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Egmil1954 19.03.2011

Albanien

Wegstrecke 1643 km
Länder/Regionen/
Wegpunkte
Nach Albanien gelangt man auf dem Landwege z.B. über Italien, Slovenien, Kroatien und Montenegro (Küstenroute) oder über Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro (Ausflug in den Kossewo möglich).
Straßenart Landstraße
Tour-Motorrad BMW F 800 GS (E8GS)
Schwierigkeit leicht
Schlagworte Albanien


Albanien

Flet Shqip?
(Danke an Herrn Grundmann und Aborigine)
ALBANIEN?! Diesen Ausruf des Entsetzens höre ich von allen, denen ich von meinem Urlaubsziel erzähle. Es folgen die üblichen Vorurteile. Muss ich mir von solchen Schauermärchen die Vorfreude und Erwartungen trüben lassen? Ich buche den Autozug bis Triest und fahre weiter nach Zagreb. Dort empfängt mich Ivan und bringt mich langsam vom Stress runter. Wir haben ein paar schöne Tage zusammen. Erst sehr weit im Landesinneren von Bosnien und Herzogowina sind die Wunden des Bürgerkrieges nicht mehr so augenscheinlich. Unübersehbar sind jedoch die vielen neuen Moscheen. Ist das der Fortschritt? Einfache landwirtschaftliche Geräte, die an den Straßen angeboten werden, scheinen der große Renner zu sein, Maschinen sieht man jedenfalls selten! Nach einer kurzen Rast in Sarajewo fahre ich entlang der Neretva nach Mostar. Bereits bei der Einfahrt in die Stadt wird man wieder an den Krieg erinnert. An nahezu jedem Haus sind Einschusslöcher zu sehen. Das Foto mit der Brücke, die diesem Ort seinen Namen gab, im Hintergrund genügt mir als Souvenir. 90 m ragt die Brücke über der Flussmitte empor und ist damit hoch genug, um bei Hochwasser nicht überspült oder weggerissen zu werden. Irgendwann erreiche ich die Adriatische Küste und die Stadt Dubrovnik. Auch hier bewundere ich die historische Altstadt und den Trubel in der Stadt nur beiläufig. Dubrovnik ist eine Station, mehr nicht.
Hauptstädte eines Landes sind das Aushängeschild, so auch Tirana. Vieles ist gewöhnungsbedürftig. Gefahren wird nach Gefühl, egal ob Fahrbahnmarkierungen vorhanden sind oder Verkehrsschilder etwas anzeigen. In den Rückspiegel wird grundsätzlich nicht geblickt und wenn die Fahrtrichtungsanzeiger funktionieren sollten, werden sie nicht benutzt. Bremslichter sind häufig defekt und die Hupe dient sowohl dem „Hallo“-sagen oder „Achtung“ oder „Platz-da!“ Es gibt keine Straßenkarten von Tirana und wenn es doch welche geben sollte, sind nur die Hauptstraßen vermerkt. Meine Unterkunft liegt in einer Seitengasse, der Abzweig vom Abzweig der Straße, in sie sein sollte. Die Adresse habe ich aus dem Internet. Man spricht Englisch und für 20 Euro die Nacht bekommt man eine sehr gute Unterkunft und einen sicheren Stellplatz in einer Gegend, in der ich bei Dunkelheit nicht spazieren gehen würde. Der erste Stadtbummel weckt zwiespältige Gefühle, aber bereits nach wenigen Tagen hat man sich an die „mediterranen Verhältnisse“ gewöhnt. Tirana ist klein, offiziell zwischen einer halben und einer Million Einwohner. Eine Meldebehörde gibt es (noch) nicht und einen Bebauungsplan müsste man zu oft den veränderten Gegebenheiten anpassen. Der zentrale Platz heißt Skandenbergplatz und wird grundsaniert. Offensichtlich will man nach diesen langen Jahren der Stagnation auch unter der Erde für etwas Fortschritt bzw. für funktionierende Systeme sorgen. Auf den ersten Blick erscheint der Platz unübersichtlich. Im Norden das Nationalmuseum mit seinem sozialistischen Mosaik, im Osten die Oper, deren Terrasse saniert wird und im Süd-Osten die Ethem Bey Moschee mit untypischer Ranken- und Blätterbemalung im Inneren. Die Gebäude an der Westseite stammen aus dem Jahr 1930. Sie wurden noch zur Zeit des Königreichs gebaut und haben eine wertvolle Architektur. Für die Sehenswürdigkeiten entlang des Aufmarschgebietes zwischen Skandenbergplatz und Universität benötigt man einen halben Tag. Dann hat man aber auch schon das ehemalige Regierungsviertel und die Parkanlagen gesehen. Natürlich kommt man auch am „Nicht-Mausoleum“ vorbei. Diese trostlose Beton-Pyramide ließ sich der letzte Diktator von seiner Tochter als letzte Ruhestätte schon zu Lebzeiten bauen. In der Stadt ist die Stagnation allgegenwärtig. Mittels bunt bemalte Häuser versucht man das triste Grau in Grau zu kaschieren. Der Harley-Club ist an diesem Sonntag-Abend nur von 2-3 Bikern besucht, die unter sich bleiben wollen. Ich verabschiede mich irgendwann von den zahlreichen Straßenhändlern und verlasse Tirana. Für die zirka 100 km Luftlinie zum Ohrid-See benötigte man vor 50 Jahren mit einem geländegängigen PKW genau eine Woche, heute benötigt die Eisenbahn 9 Stunden. Die ersten 70 km sind ja auch noch ganz akzeptabel. Die Straße bis Elbasan und darüber hinaus ist saniert und in einem befahrbaren Zustand. Es geht hügelig bis auf 800 m hoch. Dann biege ich ab: „Offroad, sehr schwere Straße, unbefahrbar!“ –steht in meinen Unterlagen. Mal sehen, was das heißen mag. Es beginnt mit einigen Kilometern Grobsplitt, für den meine Reifen nicht gedacht sind. Natürlich fängt es auch an zu regnen. Die „Straße“ geht in einen unbefestigten Feldweg über, der sich immer höher in die Berge hinauf schlängelt. Schon seit Beginn ist es nicht möglich, dass 2 Fahrzeuge aneinander vorbeifahren können. Der Regen macht die bis zu 50 cm tief ausgefahrenen Spurrillen glitschig. Kleinere Bachläufe kreuzen die Wege. Das Pflaster scheint aus römischer Zeit zu sein und ist total ausgefahren. In den Spurrillen steht häufig das Wasser so hoch, dass darin befindliche Steine nicht erkennbar sind. Geröll und gewachsener Fels ergeben mit dem Schlamm und dem Wasser eine ungute Mischung. Der Regen kann nicht durch die Kombi dringen, weil der Schweiß nach außen dampft. Es werden die schwierigsten 55 km, die ich in den letzten 20 Jahren gefahren bin. Bin ich ein Weichei oder zu alt für das Motorradfahren, weil ich 5 Stunden für diese Strecke brauche?
Bei dem anschließenden Ruhetag in Pogradez am Orchid See lasse ich meine Erfahrungen Revue passieren. Ja, Albanien hat alles: Autobahnen, gute Straßen zum Cruisen, kürzere oder längere Abschnitte zum Offroad-fahren und auch unbefestigte Wege und Pisten. Immerhin gab es in diesem Land vor 30 Jahren höchstens 50 private Autos! Man mag über das Tempo, mit dem das altrömische Straßennetz erneuert wird, geteilter Meinung sein, jedoch die Anstrengung, die dieses arme Land zu vollbringen hat, ist enorm. Noch heute streiten sich die Gelehrten, ob Albanien das ärmste oder das zweitärmste Land in Europa ist. Die Bodenschätze des Landes liegen häufig weitab von Verkehrswegen, haben nicht die nötige Ergiebigkeit oder Qualität. Eine nennenswerte Industrie gibt es nicht. Der Tourismus, auch an den langen Sandstränden, entwickelt sich nur langsam, trotz der Hilfe aus der EU. Nahezu 50 Jahre war das Land abgeschottet. Davor lag es immer am Rande der verschiedenen Weltreiche und Einflusssphären. Oft verzichteten die Besitzer auf die Erhebung von Steuern, weil die Bevölkerung in den Bergdörfern so arm war. Doch gerade diese Randlage hatte auch Vorteile. Immer wieder stößt man auf Überreste vergangener Kulturen. Mehrfach fahre ich irgendeine Route abseits der Hauptstraße und quäle mich mehrere Kilometer offroad, nur um in irgendeinem Dorf eine Kirche aus frühchristlicher Zeit oder aus dem Mittelalter vorzufinden. Manchmal ist auch eine Moschee dabei.
Meine Besichtigungstour führt am Ohridsee und Presbasee vorbei. Hier befindet sich die Sommerresidenz des letzten Diktators. Heute ist es ein normales Restaurant mit einigen Fremdenzimmern. Am Presba-See sehe ich seltene Pelikane. Hier in der Abgeschiedenheit sollen mehr Pelikane brüten als im gesamten Donau-Delta. Von hier ist es auch nicht weit bis Korca. Während die ländliche Umgebung mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, sind es in der Stadt orthodoxe Christen. Die Kathedrale in Korca ist das größte Gotteshaus Albaniens. Viele Kronleuchter sind aus dem Holz albanischer Eichen geschnitzt, die es durch die starke Abholzung der Wälder über Generationen fast gar nicht mehr gibt. Noch heute ist Holz ein wichtiges Mittel für Heizung und Kochen, weil es billig und überall zu haben ist. Das Nachwachsen wird durch die Viehherden mit Ziegen und Schafen erschwert. Nur in den Flusstälern ist Landwirtschaft im kleinen Stil möglich und finden sich genügend Weideplätze für Kühe. Noch heute kann sich das Land nicht selbst versorgen.
Zwischen Korca und Gjirokastra stoße ich auf heiße Quellen. Es ist wohltuend die naturnahe Nutzung der Quellen durch die Anwohner zu beobachten. Dabei könnten diese Quellen Linderung für viele Krankheiten bedeuten. In Permet erlebe ich, dass Sozialismus zwar Kollektivierung der Landwirtschaft und Elektrifizierung des ganzen Landes bedeutet, aber keine Versorgung mit Trinkwasser oder funktionierende Verkehrswege beinhaltet. Auch die Transitstraße nach Griechenland ist in einem desolatem Zustand. Die unter Denkmalschutz stehende historische Altstadt von Gjirokastra ist byzantinischen Ursprungs. Die schmalen und steilen Gassen machen das Fahren schon mit „normalen“ Reifen problematisch. Die Festung, die wie die ganze Stadt zum Weltkulturerbe gehört, bietet einen malerischen Ausblick über die Stadt und die benachbarten Berge. Das in dieser Stadt befindliche Geburtshaus von Enver Hoxa, der 40 Jahre lang das Land am Rande des Ruins diktatorisch führte, ist heute ein Museum.
Butrint befindet sich ebenfalls auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten. Hellenen, Römer, Byzantiner und Venezianer haben hier im Lauf der Jahrhunderte vielseitige Spuren hinterlassen. Die Ruinen sind gut erhalten und liegen auf einer Halbinsel im Butrint-See. Die antike Stadt zählt zu den großen Touristenattraktionen Albaniens. Rund 20 Kilometer südlich von Saranda, an der Grenze zu Griechenland gelegen, war Butrint während der jahrzehntelangen Hodscha-Diktatur nur ausgewählten Besuchern zugänglich und nur über den Seeweg zu erreichen. Eine britische Stiftung sorgt inzwischen dafür, dass die Anlage archäologisch erforscht und behutsam hergerichtet wird. Ich bin angetan von dem Reiz und der Schönheit dieser Anlage, die man für ein geringes Entgelt frei „erobern“ kann. Schilder in Albanisch und Englisch geben nötige Erklärungen. Von der Akropolis aus hat man eine schöne Aussicht auf den See und die gegenüberliegende Festung und die Stadt. Enttäuschend präsentiert sich das Amphitheater in Durres. Erst im 20. Jahrhundert war man zufällig auf einen unterirdischen Hohlraum gestoßen, der den Zugang zum größten Amphitheater auf dem Balkan markierte. Beeindruckender ist die „Rosa Villa“, der Sommersitz des letzen Königs Zogu, die aus politischen und finanziellen Gründen dem Verfall preisgegeben ist. In Kruja befindet sich das Nationalheiligtum Albaniens. Die Burg beherbergt das Skanderbeg Museum, welches allerlei Exponate über den albanischen Nationalhelden zeigt. Die Burg bzw. Festung war im Jahr 1443 von Skanderberg, erobert worden. Sie wurde erst im Jahr 1478, zehn Jahre nach dem Tod von Skanderberg, von den Osmanen zurückerobert. Das war gleichzeitig das Ende des ersten souveränen Albaniens bis zum Jahr 1912.
Berati, Vlora, Shkodra, Mesopotam, Anigonea, Vithkuq, Libohova, die Quelle “Blue Eye”, Finiq, Appolonia, Byllies, Kloster Lac, Lagune Patoc, Dorf Mesi, Varreze … alles aufzuzählen ist in diesem Bericht nicht möglich. Bei manchen Klöstern oder Kirchen hatte ich den Eindruck, der Apostel Paulus sei gerade hier gewesen. Dörfer, in denen es zwar Strom und eine Wasserleitung mit einer Zapfstelle für das ganze Dorf gibt, in denen sich aber das Leben wie vor hunderten von Jahren abspielt. Und insgesamt etwa 700 000 Bunker, die diese imposante Natur verschandeln! So auch beispielsweise das Drin-Tal, welches mit einer Tagesetappe von gefühlt 500 km (150 km real) zum unbedingten MUSS eines jeden Motorradfahrers gehört. Oder die Strecke zum Lura-See, durchs Hochgebirge. Der Weg ist sehr steil und besteht aus Felsen und leichtem bis mittelschwerem Geröll. Die Fähre über den Komansee hat ihren Betrieb reduziert, der erwartete Touristenboom ist nicht eingetreten. Ich verlasse das Land über malerische Nebenstraßen.
Ja, Albanien ist anders. Aber es ist nicht schlechter als die anderen Mittelmeerländer. Albanien ist außerdem mehr als nur ein Geheimtipp für Motorradfahrer. Die Einreise ist problemlos möglich, die Infrastruktur klappt, wenn auch nicht immer in gewohnter Art und Weise. Die Menschen sind arm aber stolz und selbstbewusst. Betteleien habe ich nur wenige Male beobachten können und die Polizei ist völlig entspannt. Albanien ist eines der Länder, in denen man die Seele per Motorrad „entlüften“ kann; Abwechslung ist garantiert!


Kommentare


ABSENDEN

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vdb01
Sehr guter Bericht - bin seit 2007 jedes Jahr mit meiner Guzzi (solo) zumindest durchgefahren - es gibt ein paar Dinge, auf die man achten muss - ansonsten ein perfektes Reiseland - und hatte auch noch das Glück mit der inzwischen eingestellten Fähre fahren zu dürfen - 2013 bin wieder unten
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Husky0
sehr gut!bis an die albanische grnze hab ichs auch schon geschafft,aber wegen zeitmangel nicht weiter!paar foddos wären schön gewesen,grußmrüdiger
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Schotterzwergin
Super, da würde ich auch gerne mal hinfahren
Gruß Inge
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dingberg95
Sehr schöner Bericht....supi,
z.Z. verschlinge ich alle Reisereportagen über Albanien, möchte mitte- ende Mai selber dorthin fahren, obs mit meiner RT geht..? werds sehen wie ich als solo Fahrer zurecht komme. Grüßle Rol
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Husky0
moin,sehr schön erzählt,wir waren auch vor 3 jahren in montenegro,bis zur albanischen grenze,suuuper tour,bis dahin alle leute gut drauf,der nachteil ist,es traut sich niemand ,mitzukommen...da frauen meist ein wenig anders ticken,eben ruhig angehen lassen,etc versuche ich seit einigen jahren solche kontakte zu knüpfen!!!aber geht nicht,die weiber sind eben komisch!!
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Easy-Biker
Hallo und Gruß aus München!
Du hast einen guten Bericht geschrieben. Was mich und vielleicht andere auch noch interessieren würde wäre:
wie lange und wann warst du dort, wie teuer ist Albanien, wie ist die Versorgung mit Benzin usw., siehst du irgendwelche große Problembereiche in Bezug auf Sicherheit, wie war die Verständigung, sind die Unterkünfte durcheg gut ?
Bikergruß von Michael
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dermotorradler
super !!!!!!!!!!!!!!
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