Bremskraftverstärker

Bremskraftverstärker

„Kommst Du mit, ich hab‘ da ne Schnäppchen-GS entdeckt, - steht bei BMW in Icksdorf“. Franz ist ganz begeistert. Er schwärmt von und über die Daten. 2005er, aber nur 2500 Kilometer, die ist ja noch neu. „Ja, hört sich gar nicht so schlecht an,….. aber 2005, das sind doch noch die mit dem Bremskraftverstärker…“ „Keine Ahnung, eh, 2500 Kilometer hat die auf dem Tacho…“ „Hm“, denke ich mir, entweder Vorführmöfi oder jemand wollte die aus irgendwelchen Gründen nicht mehr. Jedenfalls verabreden wir uns bei BMW in Icksdorf. Es ist ein frischer Tag, so plus 2 – 3 Grad. Aber irgendwie habe ich Lust auf Möfifahren und ducke mich doch etwas hinter das neue hohe Windschild der Dakar. Wenn schon zu BMW, dann mit einem Möfi.

Ich treffe Franz vor dem Ausstellungsraum. Er ist wunderbar dokumentiert. Werbehefte und Vorkalkulation von BWM. Herr Schindler begrüsst uns. Er ist ein echter, ein richtiger Verkäufer. „Ja, Kaffee, ganz gerne…“ und wir sitzen mit Herrn Schindler an der Kaffeemaschine und Franz freut sich. Da sieht man es, bei BWM da ist man noch Kunde…. Da gibt es Kaffee, einen netten Schindler und auch eine gutaussehende Assistentin, die wirklich sehr freundlich lächelt… immer!

„Ja, Herr Schindler“, beginnt Franz das Sachgespräch, „ich hatte jetzt fast 8 Jahre kein Motorrad mehr, Unfall damals… und jetzt will ich mal wieder schauen, ob ich’s noch kann“. Franz beschreibt die den Unfallhergang, und wie er das Brechen seiner Armknochen hörte. „Nein, kein offener Bruch…“
Herr Schindler hört zu, und gibt hin und wieder Interessenlaute wie „ah“ und „oh“, von sich. Franz schildert dann, wer ich sei und warum er mich gebeten habe heute mit dabei zu sein.
„Kein Problem“, flötet Herr Schinder, „vielleicht kann ich ja zwei Motorräder verkaufen“ und zwinkert mir schelmisch zu. Es ist warm bei Schindler; seine Assistentin nimmt mir die Winterjacke ab und meint „kein Problem“! Dann teilt sie Franz mit, dass auch sie die blaue gebrauchte 1200er als schön empfindet. Eine schöne GS??? Gibt’s das wirklich??? Nun ja, sie fährt, sie fährt sogar recht gäbig, - aber … schön, nein, das ist eine GS bei Leibe nicht. Das Motorrad hat ein eine stark zerklüftete Silhouette, und brachiale Detaillösungen. Sei es drum, das Fahrwerk und der kräftige vibrationsarme Motor….das Ganze ist gemacht, um die Schwarzwaldstrassen zu schleifen… ja, warum nicht; denn dazu muss’s ja nicht schön sein. Kein Problem. Sie lächelt.

Auf meine Frage antwortet Herr Schindler, ja, das Motorrad habe den Bremskraftverstärker. Sie lächelt und nippt am Kaffee. Ich bestätige gegenüber Franz, dass die Konditionen gut seien, aber, und das sei meine Meinung, - ich würde keine GS mit Bremskraftverstärker wollen. Ihr Lächeln schwindet. Sie vermutet sicherlich, dass der Typ ihr gegenüber, also ich, wohl etwas Negatives gesagt haben muss.

„Ja aber warum nicht, der Verstärker unterstützt Sie ja! Unsere Kunden wollen das und wir haben ihnen diese Hilfstechnik zur Verfügung gestellt. Jedes Auto hat einen BKV!“. „Die Kunden wollten es, - und nun wollen die es nicht mehr, - es ist doch richtig, - die neuen Modelle haben keinen BKV mehr?“

Schindler ist als guter Verkäufer auf solch dilettantische und läppische Bemerkungen eingestellt. Er lächelt, sie übrigens auch wieder. „Die Bremstechnik wurde in den letzten Jahren weiterentwickelt, heute bremst die neue GS fast wie mit Verstärker, - den können wir weglassen, das spart Gewicht.“ 1:0 für ihn. Ich lächele und Franz schaut etwas stier in die Welt, er will ein Möfi, was soll die Diskussion? Wir sprechen noch diverse Details an, Integral und ABS beim Bremsen in der Kurve und welliger Fahrbahn. Herr Schindler hat noch nie gehört, dass dies ein Problem sein könnte. Auch wenn nach langer Standzeit, im Winter, die Batterie unwillig ist, dann sagt doch das Display, dass die Bremswirkung eingeschränkt ist. Man weiss dann ja, das Möfi bremst kaum noch, aber das weiss man ja. Ich frage mich, was ist, wenn man oder frau ohne Motorbeteiligung eine Ausfahrt runterrollt und unten am Bremshebel zieht. „Aber sie wissen doch, dass die Bremsleistung eingeschränkt ist!“ Ja, er hat Recht, das Display sagt es mir, wenn ich den Zündschlüssel gedreht habe, und ich muss einfach wie ein Berserker am Hebel ziehen- und vor lauter Panik wird mir das womöglich auch gelingen.

Franz ist sehr schweigsam. Er schaut mich an. Ich zucke mit den Schultern, - und teile mit, dass es nur meine Meinung ist: Ich persönlich würde ein GS-Möfi mit BKV nicht haben wollen, weil es für diverse, wenn auch nur spezielle Situationen problematisch sei.
Die Assistentin sitzt seit einiger Zeit mit aufgestütztem Kopf in der Runde. Ob sie sich langweilt? Diese lästigen Kunden. Sie reden und reden und Alexandra, so steht‘s auf dem Namenschildchen, wäre vielleicht lieber sonst wo. Die stützende Hand verursacht oberhalb des Druckpunktes, in der Höhe der Wangenknochen Falten, hääässssliche Falten. Das lässt Alexandra deutlich älter aussehen – aber – sie merkt auch das nicht. Herr Schindler hält die Markenfahne weiter hoch, aber er räumt ein, dass solch gewisse Situationen denkbar sind, - aber quasi nie vorkommen. Mir fällt das Wort Restrisiko ein.

„Ja“, meint Franz, „dann werde ich nochmals darüber schlafen.“ Alexandra öffnet die strahlenden Augen und scheint glücklich, da nun bald erlöst zu sein. S‘ ging doch nur um ein Motorrad und dazu noch um ein gebrauchtes…..
Perfekte Ladenausstattung, gutaussehende Alexandra, Kaffee, wissender und gut ausgebildeter Herr Schindler,.... und Franz will nicht, kein Kaufvertrag. Warum nicht. Meine mir eigene egoistische Meinung hat Franz beeinflusst. Dabei fahren ganz viele Käufer mit der 2005er GS, wahrscheinlich die allermeisten, völlig problemlos umher.

Nur Heidi und Beat hatten Probleme mit der 2005er GS. Undichte Gabelholme, sabbernder Stossdämpfer hinten, Riss an der Befestigungsschraube am Windshild, satzweise verschlissene Bremsscheiben vorne in sehr kurzer Zeit, Wechsel der hinteren Bremsklötze, das erste Mal bei 6000 Kilometer… Spiel im Lenkkopflager…,das alles in der Gewährleistungszeit. Diskussionen mit dem Händler: „Sie sind der Ersten und Einzigen mit diesen Problemen…“ Heidi und Beat haben dann die 2005er „entsorgt“.

Blauer, kalter Himmel, schützendes Windschild und Handwärmer hinter den Protektoren. Ich fahre die 20 km nach Hause, und frage mich, welche Rolle hatte Alexandra?

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