hübsch eingerichtet, aber mit dem Zaster kamen sie offenbar nicht gut zurecht. Die Montforts verkauften die Insel Wasserburg 1592 an die Fugger. Für die beschauliche Gemeinde war 1720 Schluss mit dem Inseldasein. Man schüttet einen Damm auf und fortan ist Wasserburg nur noch eine halbe Insel. 50 Jahre lang gehörte Wasserburg übrigens zu Österreich. Napoleon hatte die Grenzlinien auf der europäischen Karte ein wenig verschoben.
Inseln zu Halbinseln zu machen, war am Bodensee eine Zeit lang offenbar richtig trendy. Lindau zum Beispiel ist es wie Wasserburg ergangen. Dafür können wir heute mit den Motorrädern direkt bis an den Hafen fahren, Kaffeezeit. Obwohl an der Uferpromenade reichlich Betrieb herrscht, ist von Konstanzer Verhältnissen keine Spur. Der genauere Blick auf die Flanierenden lässt in den Gesichtern reife Jahre erkennen. Der Bodensee ist eben nichts für junge Abenteurer. Mehr ein Seelenfänger, der sein sanftes Netz mit den Jahren ausbreitet.
Konstanz verschwindet
Von Lochau aus klettert eine kleine Straße zum Pfänder empor. Durch dichte Wälder und durch enge Kehren, die den ersten Gang erfordern, treiben wir die Bikes am Hang empor. Die Serpentinen sind nach den Cruiser-Kilometern am Seeufer eine willkommene Abwechslung. Wenn die Bäume den Blick auf den See freigeben, dann sind Lindau und Wasserburg, Bregenz, Rorschach und Arbon zu sehen. Konstanz verschwindet im Dunst des Nachmittagslichts.
Von den Pfahlbauten in Unteruhlding ist natürlich erst recht nichts zu sehen. Jo grinst mich an: „Was wäre ,wenn ich mit dem Motorrad durch die Planken gebrochen wäre?“ Ich zucke die Achseln. „Aber so glaubt doch kein Mensch, dass ich mit einem Motorrad mitten über dem See war.“ „Doch“, grins ich zurück, „wir haben doch das Bild.“
Die komplette Reportage mit vielen Bildern findet Ihr unter http://www.motorradkarawane.de
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