Du Raser – du...

Du Raser – du...

„...und wenn du dann auf den Hochkopf zukommst, - kurz bremsen und zweimal runterschalten, - aber pass auf der Abwärtsgeraden auf, da stehen sie schon mal... Und wenn’s trocken ist, dann kannst du mit der GS an den Gixxxen und RRRRs runter dranbleiben, - und weil sie’s schlecht kennen, auch vorbeifahren...“ Oder: „ ...in den Kurven bin ich schneller als du, dafür fährst du dann in den Ortschaften wieder schneller als ich...“ Welch eine Welt.
Konkurrenzorientiertes Fahren scheint allgegenwärtig. Schneller sein wollen oder gar schneller sein müssen als die Anderen, eben als die Konkurrenten, - denn schneller ist in gewissen Kreisen scheinbar auch ehrenvoller, vielleicht sogar heldenhafter, - auf jeden Fall cooler, s'bringt irgendwie ganz tief innen ein wenig notwendige Anerkennung? So kursiert die Aussage in einer diffusen Dimension: „Der/die kann’s, – bzw. kann’s nicht!“ Was aber kann der denn oder eben nicht?
Kritische Stimmen reden von "rasen", von unverantwortlich, gefährlich, muss verboten werden, lärmend, pervers, bestrafen, kastrieren, Vergewaltigung, Gefängnis... und gipfelt manchmal in einem eher hilflosen ohnmächtigen Ausspruch „Du Raser – du....“ Hier der Text eines Ghostriders:
„Da die grünen Männchen auch immer schärfer werden habe ich meinen Kumpel beauftragt, alle Innereien beider Schalldämpfer mit dem Schneidbrenner heraus zu schneiden. Heraus kamen zwei offene Ofenrohre, die aber äusserlich wie original aussehen. Ich wollte nicht auffallen. Nur das zählte. Nach der Montage am Bike mit anschliessendem Soundcheck wurde dann sofort klar. Hammersound, tief bassig, brachial wie die Fanfaren am jüngsten Tag. Luzifer wäre neidisch geworden. Autofahrer fahren panisch an den Strassenrand sobald sie mich nur ansatzweise hören. Eine 4in1-Anlage hört sich dagegen peinlich an. Die Polizei hat dann doch mal nachgemessen.105 DB bei 4500 Umdrehungen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen wie sich das bei 10000 Umdrehungen anhört... Ohrenbetäubend. Normalerweise wird bei Polizeikontrollen meine Arbeit belohnt. Jedes mal schauen die grünen Männchen nur auf die vermeintlich originalen Töpfe und erkennen sofort (ein popliger Originalauspuff) dann wandern die Blicke meistens wieder auf die Papiere Reifen usw... Das Überholprestige dieses Bikes kann man auch noch steigern. Da mein Bike rabenschwarz ist, sehen die vorderen orangenen Blinkergläser ein bisschen zu lieb aus. Abhilfe gibt es bei Ebay günstig in rauchglas. Dann sieht die Front richtig biestig aus, dazu der Sound und verstörte Autofahrer ver-stehen die Welt nicht mehr. Ich habe mir dann noch Heizgriffe montiert.“http://www.ciao.de/S​uzuki_GSX_1300_R_Hayabusa__Tes​t_3161349​
Es existiert sogar die Vermutung, dass sehr schnelles Fahren, unfallverhütend sein kann. Wahrscheinlich kennen alle die Situation: Tina S. aus E. verlässt ihr Haus und will gegen 11.07 Uhr die Lehnhardstrasse in Höhe der Nr. 114 überqueren. Wäre der Motorradfahrer Manfred R. aus dem Nachbarort L. mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit von innerorts 50 km/h unterwegs gewesen, hätten sich die beiden Verkehrsteilnehmer, Manni und Tina, konkret um 11.07 auf der Lehnhardstrasse Höhe 114 mit Kontakt begegnen müssen. Da Manfred R. aus dem Nachbarort L. aber immer fürchterlich am Gaskabel zieht, ist Manfred schon um 11.05 an der bezeichneten Stelle. ...keine Tina...kein Unfall möglich.
Was aber ist denn ein Raser? Machen wir’s uns einfach und suchen wir im anerkannten Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/R​aser​
„Raser ist die umgangssprachliche Bezeichnung für jemanden, der für die jeweilige Verkehrssituation unangepasst und zu schnell sowie rücksichtslos Auto fährt.“
Na also, da haben wir aber Glück. Die Definition gilt somit nicht für Motorradfahrer/innen, es sei denn, die fahren gerade mal mit dem Auto viel zu schnell?

Wollen wir uns überhaupt fragen, warum wir schneller und besser auf den "so geilen" kurvigen Strassen des Schwarzwaldes als andere sein wollen? Wir könnten eine einfache Antwort geben: Maslowpyramide Stufe 4. Es liegt in unserer Natur. Löwen, sie sind ebenfalls Säugetiere, fressen nun mal Gazellen recht gerne. Löwen mögen Gazellen einfach, - sie zerbeissen ihnen die zarten Halswirbelein, oder zerreissen ihnen die saftige Kehle, versenken die langen dolchartigen Reisszähne in den zarten Rücken des verzagten Tierlis, in seine duftenden Flanken, reissen das blutige Gedärm heraus - und schmausen dann... jedenfalls ist die liebliche, und vor kurzem noch anmutige Gazelle jetzt mausetot. Sind Löwen deswegen böse Killerbestien? Wahrscheinlich nicht, denn sie verstossen nicht gegen ein Gazellenfressverbot. Konklusion: Ohne Definition des Objektes und ohne eine folgliche Regelung kein Vergehen. D.h., keine gesetzten Höchstgeschwindigkeiten...kein​e​ Raser!???
Und in der Tat, in grauer Vorzeit, - als es weder Handys noch Radarfallen gab, die Begriffe „Ich-AG“ und „nachhaltig“ waren noch völlig unbekannt, man liebte aber schon die Schwarzweissfernseher, war die Höchstgeschwindigkeit auf den Landstrassen nach oben nicht begrenzt. Sogenannte Halbstarke, die Ganzstarken waren ja wirkliche Männer, versuchten schon mit ihren Vehikeln schnell unterwegs zu sein, aber – sie waren (noch) keine Raser, selbst wenn sie mit einem Auto fuhren. Die Grundlage/Voraussetzung, das Gesetz zur Definition von Rasern, existierte nicht.
Mit 110 ist man heute auf deutschen Landstrassen zu schnell,- in der Schweiz, hier ist die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit auf Landstrassen auf 80 km/h beschränkt, ist man/frau mit 110 ein/e Raser/in, und man/frau wird öffentlich als ein soziopathisches Subjekt gebranntmarkt. Ein Freund erzählte, dass er in Neuseeland wegen unterschreiten der Geschwindigkeit von 80km/h auf der Landstrasse (er fuhr wohl so 60, wollte die Gegend anschauen) eine Busse bekam. Es ist heutzutage schon schwierig, wenn es für so Vieles so viele Regelungen gibt, in den verschiedenen Teilen der Welt allem gerecht zu werden.
Motorräder mit viel Leistung... - wir sehen die Neuen an den Frühlingsmessen und bewundern das Extraordinäre an den Geräten. Die features, die uns durch das Gerät subkulturelle Überlegenheit versprechen, die mögen wir eigentlich schon: agressiv-gefährlich aussehende Lampenmasken, die Bösartigkeit versprechende Farbgebung, ein gedrungenes und potentes Ganzes, braaaiiite Schlappen, Tacho mit der Max-Anzeige von über 300. Wie kommts? Wir sind aber doch alle für Verstand und Vorsicht im Strassenverkehr!?! Wissen es die Marketingleute und Designer einfach besser, - oder verführen die uns gar nur, damit wir etwas wollen, was die Welt nicht braucht?
Stop! Da sind aber auch Argumente echt positiver Art für uns zu nennen. Die Geräte sind doch auch viel sicherer geworden. Tolle kaum irritierbare Fahrwerke, standfeste Technik und die Integralbremsen mit ABS, haftsichere langlebige Reifen, Flüstertüten hinter den Auslassventilen, niedriger Verbrauch, modernes und in die Zeit passendes Design, ganzheitliche, makellose Schönheit. Danach suchen wir doch an den Frühlingsmessen.. und manchmal weisen sogar die sooo süssen Bikinimädchen an den aufgemotzten Ständen darauf hin. Sie machen die Technik wahr. Gerne glauben wir ihnen.
„...und wenn du dann auf den Hochkopf zukommst, - bremmmmsen und zweimal runterschalten, - aber pass auf der Abwärtsgeraden auf, da stehen sie schon mal... Und wenn’s trocken ist, dann kannst Du mit der GS an den Gixxxen und RRRRs runter dranbleiben, - und weil sie’s schlecht kennen, auch vorbeifahren...“ Manfred fährt in der Lehnhardstrasse an Tina S. aus E vorbei. Sie dreht sich irritiert um, hebt den langen, weissen Stock drohend und ruft mit zitternder Stimme hinterher: „Du Raser, - du....“ Sie weiss es halt nicht besser, - Manfred fährt gar nicht mit dem Auto.

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