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Anvil003 29.06.2010

1517 Pferdestärken auf Tour(en)...

Wegstrecke 0 km
Länder/Regionen/
Wegpunkte
Rheinland-Pfalz
Straßenart
Tour-Motorrad
Schwierigkeit
Schlagworte
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1517 Pferdestärken auf Tour(en)...

Herrliche Landschaften, fantastische Kurven, nette Gesellschaft und eine gut organisierte Planung machen eine Mini-Mosel-Reise zum Traumwochenende
Auch wenn die A43 nicht gerade die Route 66 ist, und bei Easy Rider irgendwie doch andere Musik lief - eine Motorrad-Tour von Haltern an die Mosel bedeutet ein bisschen Freiheit. Wie sich das anfühlt, lest Ihr hier:

Ein sanfter Duck auf den Anlasserknopf genügt, schon kündet ein dumpfes, sattes Grollen vom erfolgreichen Startvorgang. Quasi im Viertelsekundentakt wiederholt sich das Ritual, bis eine gewaltige Soundkulisse aus insgesamt achtundvierzig Zylindern die Luft buchstäblich vibrieren lässt.
Stolze 1517 Pferdestärken, so habe ich schnell mal nachgerechnet, bringen die 12 Motorräder wohl auf die Straße, mit denen wir von der ehemaligen Römerfestung Haltern zu einem Wochenendtrip in das Paradies für alle Kurven- und Schräglagenfans aufbrechen: die Moselregion.
Schon der römische Dichter Decimius Magnus Ausonius schwärmte im Jahre 371 in seinen Mosella-Gedichten von diesem herrlichen Landstrich, den wir nun - 1639 Jahre später – ganz zeitgemäß mit unseren Bikes erkunden wollen. Zwei Tage werden wir dazu unterwegs sein und in dieser Zeit rund 700 Kilometer abspulen.

Wir, das sind 12 Biker und drei Beifahrerinnen, die dem Angebot eines Halterner Motorradhauses zur Mosel-Rhein-Lahn-Tour folgen, um neben der Landschaft vor allem das Erlebnis vom „Biken“ in der Gruppe auszukosten. Schon seit 2003 veranstaltet Michael Knuth-Zajons geführte Touren.
Auch die Betreuung stimmt von der ersten Minute an: Mit einem kräftigen Bikerfrühstück empfängt uns Tourguide Michael. Bei Brötchen und Kaffee kommt man sich schnell näher, zumal die in Reih und Glied aufgereihten japanischen Vierzylinder reichlich Stoff für „Benzingespräche“, wie Biker ihre Fachsimpeleien nennen, bieten.
Insbesondere die silberne 1300er von Mitfahrer Bernd ragt aus dem Tross der gehegten und gepflegten Bikes heraus, da die Verkleidung des „Tourers“ mit Mücken übersät ist. Das Rätsel ist schnell gelöst: Der 49-jährige Motorradpolizist war gerade noch mit einer Gruppe gleich gesinnter „Arbeitskollegen“ zu einer Freizeittour im wenig kurvenreichen Baltikum unterwegs und nach der Rückkehr gleich wieder zu unserer Moseltour aufgebrochen. Gut 200000-km hat er nach eigenem Bekunden schon dienstlich und privat auf zwei Rädern zurückgelegt.
Von diesem Erfahrungsschatz können Oliver (36) und Dörte (30) dagegen nur träumen. Ihre beiden nahezu fabrikneuen Maschinen verbreiten noch den unnachahmlichen Duft frisch gepressten Hartgummis. Trotzdem, Nervosität vor der ersten großen Ausfahrt ist den beiden Neueinsteigern nicht anmerken. Ebenso gelassen sind Ralf und Silvia, die ihre ersten Motorraderfahrungen schon vor vielen Jahren auf einer so genannten „Gummikuh“ sammeln konnten. Ralf und Silvia sind nach der obligatorischen Kinderpause inzwischen mit einem gemütlichen „Dickschiff“ (FJR1300) unterwegs.

Jens und Kevin dagegen, die beiden Youngster der Gruppe, sind schon von Kindesbeinen an mit dem Motorrad groß geworden. Nachdem sie nun mit 21 bzw. 22 Jahren auch ungedrosselte Maschinen fahren dürfen, sind beide schon heiß auf das Kurvenerlebnis mit 150 bzw. 91 Pferdestärken.
Mittendrin reihe ich mich mit meiner CB 750 ein. Bis nach Paris hat mich in jungen Jahren schon eine CB 200 getragen. Der Wunsch, Benzin zu sparen, führte mich vor gut zwei Jahren wieder zurück auf zwei Räder, das allerdings mit unabsehbaren Folgen: Aus der sparsamen 125er (Cosename: Hayabusa-Killer), die für solche Touren gänzlich ungeeignet gewesen wäre, wurde nach nur sechs Monaten eine Spaß bringende 750er.
Frisch gestärkt geht es nur eine Stunde später los. Nein, diesmal nicht zum Kaffee bei Mutter Vogel in Marl-Hamm, sondern direkt auf die A52 und dann weiter über die A43.
Immerhin, die Monotonie der Autobahnfahrt lässt Zeit zum Träumen. Sehnsüchtig fällt mir da sofort das Motorradabenteuer von Ewan McGregor und Charley Boormann ein, die für ihren Film „Long way round“ auf zwei Rädern von England über die Mongolei, Russland, Alaska, Kanada bis hin zur berühmten Chopperschmiede in Orange County und zur Freiheitsstatue tourten. Man kann nur erahnen, welche Strapazen die Beiden durchgemacht haben. Verglichen damit, ist unsere zweitägige Tour ein reiner Sonntagsspaziergang. Schotterstrecken oder Flussdurchfahrten bleiben uns und unseren geliebten Motorrädern gottlob erspart. Ohnehin würden so eine Tortur einige der hochgezüchteten und bis zu 180 PS starken Bikes nicht lange mitmachen.
Die anfängliche Gemütlichkeit endet kurz hinter Sprockhövel. Ein dicker Schauer erwischt uns mit all seinen Unannehmlichkeiten, wie nasser Kleidung und beschlagenen Helmen. Jetzt heißt es einfach „Zähne zusammenbeißen“ und durchhalten. Ganz ungefährlich ist das Cruisen auf der nassen Autobahn auch nicht. Rücksichtslose PKW-Fahrer quetschen sich immer wieder in den Tross der zwölf Maschinen.
Dickes Lob an den "Knochensammler"
Ein besonders dickes Lob gebührt in diesem Zusammenhang Ralf und Sozia Silvia, die freiwillig den Job des „Knochensammlers“ am hinteren Ende der Gruppe übernommen haben. Mit ihrer wuchtigen Tourenmaschine blockieren sie mit stoischer Ruhe allen Dränglern und Rasern zum Trotz frühzeitig die Überholspur, sodass auch die Vorausfahrenden gefahrlos auf die Überholspur ausscheren können.

Kurz hinter Köln ist bereits der erste Tankstopp fällig. Gerade die PS-starken Supersportler mit großem Durst (und kleinen Tank) fordern nach neuem Treibstoffvorrat. Durch den Regen, die stupide Autobahnfahrt und die mitunter komfortfreien Sitzgelegenheiten ist aber auch der Rest der Gruppe für diese Pause äußerst dankbar. Insbesondere die kaum 1,60-m große Sandra hatte als Beifahrerin auf dem Sitzbrezel der 180 PS-starken YZFR1 und dicht geklammert an Freund André eine alles andere als bequeme Sitzposition. Doch gegen die große Liebe sind solche Leiden augenscheinlich nur Nebensächlichkeiten.
Noch eine kurze Etappe folgt auf der Autobahn, ehe wir bei Euskirchen die A1 verlassen – Richtung Ahrtal. Diese Region soll, so heißt es in den einschlägigen Tourismusinfos, von der Sonne mit mehr als 1450 Sonnenstunden pro Jahr überschwänglich verwöhnt werden. Und wirklich, alsbald lichten sich die Wolken. Bildschöne Landschaften und nicht zuletzt sehr gute und relativ verkehrsarme Motorradstraßen tauchen vor unseren Augen auf. Mit den ersten Steigungen und Haarnadelkurven folgt auch endlich die ersehnte Abwechslung zum topografisch eher langweiligen südlichen Münsterland, das viele der Teilnehmer schon in- und auswendig kennen.

Vorneweg fährt jetzt die „Knieschleifer- und Lederkombi-Fraktion“ mit Tourguide Michael, Jens (21), Kevin (22), sowie „Fußrastenschleifer“ Bernd (49). Der Motorradpolizist hat dank ausgefeilter Technik das für Sonntagsfahrer schier unglaubliche Kunststück fertig gebracht, durch atemberaubende Schräglagen an seinem gemütliches Tourenmotorrad (FRJ 1300) die Hälfte seiner Fußrasten am Asphalt wegzuschleifen.
Weiter hinten folgen wir „Textilkombi-Träger“. Hier geht es zwar immer noch zügig zur Sache. Aber allein der Versuch gegen die Rennstreckenerfahrung von Tourguide Michael, die ungestüme Jugend sowie die immense Erfahrung von Motorradpolizist Bernd anzutreten, wäre für die weniger routinierten Fahrer ein hoffnungsloses und zugleich gefährliches Unterfangen.
Schon im Vorfeld hatte Tourguide Michel deshalb immer wieder darauf hingewiesen, das niemand versuchen solle, auf Gedeih und Verderb mitzuhalten. So klaffen schon nach den ersten Kurven Lücken im Konvoi. Doch gerade hier beweist sich einmal mehr das Können des erfahrenen Motorrad-Reiseführers. Brav und stets zuverlässig wartet die Spitzengruppe an der nächsten Abzweigung, bis die Sicherheitsweste von Ralf und seiner Sozia Silvia in Sicht kommt. Dadurch haben alle Mitfahrer gleichermaßen Fahrspaß, ohne die eigenen Grenzen zu überschreiten.

Die Kasselburg bei Gerolstein ist wie geschaffen für unsere Mittagspause ein. Hier wärmen wir uns ein wenig auf und genießen den Blick auf die reizvolle Gegend. Über Landscheid, Salmtal geht es anschließend weiter zum nächsten Stopp in Piesport, wo wir erstmals die Mosel zu Gesicht bekommen. Weiter geht es auf kurvenreichen Straßen, die zum ständigen Wechsel zwischen brachialer Beschleunigung und ebenso rabiater Verzögerung einladen.
"Da kann kein Auto mithalten"
Selbst die schwächste Maschine im Feld bewältigt hier den Spurt von 0 auf 100 km/h in weniger als vier Sekunden. Da kann kein normales Auto mithalten. Und wenn wir uns in voller Schräglage in die Haarnadelkurven fallen lassen, gleicht das einer Fahrt im Kettenkarussell.
Nach gut achtstündiger Fahrt sind wir endlich am Ziel des ersten Tages, der Jugendherberge im Bernkastel-Kues, angekommen. Nicht luxuriös, aber zweckmäßig!

Wer mehr Wert auf Luxus legt, dem bietet die Region übrigens zahlreiche motorradfreundliche Hotels, über deren Qualität man sich schnell und relativ zuverlässig in diversen „Bikerforen“ kundig machen kann.
„Bei entsprechendem Interesse werde ich auch gerne längere Touren mit Hotelunterkunft anbieten“, so Michael Knuth-Zajonz. Das Ganze sei aber letztlich auch eine Frage des Preises. Und hier ist die Jugendherberge mit knapp 21 bis 28 Euro für eine Einzelübernachtung samt Frühstück immer noch unschlagbar günstig.

Mit strahlendem Sonnenschein empfängt uns der nächste Morgen, an dem wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück gleich wieder auf die Motorräder begeben. Das nächste Ziel heißt Oberwesel. Doch zunächst folgen wir dem Lauf der Mosel, passieren malerische Ortslagen und genießen nebenbei den Anblick des träge dahinfließenden Stroms, bevor wir uns dann wieder auf die nächsten Kurven konzentrieren.

Binnen kürzester Distanz geht es mit einem traumhaft schönen Ausblick steil am Hang des Moseltals hoch, wo uns wieder Waldgebiete empfangen. Das Mosel-Rhein-Gebiet ist wirklich eine zauberhafte Region, verziert mit malerischen Weinbergen und geschwungener Landschaft.

Von Traben Trabach geht es weiter Richtung Zell, durch den Hunsrück. Erfrischend schattige Wälder im Wechsel mit saftigen Wiesen und Feldern bilden einen bunten Flickenteppich in der buckligen Landschaft. Dazwischen immer wieder schiefergraue Haufendörfer. Dem Charme dieser Landschaft mit ihren einmaligen Kontrasten können auch wir uns nicht entziehen. Vor allem ein Teilstück, auf dem die Strecke mitsamt den Kurven kilometerweit einsehbar ist, hat es uns angetan.
Einmalige Kontraste in der Landschaft
Über Simmern führt die Route schließlich zum Rhein bei Oberwesel. Einmal mehr erwartet uns eine grandiose Flusslandschaft, in die sich die Stadt der Türme und des Weines nahtlos einbindet. Ein solcher Ort, zumal zum Weltkulturerbe zählend, ist einfach wie geschaffen für eine längere Pause.

Es ist schwer, sich von diesem malerischen Ort wieder loszulösen, aber Tourguide Michael lockt mit einem weiteren kleinen Abenteuer. Den Rhein entlang führt uns die Route nach Boppard, wo wir den Rhein überqueren müssen. Das aber nicht auf einer Brücke, sondern mit der Rheinfähre. Die mogelt sich gekonnt durch den dichten Schiffsverkehr. Nur das ruckartige Anlegemanöver lässt den Adrenalinspiegel aller Teilnehmer kurzzeitig ansteigen, schließlich werden die bis zu 260 kg schweren Maschinen nur vom dünnen Seitenständer gehalten.
Bad Ems, hier wo einst mitten in der jetzigen Stadt der Limes das Römische Reich vor den germanischen Barbaren schützen sollte, ist unserer nächster Anlaufpunkt. Herrliche Straßencafés und Kurmusik empfangen uns noch einmal zu einer gemeinsamen Kaffeepause.
Ein letzter Tankstopp, dann heißt es Abschied nehmen. Zurück über die Monotonie der Autobahn bleiben die Gedanken an zwei erlebnisreiche Tage und der Wunsch nach einer schnellstmöglichen Wiederholung.
(C)2010 - Anvil003

Kommentare


ABSENDEN

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heike1303
Ein super Bericht, danke das du uns mitfahren lassen hast :-)
10 Points. ist doch klar
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Kralli
Schöner Bericht 10 Punkte. Gut das ich Rhein und Mosel direkt vor der Haustür habe :-)
Gruß Kralli
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suzi1
>>>>Brav und stets zuverlässig wartet die Spitzengruppe an der nächsten Abzweigung, bis die Sicherheitsweste von Ralf und seiner Sozia Silvia in Sicht kommt. Dadurch haben alle Mitfahrer gleichermaßen Fahrspaß, ohne die eigenen Grenzen zu überschreiten.
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Anvil003
Auch wenn die A43 nicht gerade die Route 66 ist, und bei Easy Rider irgendwie doch andere Musik lief - eine Motorrad-Tour von Haltern an die Mosel bedeutet ein bisschen Freiheit. Wie sich das anfühlt, lest Ihr hier:  mehr...
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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Meine Gegend... Schöner Bericht, anständig bebildert, 10P
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