Made in China
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Made in China
Von Schlitzaugen und LangnasenAuf der 750km langen Autobahn von Shenyang nach Beijing (Peking) gehen mir so einige Gedanken zum Thema Motorradfahren in China durch den Kopf.
Manche werden schon in den deutschen Medien Berichte über den Boom Staat China gesehen oder gehört haben. Ja, das stimmt. Hier geht wirklich der Punk ab.
Die Autobahn hier könnte genauso gut von München nach Nürnberg führen. 3-spurig, perfekter Belag, farbige Signalanlagen, riesige Raststationen und – Staus.
Richtig gelesen! China ist mobil und wird wohl noch viel mehr mobil werden. Und das nicht nur auf der Straße. Mobiltelefone sind auch weit verbreitet.
China boomt wirklich und das spürt man an jeder Straßenecke. Zumindest in den Städten. Und das ist genau der Knackpunkt. Der Fortschritt findet in den Städten statt. Auf dem Land ist die Zeit stehen geblieben. Hier herrschen ärmste Verhältnisse.
Warum ich das hier erwähne? Nun, für diejenigen, die sich durch die scheinbar positiven Medienberichte ermutigt fühlen sollten, in China Motorrad zu fahren, ist unter anderen auch diese Info wichtig.
Gleich vorab: Vergesst die naive Ansicht, einfach nach China fliegen zu können und auf ein gemietetes Bike zu steigen. Ist nicht! Man darf als europäischer Ausländer (übersetzte chinesische Bezeichnung: Langnase) hier gar nicht selbst fahren. Nur als Beschäftigter einer hier ansässigen Firma und auch dann erst, wenn man den Führerschein hier gemacht hat. Eine Chance bestünde vielleicht, indem man sich als Reiseveranstalter eine staatliche Genehmigung besorgt. Dann fährt man aber mit staatlicher Begleitung (Überwachung).
Dann zum Straßenverkehr. Die Chancen als relativ gesitteter deutscher Motorradfahrer heil durch eine chinesische „Kleinstadt“ von 5 Mio. Einwohner zu kommen sind ziemlich gering. Es gibt praktisch keine Verkehrsregeln. Woher auch! Bis vor kurzem gab es so gut wie keinen Individualverkehr und plötzlich fährt alles Auto. Und zwar alle auf einmal an einer Kreuzung.......Man kann sich auf kein Verhalten der Chinesen verlassen. Hier fährt alles auf einmal auf bis zu 9 Spuren in einer Richtung in der besagten Kleinstadt (Großstädte wie Shanghai haben dagegen mal so 17 Mios Einwohner). ‚Alles’ heißt: Von lebensmüden Fußgängern über voll beladene Eselskarren bis zu Luxusschlitten, auch entgegen der Fahrtrichtung. Wem das als Kick noch nicht reicht, der sollte mal nachts fahren. An manchen Stellen prallen alte und neue Straßenzustände auf einander. Dann gibt es tiefe Quergräben oder - auch ganz nett - fehlende Kanaldeckel. Ab und zu sieht man Fahrzeuge mit heraus gerissenen Achsen ungesichert mitten in der Kreuzung stehen. Darunter liegt einer und schraubt!
Motorräder gibt es übrigens tatsächlich hier. Wenn man denn so 125 Kubikflohs als Motorrad bezeichnen möchte. Die gibt’s massenweise. Ganz selten mal ein Donghai Gespann (BMW-Nachbau, Vorkriegs Boxermodell).
Meiner Meinung nach sind die alle lebensmüde oder so was ähnliches. Nicht nur wegen dem Straßenverkehr. Sollte es einen nämlich tatsächlich erwischen, sprich man wird vom Bock geschossen, dann schlägt im kommunistischen China die kapitalistische Faust gnadenlos zu: Ohne Kohle läuft gar nix. Das bedeutet, wenn man zufällig bewusstlos auf der Straße liegt und keinen Freund dabei hat, der für einen den Krankenwagen ruft, dann stehen alle Chinesen neugierig um dich rum und schau’n dir tatenlos beim Krepieren zu. Hier muss nämlich derjenige, der den Krankenwagen ruft, auch den Transport bezahlen. Und der weiß natürlich nicht, ob der Verletzte nun Kohle hat, die er von ihm zurück fordern kann, oder nicht. Also ruft vorsichtshalber erst mal keiner den Krankenwagen. Sollte man es aus irgend einen Grund tatsächlich geschafft haben ins Krankenhaus zu kommen, dann wollen die schon wieder zuerst Kohle sehen. Und das für eine miserable ärztliche Versorgung unter hygienisch zumindest fragwürdigen Umständen. Ein Freund hier erzählte mir, dass neben ihm im Krankenhaus einer krepiert ist, weil sich niemand um ihn gekümmert hat. Hatte halt kein Geld, der Arme.
Ja, China boomt. Aber eben nur in bestimmten Bereichen.
Wenn einen das alles noch immer nicht abschreckt, dann wird man mit schnurgeraden Autobahnen oder kriminell holprigen Nebenstraßen, die durch landwirtschaftlich intensiv genutzte Landstriche und ärmste Dörfer führen belohnt. Oder man fährt gleich auf Pisten durch’s menschenleere westliche China. Das gibt’s nämlich auch – menschenleer und unendlich.
China wird also durch krasse Gegensätze gekennzeichnet. Extrem „westlich kapitalistisch“ in den östlichen Küstenregionen von Bejing, Shanghai, Hongkong, die sich nicht mehr von Metropolen wie Tokyo (http://biker.de/touren/tourenberichte?cmd=Anzeigen&id=123217) oder New York unterscheiden bzw. sie sogar noch übertreffen bis über die allerärmsten Regionen im Westen und Norden. Zündstoff für die Zukunft Chinas ist genügend vorhanden.
Warum schreib ich das alles, obwohl ich doch oben erwähnt habe, dass langnasige Touris hier sowieso nicht fahren dürfen? Nun, könnte ja durchaus sein, dass der eine oder die andere im Zuge des chinesischen Wirtschaftsbooms die Gelegenheit bekommt hier in China für eine deutsche Firma als Expatriat zu arbeiten. Oder China öffnet sich dem Tourismus, wovon ich stark ausgehe. Das wäre doch ein Abenteuer, das sich der verwöhnte Mitteleuropäer noch gönnen sollte: Mit der Donghai durch China! Ich glaub’ ich wär’ so wahnsinnig...........
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Klasse Bericht und jenseits jeglicher alltäglicher Reiseziele und -berichte. Klasse Deine kritische Reflektion mit dem Reiseziel um am Ende trotzdem zu dem Ergebnis zu kommen, daß es Dich reizt. Wer so an eine Tour rangeht, wird immer mehr aufnehmen als andere.
Nur mit einer Harley, wie auch schon im Bericht angedeutet, wird es in China wohl eher schwierig werden.
Hallo Reino, sehr guter Bericht, erinnert mich bischen an meine Aufenthalte in der ehemaligen SU, und bestätigt leider meine Vermutungen, wie dort gnadenlos, das Kapital blühende Landschaften entstehen lässt.
In China vergewaltigt man ein ganzes Land, im Irak zerstörtund tötet man und beides bringt imensen Profit und hält das marode System ein wenig länger am Leben, immer auf Kosten anderer.
Hallo Reino
Tolle Infos, ich werde China wohl noch nicht auf meine Wunschliste nehmen, da gibt es noch so viel vorher zu entdecken. Z.Bsp. Peru, Mexico, Bolivien... das sind Leckerbissen, die sicher vor China befahren werden.
Gruss Heike
Der Mensch ist unbegreiflich grausam.
China ein aktuelles Beispiel dazu.
...nachdem ich in dem super geschriebenen Artikel nun sozusagen \"aus erster Hand\" erfahren durfte, wie es in der aufstebenden Nation abgeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass ich nicht wirklich einen Moppedtrip dort in Erwägung ziehen werde ;-)
Super Bericht!! Mach weiter, so etwas bekommt man selbs im Net selten zu lesen.
Was mich interessieren würde, womit bist du dort gereist?
Das ist wohl richtig, dass in China das Material \'Mensch\' noch als eher entbehrlich gilt. Eine Maschine oder westliche Sicherheitsstandards sind teuer. Dem stehen 1 Milliarde Menschen, als nahezu unerschöpflicher, billiger Nachschub gegenüber.
Vor ein paar Tagen wurden im Radio Zahlen zu Grubenunglücken in China genannt.
7.000 Tote in 2004 oder 2003. Ich weiß es nicht mehr genau...
Die Dunkelziffer wird auf das dreifache, also 21.000 geschätzt.
Klingt grausam...
Bevor man die Nase drüber rümpft sollte man sich allerdings bewußt machen, dass der Stellenwert eines Menschenleben zu Zeiten der industriellen Revolution hier auch nicht anders war.
China ist eine steil aufstrebende Industrienation. Sie hat z.B. in diesem Jahr soviel Stahl auf dem internationalen Markt aufgekauft, dass einige westliche Projekte zum erliegen gekommen sind. Kein Material. *g*
Die Chinesen gehören zum gleichen Kulturkreis wie die Japaner. Ich denke jeder ist sich der Zielstrebigkeit und Leistungsfähigkeit der japanischen Industrie bewußt. Sony & Suzuki, Honda, Kawasaki lässt grüßen. *gg*
Wenn China sich nur annähernd so schnell entwickelt, dann werden wir uns hier warm anziehen dürfen. *fg*
2008 erscheint die erste
\"Pekingnawa YXZ 1300 Turbo-Shaolin\" mit 300 PS für sage und schreibe 3.998,- Euro!
Zeitgleich meldet das bundesdeutsche Sozialamt Insolvenz an. *sfg*
Hatte ich schon erwähnt, dass sich \"Know-How\" und \"Der Arbeitsplatz\" um die Plätze 1 & 2 als Exportschlager Deutschlands schlagen?
;o) Uwe
Vor ein paar Jahren habe ich mal im Skiurlaub einen Medizinstudenten kennengelernt, der auch schon mal zum Austausch in China war. Er erzählte mir, das dort im Krankenhaus zum Desinfizieren des OPs, einfach das Fenster einen Moment geöffnet wurde.
Die Sitten und Gebräuche sind halt verschieden !!
:-))))))
Dirk
Hi Reino,
find ich sehr interessant was Du schreibst. Eine vollkommen anderen Kultur und Mentalität, dazu im radikalen Umbruch. Ein \"einfaches\" menschliches Leben ist wohl fast nichts wert, unglaublich das mit dem Krankenwagen! Wie beschaulich und sicher unser Land dagegen aus diesem Blickwinkel erscheinen mag, wie klein die Probleme über die wir klagen. Ich hab ein paar Jahre mit Japanern in Ffm gearbeitet, auch eine andere Mentalität. Wenn man gemeinsam Probleme löst, oder spontan über die gleichen Dinge lacht, ist das was Wunderbares, was über diese Grenzen verbindet.
Danke und mach bitte weiter mit Deinen Berichten!
Chris
Bin kürzlich zurück gekommen, aber schon wieder auf\'m Sprung ans andere Ende der Welt - Südafrika.
Mein Chinabericht gibt natürlich nur einen Bruchteil meiner Erfahrungen in diesem Land wieder. Da könnte man ganze Romane schreiben. Gibt aber nur Ärger mit den Hardlinern von biker.de, weil das nicht unbedingt was mit Motorradfahren zu tun hätte.
Wenn man überlegt, dass in China gerade mal 7% der Erwachsenen motorisiert sind, kann man sich ausrechnen, welches Umwelt- und Verkehrschaos dort in ein paar Jahren herrschen wird. Ein Umwelt- und Sicherheitsbewußtsein ist praktisch nicht vorhanden. Die Flüsse sind Kloaken, das Trinkwasser ist Schwermetall verseucht und die Raumtemperatur wird im Winter über das Öffnen von Fenster und Türen geregelt. Jetzt weiß ich, wo das Öl vom Weltmarkt hin verschwindet.
Du hast recht: Es gibt einiges über den Boom zu lesen. Ich habe aber seine Schattenseiten(!) mit eigenen Augen gesehen.
Reino