Slowakei Tour 2008 (Teil 1)
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Slowakei Tour 2008 (Teil 1)
Eine Tour mit kleinen Landsträsschen, mit wenig Verkehr, in einer Gegend die schön und preisgünstig ist. Ohne Verkehrsstaus, ohne Touristen, ohne Wohnmobile? Da hab ich wieder was für euch.Prolog
Frankfurt, Dienstag, 15.7.2008, km 73061
Der Tag beginnt schlecht. Eigentlich wollte ich früh losfahren, aber ausgerechnet heute wache ich mit knackenden Kopfschmerzen und Übelkeit auf. Ich hab die halbe Nacht noch gearbeitet um fertig zu werden, und jetzt das. Dabei ist strahlender Sonnenschein. Nachdem der Wetterbericht für morgen durchwachsenes Wetter ankündigt, entscheide ich mich dafür, wenigstens die langweilige Autobahnstrecke bis zur Grenze hinter mich zu bringen. Also starte ich nach 18 Uhr. Der Einfachheit halber fahre ich auf die A3 und - mit Ausnahme von dichtem Verkehr bei Würzburg - komme ich schnell und problemlos drei Stunden später in Tröstau kurz vor Wunsiedel an.
Tröstau, Mittwoch, 16. Juli 2008, km 73385
Sonne scheint, der Tag beginnt langsam mit einem ausgedehnten Frühstück bei Freunden, die mir nahelegen, auf jeden Fall als Attraktion in der Nähe das Zisterzienzerkloster in Waldsassen (km 73416) zu besuchen. Es liegt ja ganz in der Nähe, also starte ich so gegen 11 Uhr und fahre hin. Die Wallfahrtskirche ist wirklich ein prächtiger barocker Bau von beeindruckender Größe. Geht man zum Seiteneingang rein, prangt ein großes Schild „fotografieren verboten“ an der Tür. Geht man aber zum Haupteingang rein, ist das Schild durch ein Plakat verdeckt. Das muss der Eingang für die Fotografen sein. Ich schau mir das Innere an. Ganz nett. Echte Katholiken sind bestimmt begeistert.
Bevor ich die tschechische Grenze überquere will ich mir noch ein wenig bayrischen Wald ansehen. Auf der Karte ist da eine Route entlang der Grenze als „landwirtschaftlich schön“ gekennzeichnet. Ich fahre von Waldsassen aus über Wernersreuth, Tirschenreuth, Bärnau, Silberhütte, Eslarn, Schönsee bis nach Waldmünchen. Das ist ja alles gut und nett bei Sonnenschein, aber bayrischer Wald hatte ich mir ehrlich uriger, aufregender, schöner, grüner vorgestellt, ich bin eher enttäuscht.
Tschechische Grenze, km 73526
Ich rufe noch mal zu Hause an um alle neidisch zu machen: mir wärmt sonne den Rücken. Kaum bin ich über die Grenze, ist das wie Eintauchen eine andere Welt. Natürlich, die anderen Straßenschilder, die Straßen, aber auch die Landschaft, die Städte und Dörfer, die Menschen und die Sprache, alles ist jetzt „böhmische Dörfer“. Gleich hinter der Grenze ist bei Chodov eine Gedenkstätte zum Ende des zweiten Weltkriegs. Hier müssen sich russische und amerikanische Truppen gleichzeitig mit den Deutschen bekriegt haben, jedenfalls ist neben dem tschechischen Denkmal und der russischen Gedenktafel auch eine Inschrift und Flagge für amerikanischen Soldaten.
Ich mach einen kurzen Stop in Domazlice (km 73547), da war ich schon mal und da hat sich nicht viel verändert. Aber ein kleiner Spaziergang über den Marktplatz lohnt sich immer. Dann weiter nach Klatovy (km 73579). Klatovy ist ganz nett, die Katakomben unter der „Kirche der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria“ laden ein, besucht zu werden, aber so lange will ich mich nicht aufhalten, und – mal ehrlich – 37 mumifizierte Leichen von Mitgliedern des Jesuitenordens oder Adlige find ich weniger spannend als die Landschaft zwischen den Städten.
Also starte ich mein Gefährt wieder und fahr weiter über Susice, Strasin, Vimperk, Netolice nach Ceske Budejovice (km 73733). Diese Strecke vermittelt gleich wieder das Schweiz & Schwarzwaldfeeling. Das sind zwar keine alpin hohen Berge, aber dennoch viel Grün, viel Wald und immer wieder schöne Aussichten. Auffallend scheint mir, dass die fein geteerten Straßen seit meinem ersten Tschechien-Ausflug mehr geworden sind.
Hinter Vimperg fahre ich nach Pachatice, aber ich will noch etwas mehr auf die Seitenstrassen, also biege ich bei Buk ab, fahre vielleicht 10 km, die Straße wird deutlich schmäler und gewundener. Jaaaa, so liebe ich diese Gegend.
In Kratusin endet mein Ausflug aber plötzlich vor einem Anhänger, der quer auf die Straße gestellt ist und ein Hinweisschild besagt, dass wegen Baustelle alles weitere und bis auf weiteres geschlossen ist. Ich biege davor rechts ab und denke, da muss doch durchzukommen sein, aber ich lande nur im Hof eines Bauern, der gerade mit dem Traktor kommt und mich etwas irritiert ansieht. So viele Motorradfahrer kommen wohl auch nicht an seinem Misthaufen vorbei.
Zurück zum Anhänger. Dort sitzen zwei Männer, ein älterer und ein junger, in einem Lada. Ich weiß nicht, warum die da neben der Straßensperre im Auto sitzen. Vielleicht machen die Verkehrszählung? Oder sie schieben den Anhänger weg, wenn jemand gut genug bezahlt? Ich deute mit Fingern auf meine Karte, frage gestisch den Älteren. Er zuckt mit den Schultern und deutet in die Richtung aus der ich gekommen bin. Also: zurück. Doch wieder auf die breite 145. Hätte ich mit Geldscheinen winken müssen?
Nun ist es 18.30 Uhr, als ich in Ceske Budejovice (Budweis) ankomme. Das Marktplatzleben hat sich aufgelöst, die Restaurants sind kaum besucht. Aber für ein tschechisches Budweiser hab ich keine Zeit, denn eigentlich wollte ich heute bis Telč oder gar bis Brno kommen.
Also fahre ich weiter Richtung Jindrichuv Hradec an ein paar Seen entlang. Die Landschaft ist ganz nett, die Straße aber langweilig, sie geht wie mit der Schnur gezogen geradeaus. Bei Dolna Lhota ist in meiner Karte ein Campingplatz eingezeichnet. Zuerst fahre ich vorbei aber ich kehre kurz vor Jindrichuv Hradec um und finde das Hinweisschild zum Abbiegen.
Tatsächlich. Das ist Autokemp U Skalkiku in Straz nad Nezarkou, natürlich haben sie noch Platz, es sieht ruhig aus und ist idyllisch gelegen. Jetzt ist es kurz nach 19 Uhr, hier bleibe ich. Zusammen mit Zelt und Motorrad koste ich 90 Kč, (so cirka 3,50 €). Ich stelle mein Zelt auf und fahr noch einmal die 9 km bis Jindrichuv Hradec, ein sehr schönes Städtchen, ich finde problemlos ein nettes Lokal bei dem ich noch was Leckeres zu essen bekomme (150 kč also etwa € 6,00 für ein Steak und ein Bier) und ich erfreue mich am Sternenhimmel über mir.
Wie war das mit der Wettervorhersage? Regen, Wind und Schauer? Hehe, nicht bei mir. Nach der Rückfahrt zum Zelt sehe ich noch ein Hinweisschild: 200 Meter vom Campingplatz entfernt gibt es ein Restaurant direkt am Fluss. Da hätte ich auch essen können, die haben sogar bis 23 Uhr offen. Allerdings, es sieht von außen nicht so aus, als würde sich zu dieser Zeit noch irgend ein Gast dort hinein verirren. Ich werfe noch einen Blick auf die Karte und begebe mich zur Ruhe.
wenige km vor Jindrichuv Hradec, Donnerstag, 17. Juli 2008, (km 73826)
Tap. Taptap. Taptaptap. Es muss ungefähr 4 Uhr morgens sein, da werde ich durch die ersten Tropfen geweckt. Das wird nur eine schwarze Wolke sein, die wird weiterziehen, sage ich mir.
Um 7 Uhr regnet es noch immer. Bindfäden. Um 8 lässt es etwas nach. Ich baue mein Zelt ab und binde den tropfenden Sack auf meinen Rücksitz und fahre wieder nach Jindrichuv Hradec. Weiterfahren hat bei dem Regen nicht viel Sinn, also erkunde ich den Ort zu Fuss, ich überschreite den 15. Meridian (ist nicht so schwer) und kaum bin ich zurück am Marktplatz wundere ich mich: dort fährt eine junge blonde Frau mit einer schweren roten Honda vor, und setzt sich auf eine Bank.
Die junge Bikerin kommt aus England und ist mit Ihrem Freund (BMW) auf der Heimreise. Aber an fahren ist ja bei diesem Wetter gar nicht zu denken. So warte ich in einem Café weiter.
Gegen 11 Uhr wird der Regen etwas weniger, meine Parkuhr ist auch schon längst abgelaufen, also, egal jetzt, nun wird weitergefahren. Ich fahre in Richtung Telč.
In Telč angekommen versöhnt mich der Anblick mit dem Wetter. Ich bin hingerissen von dieser Innenstadt die so fast vollkommen die alten Fassaden der alten Renaissance- und Barockhäuser zeigt. Man fühlt sich um Jahrhunderte zurückversetzt. Auf Schritt und Tritt denkt man, hier könnten doch gleich Hermann Hesses Narziss oder Goldmund aus den Torbögen treten – und vermutlich in die Autos einsteigen und wegfahren, die da alle auf dem Marktplatz stehen.
Dann geht’s wieder weiter – aber leider nicht so schnell wie ich dachte. Hinter Telč gibt es einen Stau, weil wohl bei einem Überholmanöver einem Rallyewagen die Straße ausgegangen ist und er sich um einen Baum gewickelt hat. Sah nicht so besonders gut aus. Das schöne neue Auto war Totalschaden. Auf meiner Tour habe ich insgesamt 4 Unfälle gesehen, ganz schön viel. Dieser hier war sicherlich der heftigste.
Eine Stunde später bin ich dann schließlich in Trebic (km 73936). Trebic hat weit weniger zu bieten als Telč. Der Ort verfügt über einen sehenswert zugeparkten Marktplatz und über chaotische Verkehrsverhältnisse. Die Basilika ist viel interessanter, nur leider geschlossen.
Ich habe wohl die einzige Cukrarna an einer Ecke gesehen, und da will ich nun einen Kaffee trinken. Das ist gar nicht so einfach, weil legal parken hier irgendwie nicht geht. Ich stell Iron Lady ins Parkverbot, das muss ja mal 5 Minuten gehen. Ich will gerade in mein Kuchenstückchen beißen, da sehe ich einen Auto- und Menschenauftrieb direkt vor der Tür auf der Straße. Wegen der geparkten Fahrzeuge kommen Busse nicht aneinander vorbei und zwei blau Uniformierte sind bestrebt, den Verkehr zu entwirren. Mein Motorrad steht im Zentrum des Geschehens. Ich signalisiere in der Cukrarna, dass ich meinen Kaffee in fünf Minuten weitertrinke und versuche mein Motorrad aus dem Verkehrsknäuel, das sich nun mittlerweile gebildet hat, zu befreien und ein Plätzchen zu finden, wo ich es halt mal eine Kaffeetasse lang stehenlassen kann. Bis ich zurück in der Cucrarna bin, ist der Kaffee schon fast kalt.
Eine Stunde später komme ich in Brno an (km 74000). Brno ist mit 366000 Einwohner die zweitgrößte Stadt Tschechiens und eine richtige Großstadt. Im Gegensatz zu Brno sind alle anderen Städte nur Dörfer. Entsprechend schwer ist es, sich dort zurechtzufinden. Der normale Trick, ins Zentrum zu fahren und auf dem Marktplatz zu parken, das funktioniert hier nicht mehr. Ich finde aber doch einen guten Parkplatz und mache mich auf, die Stadt zu Fuß zu erkunden. Es ist aber leider schon fast 17.30 Uhr und in Tschechien muss man damit rechnen, dass die Läden um 18 Uhr schon schließen könnten. Ich mach einen kurzen Stadtrundgang, schaue nach einem Internet Cafe.
Zufällig komme ich an der Touristen-Info vorbei und finde zwei PC Arbeitsplätze mit Internetzugang, die gratis bereitstehen – sofern sie frei sind. Nachdem ich dort einem Hardcoresurfer fast eine halbe Stunde meinen Atem in den Nacken blase, hat er ein Einsehen und geht und ich suche mir dort eine Liste der preisgünstigen Übernachtungsmöglichkeiten heraus, denn über Brno haben sich schwarze Regenwolken geballt und ich will nicht schon wieder im Regen zelten, also entscheide ich mich für Pension Janka.
Ohne Stadtplan ist die sicher nicht zu finden, ich habe zum Glück mein Navi dabei und „Steffi“ leitet mich konsequent wie immer. An einer Kreuzung mitten in Brno führt mich „Steffi“ geradewegs auf ein Schild zu, das mir die Durchfahrt verbietet. Baustelle. Zulässig nur für Busse. Ich biege davor ab, aber „Steffi“ beharrt darauf, dass ich umkehre und durch die Baustelle fahre. Nun gut, wo ein Bus durchkommt, kommt auch ein Motorrad durch. Letztlich hilft es zwar nicht, da ich zwar zur Pension Janka finde. Die ist aber irgendwie zu und auf Klingeln öffnet niemand. Also weiter mit der nächsten in der Liste. Das ist Pension Global. Ehrlich gesagt, ohne Navi hätte ich das nie und nimmer gefunden.
Ich geh rein und frag nach einem Zimmer. Die nette Blonde am Tresen beherrscht Deutsch und bestätigt, dass sie noch ein Einzelzimmer für 700 Kronen haben. Damit bin ich durchaus glücklich, ich bring den ersten Teil meines Gepäcks schon ins Zimmer und laufe gerade mit dem zweiten Teil an der Rezeption vorbei, als die nette Blonde lächelnd sagt: „Verzeihung, ich habe ihnen einen falschen Preis genannt“. Da am Wochenende ein Motorradrennen in Brno stattfindet, würden Messepreise gelten. Zur Bestätigung legt sie mir eine ausgedruckte Liste der Messen vor, die mit dem handschriftlichen Eintrag dieses Rennens ergänzt wurde. Und sie deutet mit dem Finger auf die Preisliste, die für diesen Fall 1.890 Kronen vorschlägt, also etwa das zweieinhalbfache. Es ist schon spät am Abend, meine Lust noch eine neue Bleibe zu finden ist ungefähr bei Null. Aber so abzocken lassen? Nein, dann schlafe ich lieber auf einer Parkbank. Ich schwöre, dass ich mit dem Motorradrennen (das ja erst zwei Tage später stattfinden sollte) nichts zu tun hätte und nur auf der Durchreise sei, aber ich würde dann eben wieder mein Gepäck aufsatteln …. Die Blonde meint, sie könne ja noch mal mit ihrem Chef reden, und kurz darauf kommt sie wieder, und sagt, der Chef wäre mit den 700 Kronen einverstanden. Dachte ich mir´s doch. 700 Kronen im Beutelchen sind eben doch besser als nix. Dann bietet sie mir an, mein Motorrad in die Garage zu stellen, damit Iron Lady nichts passiert. Jetzt bin ich schon vorgewarnt und frage, was das denn koste und sie antwortet: nichts. Als ich mir den Schlüssel hole und die Garage aufschließe, denke ich erst, ich hätte die falsche Tür geöffnet. Iron Lady darf in einem veritablen Fitnessraum bleiben ….
Ich fahr am Abend zwar noch mal nach Brno, aber ich finde so auf Anhieb nichts, wo ich essen gehen wollte, also fahre ich zurück und esse in einer Kneipe in der Nähe des Hotels. Im Hotel kann ich dann noch eine Weile im Internet surfen und meinen Lieben zu Hause eine Mail schicken. Dann falle ich in mein Luxusbett und höre das nette Päärchen, das kurz nach mir angekommen ist, in der Etage über mir lustvoll seufzen, bevor ich einschlafe..
Freitag, 18.7. Brno (km 74047)
Ich hab früh Iron Lady aus dem Fitnessraum befreit. Der Tank dürfte ziemlich leer sein, ich weiß nicht, wie weit ich damit noch komme, also wecke ich „Steffi“ und lasse ich mich zur nächsten Tanke leiten. Durch ein Gewirr von Unter- und Überführungen, Brücken und Schleifen biege ich links und rechts ab und wieder rechts, genauso wie es mein Navi will und befinde mich plötzlich auf der Autobahn Richtung Wien. Seufz. Ich seh mich schon irgendwo auf der Autobahn das Mopped 10 km weit schieben, aber zum Glück gibt’s schnell eine Ausfahrt und ich kann wieder drehen. Ich glaub „Steffi“ war noch nicht ganz wach.
Hey, ich habe Glück, der Himmel ist blau und wolkenlos. Ich fahr noch einmal nach Brno hinein. Am Rande der Innenstadt halte ich auf dem Gehweg, um ein Bild von der beeindruckenden Basilika zu machen, als mich ein älterer Herr auf tschechisch anspricht und beginnt von seinen Erlebnissen mit Deutschen und in Deutschland zu erzählen. Verstehen tue ich das nur ansatzweise, aber ich merke, auch das freut ihn. Nach ein paar Momenten gesellt sich dann noch ein junges tschechisches Päärchen dazu und sie fragen mich in perfektem Deutsch, ob sie mir helfen können. Ich muss sie fast enttäuschen, - alles ist in bester Ordnung. Wobei, auch den älteren Herrn muss ich ein wenig enttäuschen, weil, er schlägt mir vor, dass ich ihn zu einem kleinen Bier einlade, da sein Bus erst in einer Stunde fährt. Ich versuche ihn zu vertrösten. Ein andermal. Vielleicht.
Ein wenig von Brno will ich noch sehen. Hier steht die Villa Tugendhat, ein Bauhaus-Bauwerk, das nach Plänen von Mies van der Rohe 1929 gebaut wurde. Ebenfalls wie die Innenstadt von Telč übrigens UNESCO Weltkulturerbe. Mittels Navi finde ich ohne Probleme zur Villa, aber leider ist dieses sehenswerte Bauwerk nur nach Voranmeldung zu besichtigen. Mir wird ein Termin um 13 Uhr vorgeschlagen. 13 Uhr? In drei Stunden? Da wollte ich doch eigentlich das Land bereits verlassen haben. Schade.
Noch ein weiterer Ort interessiert mich: der jüdische Friedhof. Also wieder „Steffi“ bemüht, sie leitet mich zielsicher durch Brno, ich komme sogar wieder an genau derselben gesperrten Straße wie gestern vorbei. Ok. Was gestern ging, muss heute auch gehen. Ich fahre direkt durch die Baustelle und werde am Ende von zwei Herren in blauer Uniform freundlich angehalten. Meine tschechisch Kenntnisse sind nahe Null, aber ich verstehe durchaus, dass sie gerne wissen wollen, ob ich das Schild „Durchfahrt verboten“ denn nicht gesehen hätte. Mir steht der Sinn nicht besonders nach derartigen Interviews und gleich gar nicht auf tschechisch. Ich versuche zu verdeutlichen, dass ich in deutsch oder englisch geneigt sein könnte, zu gestehen. Der freundliche Herr in Uniform ist irritiert, aber dieser zwei Sprachen wohl auch nicht mächtig. Er sieht ein, dass unsere Unterhaltung wohl mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als vorgesehen und gibt mit einem „Ok“ Zeichen, ich solle doch weiterfahren. Gut, ist mir auch lieber so.
Der jüdische Friedhof in Brno zeugt von einer bis zur Nazi-Zeit lebhaften jüdischen Gemeinde. Grabmäler wie Bauwerke, Inschriften, die einen Hauch von Geschichte ahnen und eine Menge von Schicksalen befürchten lassen.
Nun aber will ich weiter ostwärts, Um noch ein wenig schöne Strecke zu fahren, verlasse Brno über einen Hügel nordwärts und schaue noch ein letztes Mal in diese Stadt: von so hoch oben aus sieht Brno mit den Wohnsilos um die Altstadt aus, wie jede beliebige andere Großstadt. Die Basilika – von nahem so beeindruckend hoch oben auf der höchsten Erhebung der Altstadt – von hier außen ist sie bei weitem nicht das größte Gebäude . Wenn man nicht weiß, wo sie ist, kann man sie zwischen den Wohn(hoch)häusern nicht sehen. Aber irgendwo mussten und müssen die Menschen ja wohnen. Mir scheint fast, die böhmischen Städte sind alle ähnlich: um eine nach dem Krieg – mehr oder weniger gut - wieder aufgebaute Altstadt sind die Plattenbauten und Wohngebäude aufgestellt worden. Die schöneren Städte unterscheiden sich von den weniger schönen nur darin, dass es geglückt ist, die Plattenbauten weiter draußen zu bauen …..
Zurück en route. Mehr wegen einer Baustelle und Umleitung, denn aus Absicht verlasse ich Brno nach Norden hin. Ich mache einen kleinen Umweg über kleine Straßen durch Ronov und Kritiny, und es gibt mir einen Vorgeschmack davon, dass es diese kleinen Spaßsträßchen noch gibt. Dann wird’s aber wieder langweiliger, ich muss auch wieder etwas Strecke machen. Ich fahre die 50 über Slavkov und Bucovice und überlasse es dann mal wieder den Wegweisern und den Umleitungsschildern, mich bis Uherske Hradiste (km 74150) zu leiten. Das sind bestimmt mal wieder 20 km Umweg. Da mache ich wieder einmal ein Päuschen.
Wieder ein Städtchen mit einer neu aufgebauten jüdischen Synagoge, die heute jedoch als öffentliche Bibliothek benutzt wird, mit einem wunderschönen, stilvollen Gymnasium.
Dreht man sich rum, steht man allerdings vor einem heruntergekommenen Wohnblock. So nah liegt manchmal Schönheit und Banales zusammen.
Dann gibt’s noch ein Franziskanerkloster oder zwei und ein Haus mit Wandgemälde. Alles in Allem sehr nett, wenn auch nicht sensationell. Die Stückchen aus der Bäckerei sind aber ausgezeichnet.
Knapp eine Stunde später überfahre ich die Grenze zur Slowakei.
In Trencin (km 74286) will ich meinen ersten Stopp machen, denn jetzt brauche ich dringend konvertibles Geld. Bevor ich einen Kantor (Geldwechsler) finden kann stehe ich aber gut 30 Minuten im Stau und finde dann alle legalen Parkplätze belegt. Ich stelle mein Motorrad so halblegal ins Halteverbot. Das ist ja auch noch in unmittelbarer Nähe der Polizeiwache, aber ich habe jetzt keinen Nerv, noch lang rumzusuchen, und für den bewachten Parkplatz habe ich keine passende Währung.
Trencin ist ein lohnenswertes Städtchen. Der alte Stadtkern (auch hier mit einer wieder aufgebauten Synagoge) liegt am Fuße eines Berges – oder sagen wir besser „Felsen“ – auf dem die Marienburg offenbar gut erhalten liegt. Diese Burganlagen sind ausgesprochen groß und wäre es nicht ganz so spät, würde ich das gerne besichtigen. Also, ein andermal. Außerdem verpasse ich eine römische Inschrift aus dem Jahre 179 n.Chr., die unterhalb der Terasse des Hotels Tatra zu finden ist. Das kann ich aushalten, römische Geschichte ist sowieso nicht so mein Ding.
Ich fahre entlang der Veh ein paar Kilometer die 61 in Richtung Norden um bei Illava die kleine Straße 574 Richtung Prievidsa zu nehmen. Kaum verlässt man die vielbefahrenen Hauptverbindungsrouten, wird die Landschaft viel schöner, das gilt auch hier.
In Bojnice (km 74286) sehe ich ein Wasserschloss und mache kurz Pause. Das Schloss ist das meistbesuchteste in der Slowakei, so erfahre ich. Es sieht schon etwas nach Disney Land aus. erstmals erwähnt wurde es aber deutlich vor Disney, nämlich schon 1113 n.Chr. während es aber seine den französischen Loireschlössern nachempfundene Anmutung erst zwischen 1888 und 1909 erhalten hat.
Ich stell mein Motorrad in einer kleinen Straße in Sichtweite ab und erkunde die Burg. Als ich zurückkomme muss ich warten, denn es findet eine Art Prozession statt: Zwei Polizisten sperren die Strasse, eine feierliche Menschenmenge schreitet über den Weg, die kirchlichen Würdenträger vornedran, dahinter die Ortspolitiker und dann das gemeine Volk. Als die Prozession vorbei ist, schau ich mir am Motorrad noch die Karte an, da stehen die zwei freundlichen Polizisten neben mir. Ob sie mir helfen können, verstehe ich. Sie weisen mich (sehr freundlich) darauf hin, dass ich nicht parken darf, wo ich jetzt parke, sie erklären mir den Weg und dann sind sie sogar noch so freundlich, den Verkehr zu regeln, damit ich wieder auf den rechten Pfad finde.
Ich fahre weiter über Prievidza, biege ab Richtung Norden bis Nitranske Pravo und fahre wieder Nebenstraße in Richtung Turcianske Teplice. Diesen Ort mit dem seltsamen Namen will ich mir ansehen, aber ich finde das Zentrum nicht. Entweder ist das Zentrum das Einkaufszentrum oder aber eine Gewerbeansiedlung. Aber die wenigen Wegweiser helfen nicht weiter, also verlasse ich nach wenigen Umkurvungen den Ort und fahre wunderschön in Richtung Banska Bystrica.
Banska Bystrica (km 74419)
Es ist schon wieder Viertel vor 8 als ich dort ankomme. Gerne wäre ich weitergefahren nach Banska Stiavnica, dort sind nämlich drei Zeltplätze eingezeichnet und hier nur einer. Aber dazu würde ich wohl noch mal 45 Minuten brauchen, und dann wäre dunkel. Ich will erst mal hier bleiben. Das erste, was ich sehe, ist, dass der Lidl nur noch eine Viertelstunde geöffnet hat und so gehe ich erst mal Notnahrung einkaufen, damit, wenn schon kein Dach über dem Kopf, dann wenigstens nicht hungern. Dann versuche ich den Campingplatz zu finden, der in meiner Karte verzeichnet ist, der müsste in Tajov liegen. Ich fahre und fahre, finde aber keinen Campingplatz oder Hinweis. Ich versuche es südöstlich – trotzdem, es ist nichts zu finden. Ich fahre wieder in das Zentrum, schau mir die Altstadt kurz an und dann frage ich am Taxistand, ob sie denn ein „Autokemp“ kennen. Klar, sagen die, hinter Tajov. Keiner von Ihnen spricht englisch, deutsch oder polnisch. Aber einer der Taxifahrer erklärt mir geduldig und auf slowakisch, wie ich dorthin fahren muss. Ich habe das sehr gut verstanden und das hätte alles auch fast geklappt, wäre da nicht die Umleitung gewesen und die Stelle, an der ich falsch abgebogen bin. So bin ich lange durch Banska Bystrica gefahren, habe plötzlich einen Lidl gesehen und dann gemerkt, dass es ein ganz anderer Lidl ist. Ein Fussgänger am Weg - ich habe gefragt und der gute Mann war ganz verzweifelt, weil er mir nicht erklären konnte, wie ich nach Tajov komme. Ich fahre weiter in die Richtung, die er mir zeigt, und plötzlich stehe ich an einer Stelle, die mir bekannt vorkommt: Genau hier war ich nach Banska Stiavnica hinengefahren. Jetzt finde ich auch meinen Lidl wieder, und die Straße nach Tajov. Hier fahre ich jetzt schon das zweite Mal. Ich hätte es sehen können, das Hinweisschild auf den Autokemp, wäre ich beim ersten Versuch 500 Meter weitergefahren. Jetzt habe ich wieder Hoffnung. Es kommt mir ewig vor, ich fahre und fahre und sehe dann wieder ein Schild „Autokemp“. Nach weiteren Kilometern frage ich noch mal und bekomme den Hinweis noch weiter zu fahren und dann – es dämmert schon, ich fahre durch Tajnov durch finde diesen Autokemp und die Rezeption macht für mich sogar noch mal auf und knöpft mir erstaunlich viele slowakische Kronen ab. Ist mir aber egal. Hauptsache keine Diskussionen über Messepreise. Ich kann mein immer noch nasses Zelt im Wald aufstellen, ich esse meine bei Lidl gekauften Müsli Riegel und bekomme an der Zeltplatzkneipe sogar noch ein vom Fass gezapftes Bier.
Samstag, 19.7., Tajnov (km 74419)
Was Neues: mal eine Nacht ohne Regen, Ich klappe früh mein Zelt zusammen und gegen 8 Uhr starte ich den Motor auf dem ansonsten totstillen Zeltplatz. In der letzten Nacht haben noch Jugendliche gegrölt, aber grundsätzlich herrscht auf den Zeltplätzen der Slowakei totenstille. Ich schau mir zunächst noch mal Banska Bystrica an und gönne mir einen Kaffee und Stückchen.
Dann aber weiter. Ich fahr ein Stück Autobahn bis Zwolen und dann die 50 weiter bis Bzenica, das ist langweilig, aber dort biege ich Richtung Banska Stiavnica ab und sofort bin ich wieder auf einer interessanten kleinen Landstraße, die sich den Berg hinauf schlängelt und mir oben den Blick über die Slowakei freigibt.
45 Minuten nach Start bin ich in Banska Stiavnica (km 74499). Aber hier ist von den in der Straßenkarte eingezeichneten Campingplätzen real nichts zu sehen, da hätte ich mich bestimmt dusselig gesucht, wäre ich gestern hierher weitergefahren. Dafür aber fällt mir heute eine deutliche Polizeipräsenz auf und Halteverbote im Ortskern (wie übrigens fast überall in der Slowakei). Ich finde doch ein Plätzchen für mein Mopped und suche den Marktplatz, aber dort ist ein Fest und ich soll erst mal 30 Kronen bezahlen für die Tageskarte. Das ist nicht so arg viel Geld aber ich habe nicht vor, lange hier zu bleiben und würde wenig von dem folkloristischen Programm haben. Ein paar nette Worte mit den Damen an der Eingangsschranke, und ich darf ausnahmsweise kostenlos ein Blick in die Innenstadt werfen.
Banska Stiavnica ist ganz behaglich in die Berge gebaut, es hat was italienisches oder spanisches an sich. So, nun aber weiter. Über Povne, Prencov fahre ich bis Hortianske Nemce, dort auf die E77 Richtung Norden um nach wenigen Kilometern in Devicie wieder abzubiegen und über Land zu fahren. Bzovic bis Senohrad und Zabava, dort biege ich wieder einmal falsch ab und lande wieder in Senohrad. Der Wegweiser war doch etwas schusselig angebracht. Das muss man einfach einkalkulieren, dass man von der Beschilderung manchmal in die Irre geleitet wird und noch mehr von diesem Land kennenlernt, ohne es ausdrücklich zu wollen. Aber im zweiten Anlauf klappts und ich gelange über Zajezowa und Dolinki bis auf die 50 bei Viglasski Samok. Die Route über diese Nebenstraßen ist wieder sehr erholsam, es gibt ja fast keinen Verkehr und die Landschaft ist einfach angenehm. Allmählich muss ich aber mal tanken, es ist Samstag und manche Tanke könnte früh schliessen. Deswegen fahre ich auf eine „rote“ Straße und finde erwartungsgemäß nach wenigen Kilometern eine geöffnete Tankstelle. Danach geht’s weiter nach Osten und bei Krivian auf die 568 Richtung Norden.
Durch eine Landschaft, die doch sehr an die Schweiz erinnert fahre ich über Hrinova, Lom und Cierny Balog bis nach Brezno. Seltsam, heute begegnen mir unglaublich viele freundlich winkende Motorradfahrergruppen.
Brezno (km 74651)
Als ich dort im Stadtzentrum ankomme, weiß ich, warum mir so viele Biker begegnet sind. Ich sehe hunderte von Motorrädern und Bikern, die sich rund den Marktplatz versammelt haben. Zwar tragen fast alle slowakische Kennzeichen, aber ein paar wenige englische, deutsche, österreichische und tschechische Nummernschilder sehe ich auch. Auf dem Marktplatz machen sie Zirkusstückchen mit Motorrädern und die anwesende Polizei vermittelt mir den Eindruck fatalistischer Machtlosigkeit. Die Idee einiger tschechischer Biker, das Kennzeichen verkehrt rum anzuschrauben, hat schon was revolutionäres, aber ich fürchte, real bringen tut das auch nicht. Immer wieder bricht ein kleines Grüppchen auf, ein anderes kommt an.
Nun ist es ja ganz nett, aber zu einem Motorradtreffen bin ich nicht in die Slowakei gekommen. Überdies sieht es danach aus, als ob die besten Plätze in den Cafes bereits durch Motorradfahrer besetzt sind. Eine Tasse Kaffee in Ruhe – nein, daraus wird hier bestimmt nichts. Also fahre ich weiter.
Meine Strecke führt mich jetzt ostwärts. Ich fahre die 530 nach Tisovec (km 74684) und mehr zufällig als geplant stelle ich mein Fahrzeug vor der wohl einzigen Kaviarna des Ortes ab. Bei einer Tasse Kaffee kann ich die weitere Route planen.
Eigentlich, so stelle ich mir vor, fahre ich die 531 nach Hnust´a und dort über die Nebenstrassen die 526 über Ratkova nach Jelsava. Aber ich verpeile mich leicht weil ich den Wegweisern folge und ich lande in Revuca.
Auch nicht so schlimm denke ich, es ist erst 16 Uhr, ich hab noch Zeit, also mach ich eben einen kleinen Umweg über Zelesnik nach Ratkova und dann Jelsava, das sind vielleicht 15 km mehr. Die Straße ist so klein, dass Wegweiser nicht mehr angebracht sind. Dann wird die Straße zum unbefestigten Weg der zudem plötzlich Serpentinen scharf wie Rasiermesser hat. Mir bricht leicht der Schweiß unter der Motorradjacke aus, nicht wegen der Hitze, sondern mehr angesichts der Vorstellung, da könnte ein Holzlaster oder Traktor entgegenkommen.
Und dann breche ich den Umweg ab, das ist mir ohne zusätzliches Endurotraining einfach zu gefährlich. Einmal davon abgesehen, dass ich für die 15 km Umweg bestimmt eine Stunde Zeit brauchen werde. Hektisch hole ich den Fotoapparat raus, weil ich in der Ferne irgend einen Laster oder Traktor herannahen höre. Das hätte mir noch gefehlt, wenn ich dem noch ein paar Kilometer hinterherfahren müsste ohne überholen zu können.
Also nun reumütig zurück auf die breite, bequeme Normalrennstrecke und jetzt will ich meinem Gefährt doch auch mal ungarische Straßen zeigen. Zugegeben, nicht so sehr wegen der Landschaft, eher deswegen, um auch mal in Ungarn gewesen zu sein, überquere ich in Aggtelek die Grenze zu Ungarn (km 74758)
und fahre schwupps durch ein Naturschutzgebiet und an einem Campingplatz vorbei, da scheint die Welt sowas von heil zu sein, dass es aus „schöne neue Welt“ stammen könnte. Junge schöne Menschen spielen Federball, die Kleinen auf speziellen Spielplätzen, alles sauber und ordentlich. Drehen die hier einen Film? Einen Moment überlege ich mir, ob ich vielleicht doch hier bleiben will. Aber es ist ja noch zu früh am Tag.
Also fahre ich über Jösfavö durch diesen Naturpark ungefähr der Grenze entlang. Ungarn kommt mir ganz anders vor, im Vergleich zu Slowakei topfeben. Ich fahre etwa 30 km über Szin durch Ungarn und dann in Hosfoce wieder zurück über die Grenze zur Slowakei bis nach Moldava nad Bodvou. Eine schwarze Wolke kreist über mir, es sieht so aus, als würde sie mich verfolgen um sich gerne über mir auszuweinen, aber mehr als ein paar Tröpfchen kommen nicht raus.
Ich habe mich für Kosice als nächstes Etappenziel entschieden, will aber noch ein wenig Umwege fahren, es ist ja noch viel zu früh, um schon ein Nachtlager aufzuschlagen. Die 550 führt mich nach Jasov und da trifft es mich unvorbereitet. Ich sehe das Gegenteil von der heilen Welt, die ich noch eine Stunde vorher gesehen habe.
Zuerst denke ich, vielleicht ist die Messe in der Kirche gerade zu Ende gegangen, weil so unglaublich viele Menschen auf den Straßen unterwegs sind. Und dann sehe ich, dass sie alle ausgesprochen dunkle Haut haben. Dutzende von Menschen in kleinen Gruppen zu Fuss unterwegs. Wie in einem Bienenkorb. Nach ein paar Hundert Metern sehe ich: die Bewegung geht von einer kleiner Ansammlung von Holzhütten aus, die mich an ein brasilianisches Slum erinnern. Kleine zusammengenagelte Holzhütten eng aneinander, Wäsche auf Leinen, viele Menschen. Ich traue mich nicht, anzuhalten und zu Fotografieren. Ich habe den Eindruck, hier beginnt eine ganz fremde Welt, in die ich eindringen würde. Und dann sind diese Siedlung und diese Menschen auch schon vorbei. Alles sieht wieder völlig normal aus. Die anfangs noch eher langweilige Strecke bis Medzev bekommt zwischen Stos und Smolnik mit den Serpentinen plötzlich das Salz in die Suppe und am Ortseingang von Smolnik wartet eine neue orthodoxe Kirche mit vergoldeten Türmchen wie im Märchen auf mich.
Dann folge ich der 458 weiter zunächst nach Hnisek nad Hnilcom, Gelnica. Dort sehe ich eine Tankstelle, nutze die Gelegenheit und biege dann Richtung Osten und Richtung Kosice ab. Ich fahr nach Velky Polkmar hoch und die fantastische Aussicht auf die Nebel über den Wäldern im Tal, die sich vor mir auftut, veranlasst mich zur Vollbremsung. Was für eine fantastische Aussicht.
Es dauert einen Moment, bis ich mich sattgesehen habe, dann fahre ich weiter, ich komme zwar an den Seen vorbei, die in der Karte verzeichnet sind. Die drei Campingplätze allerdings – ebenfalls eingezeichnet – sind in Wirklichkeit leider nicht vorhanden. So komme ich nach Kosice, ohne einen Zeltplatz gefunden zu haben.
Kosice ist erstaunlich groß. Großstadt. 234000 Einwohner, Universitätsstadt, ein Zentrum der slowakischen Minderheit der Roma. Ich fahr in das Zentrum, erwische bei den Straßenbahnschienen um ein Haar ein kapitales Schlagloch, ich parke mein Motorrad an der Fußgängerzone und gehe ein paar Schritte durch die Innenstadt. Jetzt kann ich die Suche nach einer Unterkunft aber nicht mehr dem Zufall überlassen Mit der Hilfe meines Navis stelle ich fest, dass ich sozusagen direkt vor einer Pension stehe. Ein Restaurant mit Pension, besser gesagt. Und preisgünstig. Ich geh rein und frag, aber die Antwort ist ablehnend: alles Voll.
Gegenüber ist das Hotel Bristol, aber eine Ahnung in mir sagt, dass das nicht meine Preisklasse ist. Und ich sollte Recht behalten, dort beginnen die Preise für Einzelzimmer ab etwa € 125,00 pro Nacht. Aber nebenan, da gibt es noch das Horse Inn. Von außen sieht das nach drittklassiger Absteige aus, ich gehe hinein. Am Ende des Flures ein Tischchen, hinter dem die Empfangsdame sitzt, die mich keines Blickes würdigt. Die Preisliste ist dort auch befestigt und zeigt immer noch satte € 67,00 für ein Einzelzimmer an. Dieses Preisniveau erschreckt mich. Wie mögen hier wohl die Messepreise aussehen? Bin ich hier nicht in der Slowakei, wo alles billiger ist ?? Aber ich bin bei der Fahrt hierher an mindestens 12 Pensionen vorbeigekommen, also ich heize an und fahr den fast gleichen Weg zurück. Da muss doch noch was zu finden sein. Vorbei am Hotel Stadion (wäre noch eine preisgünstige Alternative gewesen), sehe das Schild zur Pension „Zlaty Jelen“ aber sehe dann eine gemütliche Unterkunft, nämlich das „Baranok“. Das ist zwar am Ende genauso teuer, wie das Horse Inn, es macht aber wenigstens einen freundlichen Eindruck. Lust zum Weiterfahren habe ich nicht sondern eher Hunger, also nicke ich, als mir die Empfangschefin nochmal den Preis verdeutlicht und nach einem Blick auf meine Motorradstiefel zur Sicherheit nachfragt, ob ich das Zimmer wirklich nehmen will. Ich will und beziehe mein Zimmer mit Fernseher, angenehmer Dusche, Betthupferl, Minibar (da stelle ich schon mal meine zwei Dosen Bier hinein) und – das hab ich ja noch nie gesehen: Wasserkocher mit Teebeutel und Nescafe. Ich habe aber Hunger. Hier ins Restaurant? Nein, ich fahr lieber in das Stadtzentrum. Ich schwing mich auf Iron Lady und fahre über die Straßenbahnschienen, wieder haarscharf am vorbei Schlagloch bis in die Fußgängerzone. Es ist gegen 21 Uhr, viele Menschen sitzen auf den Bänken vor den Kneipen. Aber richtige Speiselokale? – das ist schon schwerer zu finden. Schließlich entdecke ich eines, und der Kellner bestätigt auch, dass es noch was Warmes für mich gäbe.
Ich war noch nie in einem so lauten Restaurant. Die Gäste – hauptsächlich junge Männer – diskutieren laut und heftig, dabei rochieren sie immer wieder zum Ausgang und zurück. Ich bin froh, dass ich meine Putenschnitzelüberraschung schnell bekomme. Das Schnitzel allerdings ist größer als der Teller und liegt schwerer im Magen, als Schwermetall. Ich bedauere sowohl, dass ich nicht im Baranek gegessen habe, wie auch, dass ich keinen Magenbitter bei mir habe. Also morgen, Einkaufsliste. ….
Das Hotel ist nachts von zwei Portiers bewacht. Die erwarten mich schon freudig als ich um halb 11 komme. Es hat sich schon rumgesprochen, dass so ein verrückter Deutscher mit dem Motorrad gekommen ist. Der eine will Iron Lady sofort sehen und ist entzückt. Vor drei Wochen hat er sich die BMW 1200 GS Adventure bestellt (Wie kann sich so ein Hotelnachtportier so was leisten? Ich hätte mal fragen sollen. Obwohl, bei den Preisen…). Beide beruhigen mich, sie werden mein Motorrad vor dem Hotel die ganze Nacht nicht aus dem Auge lassen, das wäre so sicher wie in Abrahams Schoss. Natürlich glaube ich ihnen. Nur vorbeugend teile ich mit, dass so ein altes Motorrad mit bald 80000 km sowieso keiner klauen würde. Ich probier den Fernseher aus (verdammt, haben die nur RTL2 hier?) und hole mir noch ein kühles Bier aus der Minibar (das andere vergesse ich am anderen Morgen dort, schade eigentlich) und telefoniere noch mit meinen Lieben im 1250 km entfernten Frankfurt. Dann aber geniesse ich mein King-Size-Luxus-Bett.
Werde ich wieder zurückfinden? Wird das Motorrad samt Gepäck geklaut oder versinke ich auf Nimmerwiedersehen in einem Schlagloch? All das ist im zweiten Teil zu erfahren.
Kommentare
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>>>Wieso erwartest Du hier vom Forum mehr als Du vom Leben erwarten kannst??
Uschi, das Leben als solches ist nicht fair.
Wieso erwartest Du hier vom Forum mehr als Du vom Leben erwarten kannst??
Was die Punkte anbetrifft, da ist es ja jedem frei gestellt überhaupt welche zu vergeben. Hier haben von 82 immerhin 27 bewertet, das ist ein recht guter Schnitt von einem Drittel.
Nur weil es Leute gibt, die Artikel schlecht bewerten, allen die Möglichkeit, dem Schreiber ein paar zusätzliche Poolis für Schneebälle zukommen zu lassen, wegzunehmen halte ich für falsch.
Das wäre zwar ein typisch deutsches Verhalten, aber hier auf Biker.de müssen wir ja nicht so typisch deutsch sein :-))
Dann wäre es doch sehr sinnvoll, wenn die Punkte-Vergabe schlicht aufgehoben wird. Einfach nur lesen und seine Meinung dazu schreiben und damit dem "Kindergarten-Niveau" den Nähr-Boden entzieht.
Alles andere ist am Ende doch nur ärgerlich, weil eben die Fairness in diesem Forum eine höchst untergeordnete Rolle spielt....
Unser TucTucfahrer hat in Agra fast einen überfahren *fg* Dachte der fährt an eine Hauswand, war aber das rechte Vorderbein eines Elefanten :-)))
die hab ich in Dehli auf der Straße nicht gesehen :-)
womit ich nichts über deren Anwesenheit im Forum gesagt haben will :-)))
Elefanten haste vergessen :-)
Ist doch eigentlich ganz einfach...
alles was sich hier im Forum so herumtreibt bevölkert in Dehli die Strassen:
Motorradfahrer/innen
Fahradfahrer/innen
Fußgänger
Esel
Kamele
Kühe
Ochsen
Dort funktioniert der Verkehr trotzdem :-))
naja, falls tatsächlich jemand "versehentlich" die EINS vergeben haben sollte, dann hab´mich grade eben versucht mit der Wertung am anderen Ende der Skala auszugleichen :-))
Punkte hin oder her:
Dein wirklich klasse zu lesender Bericht hat in mir Erinnerungen an unseren Tschechientrip im letzten Jahr geweckt..., wobei mir die Gegend im Böhmischen Teil persönlich viel besser gefallen hat als in den Mährischen Niederungen - weshalb wir damals auch nach einem kurzen Abstecher nach Budweis wieder mehr in Richtung Böhmen kehrt gemacht hatten.
Aber ein einem muss ich Dir unbedingt zustimmen:
sooooviel unberührte Natur und kleine und kleinste Sträßchen..., auf denen wirklich nur verflucht wenig los ist, findet man sonst nur schwer in Europa.
Wunderschön und jederzeit zu empfehlen!
ey Mustang, da hast du völlig recht. Das mit den Punkten ... da hat sich vielleicht jemand vertan und gedacht, 1 wär die beste Note. egal.
Ich danke euch allen für die Kommentare. Und: bis bald zum zweiten Teil.
against the wind
... mal ehrlich, gebt ihr wirklich was auf die Punkte? Mich interessiert das geschriebene oder gesprochene Wort, der Rest ....... pffffff