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daniel 18.09.2000

Norwegen '98 - ich glaub', mich knutscht kein Elch (Teil 2)

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Lofoten
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Norwegen '98 - ich glaub', mich knutscht kein Elch (Teil 2)

Die Fortsetzung...
Geheimtip Lofoten: Stockfische, Traumstrände und Pottwale

Schon die vierstündige Fährpassage von Bodo nach Moskenes ist ein echtes Highlight. Wir dösen noch in der Sonne in windgeschützten Liegestühlen, als der Steuermann plötzlich aufgeregt rufend und gestikulierend über's Deck läuft:
Wale an Steuerbord!
Riesige Pottwale, die durch die Wellen pflügen, hochspringen und wieder verschwinden – ein anrührender, ergreifender Anblick.
Und dann tauchen die Lofoten aus dem Dunst auf, unzählige, spitze Zacken, als wüchsen die steilen Felswände unmittelbar aus dem Meer empor, viele auch jetzt im Hochsommer schneebedeckt, alle baumlos, imponierend, abweisend und gleichzeitig geheimnissvoll lockend.
Ganz im Gegensatz zur kargen, herrischen Natur stehen die bunten Holzhäuser am Ufer und auf den Schären – Weiß, Rot und Gelb sind die vorherrschenden Farben, richtig niedlich wirken sie vom Schiff aus, wie Spielzeug, ebenso die kleinen Fischerboote an ihren Bojen.

Ich kann mich weder sattsehen noch sattfotografieren, aber mein Film ist zu Ende, und während der Überfahrt darf ich nicht auf's Autodeck an meinen Tankrucksack, wo noch Ersatzfilme wären. Also schnackt Reto einem italienischen Motorradfahrer einen Film ab – der Mann ist mit einer 1100 GS, einem Kumpel auf einer Suzuki und einem weiteren Freund, der das gemeinsame Wohnmobil chauffiert, unterwegs Richtung Nordkap und erzählt uns, dass sie das immer so machen, zu Dritt, zwei auf Motorrädern, einer im Camper. Der Camperfahrer zieht sogar noch einen Trailer, falls mal ein Mopped transportiert werden soll. So ist die Gruppe schon durch halb Europa und ganz Nordamerika gereist. Der Italiener guckt erstaunt, als er in Moskenes sieht, dass ich mein eigenes Bike von Bord fahre und nicht als Sozia unterwegs bin.
"Bravo, ragazza!", höre ich noch während wir losfahren und fühle mich irgendwie geschmeichelt.
Richtig heiß ist es geworden, und wir wollen raus aus den schwarzen Kombis.

Unsere norwegischen Freunde hatten uns A empfohlen, den Ort mit dem kürzesten Namen der Welt. A ist ein hinreißendes ehemaliges Fischerdorf an der Südspitze der Lofoten, die meisten Häuser echte Rorbuer – auf Stelzen ins Wasser gebaute Fischerhütten.
Erfunden hat die König Öyvind um 1120. In der Fangsaison schickte er nämlich immer seine Fischer auf die Lofoten, um Kabeljau oder arktischen Dorsch, jungen Kabeljau, zu fangen. Weil die Fischer in ihren primitiven Ruderbooten keinerlei Schutz fanden, kamen in schlimmen Jahren die Hälfte von ihnen ums Leben. Deshalb befahl er, "bu" = Hütten für die "ror" = Ruderer zu bauen, damit die Fischer sich wenigstens aufwärmen und ausruhen konnten. Das hat sich im Laufe der Jahrhunderte bewährt, nur dass heutzutage, zumindest im Sommer, mehr Touristen als Fischer die Rorbuer bevölkern.
In A sind es eigentlich nur Touristen, wie wir schnell feststellen. Und so idyllisch der Ort auch ist mit seinen ochsenblutroten Hütten, dem Stockfischmuseum und dem weit ins Meer hinausgebauten Restaurant – wir suchen was Authentischeres. Fündig werden wir schon eine Bucht weiter in Tind.
Reto ist überrascht, dass ich schon nach so wenigen Kilometern wieder stoppe, aber ich habe von der Straße aus ein paar Fischer entdeckt, die in einem großen, gelben Rorbu arbeiten – und fragen kann man ja mal. Wieder bedauere ich es, dass ich kein Norwegisch spreche, aber der große, bedächtige Mann in der Fischerhose versteht mich auch so und bedeutet mir, mitzukommen. Durch ein Gewirr ähnlicher Rorbuer führt er mich zu einem gelben Holzhaus am Ende des Steges, das einzige bereits für Touristen umgebaute Rorbu.

Wir sind begeistert – genau das hatten wir gesucht! Ein Wohnraum mit Eßecke und Küche, ein winziger Schlafraum, ein Bad mit zusätzlichem Edelstahlbecken zum Fischeschuppen und –ausnehmen. Genial einfach – einfach genial.
Der Holzfußboden ist neu, das Spitzdach uraltes Holz, die Karostoffe gemütlich.
Nachdem wir ausgepackt haben, setzen wir uns mit der Straßenkarte hin und fangen an, zu rechnen. Wie lange können wir hierbleiben, wenn wir noch bis zum Nordkap fahren? Das Ergebnis: überhaupt nicht, entweder Lofoten oder Nordkap. Wir entscheiden uns für die Lofoten, es gefällt uns zu und zu gut hier, und außerdem hat man uns immer wieder versichert, fahrerisch wäre der letzte Schlag nach oben sowieso langweilig.
Entsprechend müssen wir uns für die nächsten Tage verproviantieren. Also fahren wir nochmal nach Moskenes und schlagen dort im einzigen Supermarkt weit und breit zu.
Wieder zurück in unserem Rorbu zweckentfremden wir das Fischbecken – es eignet sich hervorragend zum Wäschewaschen, und das wird langsam notwendig. Später trocknet dann unser Kram Seite an Seite mir den Stockfischen der letzten Saison.
Vorn auf dem Steg sind zwei Holzbänke mit Tisch, der perfekte Ort zum Lesen, Essen, Sonnenbaden. Die Temperaturen sind mediterran, die Abende ewig, denn hier geht die Sommersonne wirklich nie unter. Nur zum Baden ist es doch zu kalt, das Wasser hat gerade mal 14 Grad.

Statt dessen versuchen wir uns als Angler. Der Fischer hat uns ein kleines Boot mit Außenborder geliehen, und damit tuckern wir hinaus auf's Meer. Als Köder verwenden wir den Rest der Elchwurst, aber die Fische scheinen den gleichen Geschmack zu haben wie Reto – und beißen nicht.
Dafür entschädigt uns die Aussicht vom Wasser auf die Inseln – die weißen Gipfel, gute 1000 Meter hoch, spiegeln sich im Meer, das Wasser ist so klar, azurblau und transparent wie in der Karibik, große, dicke Möwen zeigen Kunstflugnummern, die blaurotweißen Fischerboote leuchten vor den sonnengelben Rorbuer.
Eine der dicken Möwen gewöhnt sich im Laufe der Zeit an uns und kommt immer vorbei, wenn wir an unserem Holztisch essen. Dann fordert sie mit lauten Geschrei ihren Anteil, und irgendwann werfen wir ihr tatsächlich was zu. Da wird sie dreister und fordernder, und einmal, als Reto nicht hinblickt und ich gerade Kaffee holen bin, stürzt sie im Tiefflug über den Tisch und klaut sich ein Keks. Es ist komisch mit den Möwen, je näher sie einem kommen, desto größer werden sie...
Von Tind Abschied zu nehmen, fällt uns schwer. Zum Glück wird das Wetter schlechter, der Wind über Nacht eisig, da macht es weniger aus, wegzufahren. Und ein bißchen bleiben wir ja noch auf den Lofoten.
Wir besichtigen Reine und Hamnoy, verträumte Nester zwischen kilometerlangen, schneeweißen Sandstränden und Nusfjord, ein denkmalgeschütztes Fischerdorf, dass sogar auf der Unescoliste erhaltenswerter Bauwerke steht.

Mittags kehren wir ein "bei Wikingers" zum Hammelsuppe-Essen in der Gildehalle des Häuptlingshauses. Das steht im Lofotr-Wikingermuseum und ist der größte Häuptlingssitz, der je entdeckt wurde, vermutlich der Hof eines mächtigen nordnorwegischen Fürsten.
Drinnen riecht es nach dem offenen Feuer, über dem gekocht wird, und ich bin verblüfft, wieviel Handwerkskunst die wilden Männer und Frauen schon draufhatten. Draussen trotzen ein paar zottelige Pferde dem scharfen Wind und sehen nicht halb so erhaben aus, wie der Drachenkopf, der den Eingang schmückt.

In Fiskebol setzen wir über auf die Vesteralen. Am Fähranleger kommen wir mit zwei Norwegern ins Gespräch, die auf uralt-Japanern unterwegs sind. Die beiden verraten uns, dass ihre Bikes immer noch so teuer sind wie funkelnagelneue Reiskocher bei uns. Die Steuern, die hier auf Motorrädern und Autos liegen, sind wirklich haarsträubend!
Die Vesteralen hauen uns nicht so um wie die Lofoten, und es ist schwierig, ein Quartier zu bekommen.
An unserem siebten Hochzeitstag – dazu meinem Geburtstag – kurven wir durch den kalten Nieselregen und finden schlicht und ergreifend gar keine Unterkunft. Die wenigen Hotels, an denen wir vorbeikommen, sind belegt, Hytter nirgendwo ausgeschildert. Schließlich folgen wir einem "Bett"-Symbol eine schmale Straße hinunter zu einem großen Haus. Das entpuppt sich als Blinden-Trainingsheim. Wieder nichts. Der Mann in dem Blindenheim schickt uns weiter die Straße entlang, Richtung Fjord gäbe es ein Hotel.
Tatsächlich ist da eines, eher eine Mischung aus Gewerkschaftshaus und FDGB-Heim, dazu menschenleer und verlassen, aber Reto läßt sich nicht beirren und treibt im Nebengebäude den Verwalter auf.
Der findet, wir könnten durchaus in dem leeren Haus übernachten und gibt uns ein Zimmer – für sagenhafte 150 NK für beide!
Zwar riecht es muffig, aber es ist warm, trocken und sauber, und wir haben noch Lachs und Bier übrig und bekommen vom Verwalter dazu (noch leicht gefrorenes) Brot – was wollen wir mehr?! Na gut, eigentlich hätten wir etwas stilvoller feiern wollen, aber das können wir ja nachholen...
Eiszeit im Nordland
Wild und schön, das ist die Landschaft hier. Küsten mit tausenden von Inseln und Schären, Gletscher, die direkt ins Meer überzugehen scheinen, Schneefelder, Wildflüsse und Rentierherden in der endlosen Weite der Hochebenen sorgen für dramatische Kontraste und unvergleichliche Stimmungen.
Wenn es nur nicht ganz so kalt wäre!
Trotz Skiunterwäsche, Fleece und dicker Kombis frieren wir auf unseren Motorrädern – es ist so kalt, dass es in den eisigen Tunnels wärmer ist als draussen!
Narvik lassen wir, abgesehen von einer Kaffeepause, links liegen, fahren lieber auf der E 6 Richtung Hamaroy. Auf dieser Insel hat der Dichter Knut Hamsun seine Kindheit und Jugend verbracht. Von der Abgeschiedenheit seiner Epoche ist heute nicht mehr viel zu spüren, auf den wenigen großen Straßen ist plötzlich die Hauptreisezeit ausgebrochen – wobei, was hier als hektisch bezeichnet werden darf, am Mittelmeer tiefste Ruhe und Frieden wäre....
Je näher wir Fauske kommen, desto mehr gilt der Satz "alle Wege führen nach rom" – rom = Raum, freie Zimmer gibt es hier wieder in Hülle und Fülle, aber wir haben noch was zu feiern und gönnen uns was Feines im Fauske Hotel (700 NK).
In der Sauna tauen wir nach der Eisfahrt erst mal wieder auf, bevor wir uns auf überbackene Muscheln, Lachs und Rentiermedaillons stürzen.
Am nächsten Tag machen wir vor allem Strecke, gute 500 Kilometer gen Süden, übernachten in einer romantischen Minihütte am Snasvatnet nahe Oksnes und erreichen tags drauf den Nationalpark Dovrefjell, eine herrliche Hochebene rund um den 2286 Meter hohen Snohetta.
Auf Ochsentour im Dovrefjell
Es ist "die Hütte an sich", die wir hier finden, mitten in der Natur, sozusagen mit den Moschusochsen auf du und du. Finnbu heißt sie – eine Hütte mit einem Namen! – abgeschieden auf einer Lichtung steht sie und gehört zu Fjelle Seter, einem Berggasthof ein ganzes Stück weiter oben. Finnbu ist die pure Romantik aus armdicken Holzstämmen, einem gemauerten Kamin, urigen Balken und gestreiften Teppichen auf dem blanken Holzboden. Strom gibt es, Wasser nur draussen und kalt, ein Plumpsklo in der Scheune gegenüber, wo auch der Berg Kaminholz lagert. Wenn man duschen will, muß man hoch laufen bis zu Fjelle Seter. Da kriegt man auch was Warmes zu essen, gute, deftige Küche, an niedrigen hellen Kieferntischen zwischen ausgestopften Vögeln und Kleintieren vor einem mächtigen Kamin.
Mindestens schon seit 1967 gibt's Finnbu, da beginnt das Gästebuch, und vor uns waren schon andere Motorradfahrer da, die diese erlesene Einsamkeit geschätzt haben.
Wieder ein Ort zum Verweilen.

Was nichts geworden wäre, wenn der Feuermelder recht behalten hätte... Hier haben selbst die einfachsten Hytter so ein Ding, und als Reto feurig den Kamin entfacht, hat er's wohl zu gut gemeint, jedenfalls jault die Sirene auf und will minutenlang nicht wieder aufhören, obwohl es nirgendwo brennt, wo es nicht soll und wir alle Fenster sperrangelweit aufgerissen haben.
Die Farben des Dovrefjells im Sommer sind Braun und Grün in allen Schattierungen. Selbst wenn die Wolken aufreissen, bleibt ausgewaschenes Khaki dominant. Dazwischen, auch jetzt, weiße Schneeflecken, darüber rasende graue Wolken.
Es ist eine Landschaft aus der Urzeit, wie geschaffen für solche Urviecher wie die zotteligen Moschusochsen. Dabei wurden die erst in den 30er Jahren aus Grönland importiert und hier angesiedelt. Die Besitzerin von Fjelle Seter hat uns den Tip gegeben, im Sperrgebiet auf Moschusochsen-Safari zu gehen. Das ist ein Militärgelande, auf dem Sonntags nicht geschossen wird – und wo man sich dann auf ganz bestimmten, festgelegten Wegen bewegen darf.
Wir sind mit nur einer BMW hergekommen, um die scheuen Riesen nicht mit unseren Motoren zu verschrecken.
Vor uns dehnt sich eine schier endlose Hochebene, durchzogen von wenigen Schotterpisten. Wir sind nicht sicher, welche wir befahren dürfen, werden darüber aber verblüffend schnell aufgeklärt, als wir uns nach links ins Gelände schlagen wollen. Mitten auf dem schmalen Weg kommt uns langsam aber bestimmt ein Jeep entgegen und stoppt uns. Mit höflicher Autorität schickt der Fahrer uns zurück auf den Hauptweg.
Der folgt einem strudelnden, schnell fließenden Bergbach aufwärts. Wir fahren langsam, halten Ausschau nach "Wesen, die aussehen, wir große, braune, bewachsene Steine" – so hat es die Wirtin von Fjelle Seter formuliert.
Und tatsächlich: auf einmal sehen wir einen Moschusochsen, drüben auf der anderen Seite des Flusses. Wir halten an, stapfen durch Sumpf und Unterholz bis ran ans Ufer, keine Chance, rüberzukommen, aber auch so sind wir mit dem Ochsen Aug' in Aug'!

Der weidet gemütlich weiter, blickt ab und zu mal auf, zu uns rüber, als wisse er genau, dass wir ihm nicht nahe kommen können, und wir sind ganz leise, bewegen uns kaum, um ihn ja nicht zu verscheuchen.
Aber dann kommt ein Auto, eine ganze Familie steigt aus, bis an die Zähne mit Fotoapparaten bewaffnet, und stürzt sich mit Bohei auf die friedliche Szene.

Der Ochse schaut würdevoll hoch, macht dann kehrt und zottelt davon, erst gemächlich, als müsse er Schwung holen, dann in einem immer schnelleren Galopp, bis das ganze wuchtige Tier förmlich die Steppe erbeben läßt. Das hat nun gar nichts Würdiges mehr, sondern sieht urkomisch aus...
Wir steigen wieder auf die BMW und fahren weiter bergauf, in die Richtung, die auch der Ochse genommen hat. Es wird kälter, hier oben liegen noch Schneereste, und wir sind kurz davor, umzukehren, als wir in einem Seitental eine ganze Herde entdecken – 17 Tiere, winzige Jungtiere dabei und auch ein mächtiger alter Bulle. Ein Traum!
Wie Bisons sehen sie in der Entfernung aus. Wir lassen das Motorrad stehen und pirschen uns zu Fuß an, bis an die Böschung, von der aus es steil bergab geht in das Tal, in dem die Herde weidet. Vielleicht dreissig Meter trennen uns jetzt noch von den Moschusochsen. Wir sind begeistert, völlig fasziniert von den niedlichen Moschuskälbchen, beschützt von ihren gewaltigen Elterntieren.
Irgendwann kommt dann ein Vater mit seinem Sohn, ganz vorsichtig, und erklärt uns, dass wir eigentlich den Moschusochsen schon viel zu dicht auf den Pelz gerückt seien, und dass die, wenn sie sich gestört fühlen, gern auch mal Touristen angreifen (und dabei gelegentlich umbringen). Aber offenbar haben diese Tiere nichts gegen uns, sie entfernen sich nur ganz langsam, grasend und ohne Anzeichen von Beunruhigung.
Wo Ritter springen und Könige reisen
Aus Richtung Fokstua kommend erreichen wir Dombas, den "Einstieg" ins Dovrefjell. In diesem Touristenort werden so ziemlich alle Sportarten angeboten, die das Gebirge so nahelegt, von Klettern über Rafting bis Reiten. Außerdem gibt es einen Trollpark – aber den schenken wir uns, zu kommerziell und allerhöchstens Eltern mit Kleinkindern zu empfehlen.
Auf der E6 kurven wir hinunter ins Gudbrandsdal, wohl das bekannteste Tal Norwegens, berühmt für seine abwechslungsreiche, liebliche Landschaft und darüber hinaus eine uralte Süd-Nord-Verbindung. Jahrhundertelang bereisten die Könige dieses Tal auf dem Weg nach Trondheim, wo sie im Nidarosdom gekrönt wurden.
Bei Sjoa biegen wir ab auf die kurvige 257 Richtung Randsverk, und sofort werden die Wälder tiefer und die Szenerie pittoresker.
Ridderspranget ist unser nächster Stop. Durch den Wald erreicht man auf einem schmalen, steilen Pfad eine tiefe Schlucht, in der ein tosender Fluß sich durch eine enge Klamm quetscht. Der Sage nach ist hier ein guter Ritter mit seiner Braut zu Pferd über das Wildwasser gesprungen und hat seinem Verfolger gedroht, ihn hineinzustoßen, falls er es wage, ihm oder seiner Braut ein Leid anzutun. Wer gesehen hat, wie das Wasser schäumt und tobt, versteht, warum der Böse kehrtgemacht hat...

Während die Natur hier unten trotz des wilden Wassers sanft ist, ein bißchen voralpin mit knorrigen Bauernhöfen und uralten Holzspeichern, erreicht man auf der 51 schon wenige Kilometer weiter wieder Norwegens gewaltigstes Gebirge:
Jotunheimen – riesige, schneebedeckte Gipfel, rund 60 Gletscher, weite, eisige Seen und tiefhängende Wolken, durch die ab und zu Bündel von Sonnenstrahlen dringen wie Laserpointer. Wir genießen die Fahrt immens, obwohl es saukalt ist hier oben und der Wind mit brachialer Gewalt über das karge Hochland braust. Aber der Blick, diese unglaubliche Weite!
Irgendwann werden unsere Finger trotz der Heizgriffe gefühllos, höchste Zeit zum Einkehren und Aufwärmen. Wir finden eine Touristhytter mit Wirtschaft, und ich beschließe, endlich das Nationalgericht Römmegröt zu probieren, eine Grütze aus saurer Sahne und Gries, bestreut mit Zimt. Das perfekte Gericht, um die Lebensgeister wieder aufzuwecken!

Reto bestellt Öretter und stellt sich darunter irgendwas Fleischiges vor, ja, ist sogar davon überzeugt, Fleisch zu bekommen. Tatsächlich stellt die Kellnerin eine Forelle vor ihn hin – die ihn genauso erstaunt anzustarren scheint wie er sie...
Satt und warm steigen wir wieder auf und fahren weiter gen Süden, Fagernes. Das Hochgebirgsfeeling endet abrupt nach einer Kurve – wo eben noch Schnee, Steine und Felsen dominierten, liegen jetzt sattgrüne Weiden vor uns mit fetten Kühen statt mageren Schafen.
Ein Stück folgen wir der E 16, bis wir bei Björgo abzweigen können auf die kurvenreiche, wenig befahrene 33. Breidablikk fliegt vorbei, Dokka, und dann sind wir schon am Randsfjord, der seinen Namen eigentlich gar nicht verdient, weil er kein Fjord ist, sondern ein See.
Die Landschaft hier ist lieblich, fruchtbar, reich. Diesen Reichtum spiegeln die prächtigen Bauerngehöfte wieder, imposante Holzhäuser mit Veranden, Säulen und geschnitztem Zierrat, teils wie aus den amerikanischen Südstaaten, teils viktorianisch anmutend.
Am frühen Abend erreichen wir Oslo und suchen uns ein Hotel. Zentral soll es sein, nicht zu laut und nicht zu teuer.
Das Fönix (500 NK) scheint diese Kriterien zu erfüllen, wir checken ein, duschen und begeben uns auf einen mit Nahrungssuche verbundenen Stadtbummel.
Oslo – die Zivilisation hat uns wieder
Nach so viel Weite und Natur müssen wir uns erstmal umstellen auf die Großstadt. Doch Oslo macht es uns leicht, denn es ist eine charmante, bunte und lebendige Metropole mit viel Grün und viel Wasser.
Allein das Rathaus aus den 50ziger Jahren ist ein monumental häßlicher Zweckbau.
Doch direkt daneben ist der wuselige Hafen und Aker Brygge, das ehemalige Werftgelände. Heute wimmelt es hier von Restaurants, Pubs und Läden, und wir lassen uns auf der Veranda von Louise nieder, einem Restaurant am Kai mit Blick auf die alte Festung Akershus gegenüber.
An unserem letzten Abend in Norwegen schlagen wir nochmal so richtig zu mit Austern und Tartar, Fischragout und Steak...
Später nehmen wir einen Kaffee auf Oslos prächtiger Flanier-und Shoppingmeile Karl Johans gate und sind erstaunt, wieviele Menschen hier auch spät abends noch unterwegs sind.
Zum Abschluß gehen wir auf ein Bier ins Elm Street Rockcafé. Die Musik ist gut und laut, die Luft verqualmt, am Tresen drängen sich langmähnige Heavy Metal- und düster geschminkte Grungefans, und fast alle trinken – Kaffee! Bei den Alkoholpreisen kann der gemeine Freak sich eben keine Dröhnung leisten...
Daß es offenbar trotzdem Alkies und Junkies gibt, merken wir ausgerechnet beim Frühstück am nächsten Morgen – hinten in der Ecke füllt sich eine magere junge Frau verstohlen Orangensaft in eine Plastikflasche ab, gegenüber schreibt ein alter Mann seitenweise bedruckte Zettel mit sinnlosen Kringeln voll und nebenan stecken sich zwei Leute heimlich belegte Brötchen in die Jacken.
Auf Nachfrage bestätigt uns die Rezeptionistin verlegen, dass das Sozialamt hier einige Bedürftige unterbringt, beeilt sich aber zu sagen, die meisten Gäste wären Touristen genau wie wir...
Uns kann's egal sein, wir verlassen die Stadt ohnehin und machen uns auf den langen Heimweg nach Berlin.

Pa gjensyn – Auf Wiedersehen, Norwegen!

Am Oslofjord entlang cruisen wir davon, die alte Lotsenstation Drobak, die Fischerdörfer Vestby, Hvitsen bleiben hinter uns zurück. In Son legen wir einen Stop ein, denn der kleine Badeort mit seinen weißen Holzhäusern, den alten Pubs und den neuen Galerien fasziniert uns.
Auf winzigen, fast einspurigen Straßen fahren wir weiter bis Frederikstad, wo wir Gamlebyen besichtigen, eine der wenigen fast vollständig erhaltenen Festungsstädte Norwegens. Auch heute gibt es Soldaten hier, aber die Touris sind klar in der Überzahl.
Eine Festung, nämlich Frederiksten, ist dann auch so ziemlich das letzte, was wir von Norwegen sehen. Frederiksten liegt oberhalb der norwegisch-schwedischen Grenzstadt Halden, und die Brücke, mit der die E 6 beide Länder verbindet, ist endlich mal ein richtig schöner Grenzübergang – unbewacht und malerisch mit Schären und Booten im Fjord tief unter uns.
Als wir – mit Bedauern - die unsichtbare Grenze unter die Reifen nehmen, wissen wir eines ganz sicher: Tschüss, schönes Norwegen, wir kommen wieder.
Herzlichen Dank an die Autorin Barbara Gantenbein!
www.gantenbein.de


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