USA-Tour 1996
Wegstrecke | 10000 km |
Länder/Regionen/ Wegpunkte |
USA/Kalifornien/Arizona |
Straßenart | Landstraße |
Tour-Motorrad | |
Schwierigkeit | mittel |
Schlagworte | USA Tour |
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USA-Tour 1996
"Sind Harleys unzuverlässig?"Dies sind die Erlebnisse auf meiner 4. und vorläufig letzten USA-Tour. Die letzte USA-Tour aus dem Grund, weil der Dollarkurs und auch die Harleypreise in USA nach 1996 "explodiert" sind und ein Motorradurlaub dort einfach zu teuer geworden ist.
Die nachfolgend geschilderten Erlebnisse sollen mehr einen Eindruck vom Kampf zwischen Mensch und Motorrad geben, als die landschaftlichen Vorzüge der USA zu lobpreisen.
Wie kommt man zu einem Motorrad für einen längeren USA-Trip? Nun, da gibt es mehrere Möglichkeiten. Die teuerste für 7 Wochen Urlaub ist mieten - völlig unakzeptabel, egal, welches Bike man mieten möchte. Hier wird abgezockt ohne Ende.
Für uns kamen nur 2 Möglichkeiten in Frage: Die eigene Harley mit dem Flieger mit rüber nehmen oder drüben eine gebrauchte Harley kaufen und nach dem Urlaub mit nach Deutschland nehmen und hier wieder verkaufen. Letzteres hatten wir schon erfolgreich bei den vorangegangenen 3 USA-Touren praktiziert. Wie gesagt, bis 1996 waren Dollarkurs und Harleypreise in USA noch günstig und beim abschließenden Verkauf der Harleys in Deutschland war der Urlaub durch den Gewinn finanziert, teilweise blieb sogar noch was übrig. Das waren noch Zeiten!
Falls jemand Genaueres über den Harleykauf in USA ( wo, wie, Zulassung, Versicherung, Verschiffung, TÜV, Zoll etc.) wissen will, kann er/sie mich ja mal anmailen.
Das Beherrschen der englischen/amerikanischen Sprache ist natürlich Voraussetzung.
Ebenso sollte man über die Harleytechnik gut Bescheid wissen. Beides ist sehr hilfreich beim Gebrauchtkauf.
Der Harleykauf ist aber derzeit völlig unrentabel! Vergesst das! Außer man findet Sponsoren und kann die Tour werbetechnisch für seine Firma vermarkten (s. Bericht von jj1963, Tourenberichte Seite 12).
Zum Verständnis des nachfolgenden Berichtes muss ich noch auf eine Besonderheit der amerikanischen Harleyfahrer hinweisen: Jeder, auch wenn er noch so wenig Ahnung von Harleys hat, bezeichnet sich als "specialist". Das bedeutet, jeder schraubt und baut an seiner geliebten Harley rum was das Zeug hält. Und das Angebot an völlig untauglichen und sogar gefährlichen Zubehörteilen ist riesig. Man bekommt praktisch keine gebrauchte Harley zu kaufen, an der nicht rum gepfuscht wurde. Die Ausfahrten der US-Biker beschränken sich meist auf Trips ins nächste Cafe oder zum aktuell angesagten Szenetreff. Da fallen natürlich etwaige nachteiligen Eigenschaften der angeschraubten Teile nicht auf. Aber auf längeren Touren..........??
Über unsere Erlebnisse in L.A. beim Harley Gebrauchtkauf von Privatpersonen (nicht von Händlern - zu teuer und meist kein license plate mehr drauf) könnte ich auch einiges berichten. Das hole ich aber später nach.
So, da stehen wir also endlich alle startklar mit vollgetankten Bikes vor einem Motel in Calabassas/L.A. Wir - das sind Hermann (Harley Heritage, gebraucht in L.A. gekauft), Antje (Harley Heritage mit dem Flieger mitgenommen), Kurt (Harley E-Glide mit dem Flieger mitgenommen), Erna (Harley Sportster, gebraucht in L.A. gekauft), meine Wenigkeit (Harley Heritage, gebraucht in L.A. gekauft), Fanta (gemietete BMW R850R, weil er nur 3 Wochen Zeit hat). Sozia Laura, die letzte im Bunde, wollen wir später in Phoenix/Az. abholen.
Nix wie weg von L.A. Die Luftverschmutzung ist hier so stark, dass man als Jethelm-Fahrer innerhalb kürzester Zeit ein rußgeschwärztes Gesicht hat. Von der Interstate15 biegen wir südöstlich von L.A. Richtung Palomar Mountains ab. Schon nach 130km muss ich bei meiner Heritage auf Reserve umschalten. Völlig ungewöhnlich! Säuft die so?!
Na ja, sie hat ja auch einen Super Hitech Mikuni Flachschieber Rennsportvergaser drauf, offene Auspuffanlage und eine Andrews Sportnockenwelle (alles Aftermarket Teile). Da kann sie schon mal "etwas" mehr Sprit verbrauchen, denke ich für mich und tanke voll.
Registriere dabei aber noch nicht, dass ich nur ca. 8l rein bringe in den Tank, der auch ein Aftermarket Teil mit größerem Volumen ist.
Nach weiteren 100km wieder auf Reserve umgeschaltet. Ausgerechnet jetzt mitten in den Palomar Bergen. Traum-Motorradstrecken, aber keine Tankstelle weit und breit. Dann geht endgültig nix mehr. Sprit alle. Nun, die Heritage hat 2 getrennte, aber mit einem Schlauch verbundene Tankhälften und 2 Einfülldeckel. Die linke Hälfte mit dem Benzinhahn war leer, die rechte fast voll. Es läuft also kein Sprit von rechts nach links!
Aber warum?! Es stellt sich raus, dass der Schlauchanschluss der linken Tankhälfte bei der Herstellung des Tanks versehentlich zugeschweißt worden war. Ich muss mich also zumindest kurzfristig damit abfinden, dass ich nur die linke Tankhälfte mit ca. 9l nutzen kann. Sprit kurz umgefüllt und weiter geht's. Wir tauchen aus den kühlen Bergen hinab in die heiße Wüste Richtung Yuma, vorbei am Salton Salzsee ca. 100m unterm Meeresspiegel.
Es dämmert schon, aber es ist immer noch affenartig heiß. Später erfahren wir, dass Süd-Arizona seit Tagen eine Hitzewelle durchleidet mit tagsüber 48°C!
Wir übernachten in El Centro kurz vor Yuma.
Ziel des nächsten Tages soll die Sonora Wüste bei Tucson mit den berühmten Saguaro Kaktussen sein. Aber es kommt alles anders als gedacht.
Bei frühmorgendlicher Affenhitze starten wir und überschreiten bald bei Yuma die Grenze von California nach Arizona. Die Hitze ist absolut mörderisch. Wir schütten uns während der Fahrt Wasser aus Plastikflaschen ins Gesicht und auf die Brust. Nach Yuma führt die Interstate 8 direkt in die flirrende einsame Wüste entlang der mexikanischen Grenze Richtung Tucson. Ich denke: Nur jetzt keine Panne hier in the middle of nowhere bei 48°C. Kaum gedacht, sehe ich zufällig im Rückspiegel wie Kurt mit seiner E-Glide plötzlich seltsame Schlingerbewegungen vollführt und dann am Straßenrand stehen bleibt. Reifenpanne ist mein erster Gedanke. Aber nein. Viel schlimmer! Das Hinterradlager hat gefressen, die Steckachse hat sich in Folge mitgedreht und die Schwinge mit samt dem Bremssattelwiderlager zerstört. Alles ist miteinander verschweißt! Nix dreht sich mehr. Ratlosigkeit ist in allen Gesichtern sichtbar. Die Sonne knallt erbarmungslos runter und kein Schatten weit und breit. Ich merke, wie mir schwindlig wird. Akute Hitzschlaggefahr.
Mir fällt ein, dass ich ein paar hundert Meter vorher links ein oder zwei einsame und unscheinbare Gebäude habe stehen sehen. Die Gebäude stellen sich als Tankstelle mit Geschäft heraus und wir verkrümeln uns erst mal dorthin. Echt Glück im Unglück. Kurt kann sein Hinterrad wieder etwas drehbar machen und quält seine E-Glide die paar hundert Meter zur Tankstelle. Danach ist die Schwinge und die Hinterradfelge total am Ende. Der Tankstellenbesitzer bietet uns an, die E-Glide auf seinem Pick Up zum Harley Händler in das ca. 120km entfernte Phoenix zu transportieren. Gegen Bezahlung selbstverständlich. Kurt akzeptiert zerknirscht und frustriert.
Wir kommen bei Dunkelheit in Phoenix an. Ein Hexenkessel. Das Tal um Phoenix heißt ja auch "Valley of the sun". Die Hitze ist hier in der Großstadt noch unerträglicher. Unser Motel hat im Innenhof einen swimmingpool, aber der Aufenthalt dort ist eine thermische und akustische Qual, weil die Klimaanlagen aller Zimmer ihre heiße Abluft in den Innenhof blasen und die Kompressoren dabei einen Höllenlärm veranstalten.
Am nächsten Tag erfährt Kurt vom Harleyhändler, den wir übrigens von unseren früheren Touren schon gut kennen - aber das ist wieder eine andere Geschichte -, dass die Reparatur 4 Tage dauern wird. In der Zwischenzeit kämpfe ich mit meinem Tank und versuche über die Deckelöffnung den zugeschweißten Anschlusswinkel am Tankboden aufzubohren. Irgendwann klappt's und der Sprit kann jetzt wieder ungehindert fließen.
Fantas BMW zeigt jetzt auch Eigenheiten, die ansonsten Harleys nachgesagt werden: Sie markiert ihr Revier mit einem respektablen Ölfleck. Der Grund ist schnell gefunden. Die unten am Motorblock angeschraubte Ölfilterpatrone ist locker. Aber die Patrone ist intelligenter Weise versenkt im Kurbelgehäuse und kann nur mit einem Spezialschlüssel angezogen werden. Fanta verbringt die nächsten heißen Stunden damit, den BMW Motorradhändler im Großstadtgewühl von Phoenix ausfindig zu machen und geduldig auf die "Reparatur" zu warten.
Am Abend holen wir Laura vom Flughafen ab. Um nicht unnötig Zeit mit Warten im Hexenkessel Phoenix verbringen zu müssen beschließen wir, am nächsten Tag zum ca. 200km entfernten Sedona weiter zu fahren. Sobald Kurt's E-Glide dann fertig ist, kann er sie ja von Sedona aus in Phoenix abholen. Sedona ist ein Kleinstädtchen bei Flagstaff, 1300m hoch und kühl in den bizarr geformten Bergen gelegen.
Herrliche Motorradstrecken. Kurven und Ausblicke, keine Autos oder nervige Ortsdurchfahrten. Landschaft pur. Das alles wollen wir gleich am nächsten Tag noch intensiver erfahren.
Antje steigt auf ihre Heritage auf und will anfahren. Schlingert. Diesmal ist's ein echter Plattfuß am Hinterreifen. Aber es steckt kein Nagel oder so was ähnliches im Reifen. Ventil ist auch okay. Nach einigem Rumtelefonieren finden wir in Sedona einen Motorradbastler ("specialist"), der sogar den passenden Schlauch da hat. Beim Abmontieren des Reifens stellt sich raus, dass die Chrom-Stahlfelge innen total verrostet ist und der Rost den Schlauch durchgescheuert hat. Der specialist erzählt uns, dass er mächtig stolz auf die Harley Davidson Motorräder ist, weil noch alles "Made in USA" ist.
Ha,ha,ha. Da kommt er mir gerade recht. Ich halte ihm die verrostete Original(!)-Felge unter die Nase. Am inneren Felgenhorn ist eingeprägt: "Made in Italy".
Kurt's Harley ist fertig repariert und wir fahren nach 2 Faulenzertagen weiter über die US 260 entlang der Apache Indian Reservation vorbei an Show Low nach Springerville. Mittlerweile sind wir wieder von den kühlen Bergen in die Wüste abgetaucht. Am Abend erzählt Hermann, dass seine Heritage sich irgendwie komisch fährt. Aber es ist schon dunkel und wir sind zu müde, um noch mal hin zu gucken. Liegt wohl daran, dass er zu zweit und voll aufgepackt fährt.
Am nächsten Tag geht's auf der US60 wieder in die einsame heiße Wüste New Mexicos. Tagesziel soll Santa Fe sein. Mitten in der Prärie schlägt Murphys Law wieder zu und Hermann fährt seine schlingernde Harley an den Fahrbahnrand. So ungefähr 30 Speichen seiner Hinterradfelge sind gerissen. Dabei sind es so schöne verchromte Aftermarketspeichen. Diesmal ist keine rettende Tankstelle in der Nähe, dafür ist es nicht ganz so heiß. Um die 40°C. Kurzentschlossen springt Hermann auf die Interstate und hält den nächstbesten Pick Up Fahrer an. Der erklärt sich sofort bereit das Bike hinten aufzuladen und zum Harley Händler in das 300km entfernte Albuquerque zu bringen. Kostenlos. Hermann kann im Pick Up mitfahren. Laura verfrachten wir auf Kurt's E-Glide.
Während der Pick Up Fahrer mit Hermann auf der Interstate nach Albuquerque fährt, nehmen wir die landschaftlich schönere, aber langsamer zu fahrende Alternativroute vorbei an riesigen Lavafeldern. Treffpunkt soll der Harley Händler in Albuquerque sein.
Dort im Stadtverkehr auf der Suche nach dem Händler geht plötzlich der Blinker meiner Heritage nicht mehr. Ein paar hundert Meter weiter stirbt der Motor ab und ich kann gerade noch in eine Tankstelle rollen. Batterie mausetot. Wo krieg ich jetzt eine Batterie her und - vor allem - warum ist die so leer geworden? Regler? Generator?
Mit Antje's Harley mache ich mich auf die Suche nach dem Harley Händler, der, wie sich zu allem Überfluss noch rausstellt, kurz vorher umgezogen war und somit nicht mehr unter der offiziellen Adresse an zu treffen ist. Aber ich finde ihn trotzdem und Hermanns Harley steht einsam und verlassen davor. Ein Zettel hängt dran: Bin im Motel 6 nebenan.
Ich bau die Batterie seiner Harley aus und fahr zurück zur Tankstelle zu den anderen.
Beim Anschließen der Batterie spurt der Anlasser sofort ein, obwohl weder die Zündung eingeschaltet noch der Anlasserknopf betätigt wird. Verwirrt klemm ich die Batterie wieder ab und fummel ratlos an den Anschlusskabeln rum. Mittlerweile ist es stockfinster und die Gegend hier nicht gerade die vornehmste. Beim nächsten Anschlussversuch ist, aus welchen Gründen auch immer, wieder alles okay und wir treffen uns mit Hermann im Motel. Beim Abendessen lernen wir ein paar Amis kennen. Begeistert fragen sie uns, ob das nicht toll sei mit den Harleys durch die USA zu fahren. Unsere anschließende Schimpfkanonade, bei der wir alle uns geläufigen amerikanischen Flüche an den Mann bringen - und das sind nicht wenige -, lässt die armen Amis erschrocken den Kopf einziehen und sie verziehen sich geschockt auf ihre Zimmer.
Am nächsten Morgen bekommt Hermanns Harley eine neue Felge und meine eine neue Batterie beim Harley Händler verpasst. Alle Bikes sind jetzt wieder startklar. Oder doch nicht? Meine klackert beim Starten so komisch aus dem Anlassermagnetschalter, als wenn die Batterie zu schwach wäre. Aber die ist doch neu! Scheiß drauf, Hauptsache die Kiste springt an. Und weiter geht's nach Santa Fe.
Santa Fe ist für amerikanische Verhältnisse eine sehr europäische Stadt mit Stadtplatz, netten romantischen Lokalen und Cafes und alten Bauwerken im Adobe-Stil des 17.Jahrhunderts.
Alt? Beim Klopfen an die "lehmverschmierten" Wände stellt sich raus, dass alles nur ein Fake ist. Es sind braun angestrichene Glasfasermatten, mit denen ganz normale Bauten verkleidet wurden. Sieht täuschend echt aus. Das ist eben Amerika. Bei Motorrädern machen sie das mit Chrom.
Die echten mehrstöckigen Adobe Häuser stehen dann im nahen Taos Pueblo. Hier leben auch noch ein paar von den (noch) nicht ausgerotteten Ureinwohnern Nordamerikas, den Indianern, in diesem Fall den Pueblos. Sie dürfen sogar Eintritt für ihr Dorf verlangen.
Die nächsten Tage verlaufen bis auf das ständige Klacken beim Starten meiner Harley relativ pannenfrei.
Erholt geht's weiter Richtung Westen über Farmington zum Monument Valley. Kennt wohl jeder, zumindest aus der Marlboro Werbung. Ich bin zwar schon zum 3. Mal hier, aber es ist immer wieder faszinierend. Die Farbenspiele je nach Tageszeit, die roten Tafelberge, die Indianer......Ja, das Monument Valley gehört tatsächlich den Navajo Indianern und sie dürfen auch hier Eintritt kassieren. Die großzügigen Amerikaner haben hier den Indianern eine der schönsten, aber nichts desto trotz auch wertlosesten, Landschaften überlassen.
Wir trennen uns jetzt von Fanta. Sein Urlaub geht zu Ende und er muss zurück nach L.A.
Nächstes Etappenziel ist Moab. Ein absolutes landschaftliches Highlight. Der Arches Park oder die Canyonlands, die Sonnenuntergänge, die bizarren roten Felsformationen wie der "Delicate Arch", der "Balanced Rock", die "Fishertowers".
Kurvige Motorradstrecken in den Bergen oder am Colorado entlang. Ein Fahrgenuss ohne Ende. Oder doch?! Erna möchte ihre Sporty abbremsen und hat keinen Bremsdruck mehr auf der Hinterradbremse. Tritt ins Leere. Harleykenner wissen, dass bei Harleys die Hinterradbremse mindestens so wichtig ist wie die vordere. Wir "schleichen" zum Campground zurück und begutachten den Schaden. Eine verkehrt montierte Schlauchschelle hat die daneben verlaufende Bremsleitung der hinteren Bremse durchgescheuert. Keine Bremsflüssigkeit mehr im Behälter. Oberscheiße. Moab ist zwar ein netter Ort, aber der nächste Harleyhändler ist Hunderte von Kilometer entfernt. Wir bauen die Bremsleitung aus und lassen sie in einer Mountainbike Werkstatt löten. Funktioniert tatsächlich.
Am nächsten Morgen wollen wir weiter nach Gunnison/Colorado. Kurt will anfahren und kommt nicht vom Fleck. Der Kolben der Hinterradbremse seiner E-Glide ist blockiert und gibt die Beläge nicht mehr frei. In sengender Hitze zerlegen wir den Bremssattel und machen den Kolben wieder gangbar. Bis zum Einbrechen der Dunkelheit schaffen wir es noch bis Gunnison. Gunnison liegt voll in den Rocky Mountains. Hier wimmelt es geradezu von Pässen um die 3000m und Berggipfeln weit über 4000m. Aber alles nicht so konzentriert wie in den europäischen Alpen. Kaum Verkehr. Absolut stressfreies Fahren und Genießen.
Nächstes Ziel sind die "Great Sand Dunes" in Colorado. Dazu überqueren wir erst noch den Monarch Pass mit 3400m und tauchen danach wieder einmal in die Wüste hinab. Es kommt wie es kommen muss. Ihr ahnt es schon. In der größten Mittagshitze bleibe ich kurz stehen um auf die Karte zu schauen, als ein fürchterlich grässliches Mahlgeräusch aus dem Motor meiner Heritage dringt. Die Ursache ist schnell gefunden: Ohne dass ich den Anlasserknopf drücke spurt der Anlasser selbständig ein - und das während der Motor läuft. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren. Die leere Batterie, das Klackern des Magnetschalters, das selbständige Starten nach Einbau der Batterie. Alles hatte ein und die selbe Ursache: Irgendwoher bekommt das Anlasserrelais "Saft" direkt von der Batterie.
Nach Abbauen der beiden Tanks liegt die Quelle allen Übels vor mir. Die Halterung des linken Aftermarket-Tanks war nicht sauber angeschweißt und scharfkantig. Diese hat dann genau die 2 nebeneinander liegenden Kabel zur Ansteuerung des Anlasserrelais' durchgescheuert und überbrückt. Folge: Der Anlasser spurte während der Fahrt ein und saugte die Batterie leer. Zusätzlich wurde dadurch die "Hold In" Spule des Magnetschalters überhitzt und unterbrochen. Daher das Klackern. Und das alles wegen dieses Sch... Aftermarket-Tanks, der schon zu Beginn der Tour für Ärger gesorgt hat.
Die beiden Kabel zu isolieren ist eine Kleinigkeit. Danach läuft sie wieder.
Tja, und hier - am weitesten von L.A. entfernten Ort unserer (Tor)Tour - hat der allmächtige Manitou anscheinend beschlossen, dass er uns alle genügend geprüft hat und uns jetzt für den Rest der Reise uneingeschränkten Spaß gönnen möchte.
Nach den überwältigenden "Great Sand Dunes" geht's über jede Menge Pässe nach Colorado Springs, weiter nach Denver/Co und dann wieder Richtung Osten auf der US40 über 3000m hohe Pässe nach Salt Lake City/Utah. Ab hier fahren wir auf der US6 durch die unendliche Wüste Nevadas. Nein, es passiert diesmal absolut nichts. Es gibt hier sogar T-Shirts mit der Aufschrift "I survived US6". We did it!
Irgendwann treffen wir am Mono Lake in der Sierra Nevada Nordkaliforniens ein.
Wir statten der auf 3000m gelegenen Geisterstadt Bodie einen Besuch ab.
Danach fahren wir durch den hoffnungslos von Touristen überschwemmten Yosemite Park ohne weiteren Aufenthalt zurück nach L.A.
Hier möchte der allmächtige Manitou noch einmal seine Macht beweisen und lässt den Auspuff an Antje's Heritage auseinander brechen. Wen juckt's?!
Wir blicken auf eine 10000km lange Tour voller Bewährungsproben zurück, die uns allen wohl für immer im Gedächtnis bleiben wird. Für mich sind es damit bereits 40000km, die ich in den USA mit verschiedenen Motorrädern gefahren bin. Ein fast unerschöpflicher Vorrat an Erlebnissen. Mal sehen, was ich da noch so alles aus der Gedächtniskiste hervor zaubern kann. Davon vielleicht später.
Was ist mit unseren "bösen" Harleys geschehen?
Wir haben alle 3 in L.A. gebraucht gekauften und natürlich auch die eingeflogenen Harleys mit nach Deutschland genommen.
Sie tun nach Umrüstung aller Aftermarketteile auf Originalteile treu ihren Dienst. Meine Heritage hat kürzlich 100000km und Antje's Heritage 145000km (kein Schreibfehler) überschritten. Hermann's Heritage steht sich in der Garage die Reifen platt, weil er ein fahrfauler Sack ist. Kurt hat nach der Tour die Radlager seiner E-Glide bei jedem Reifenwechsel gefettet, ganz so wie es Harley Davidson vorschreibt. Seine E-Glide hat er letztes Jahr mit über 100000km gegen eine neue Heritage eingetauscht. Erna's Sporty wurde vor 2 Jahren mit 35000km gegen eine neue Super Glide eingetauscht.
erlebt von Reino
Kommentare
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Wirklich toll!
mczac
Hallo Reino
Vielen Dank für deinen Hinweis auf die Berichte!
Hab ich gelesen. Nur ist ja bekanntlich Papier geduldig und nimmt an was man tippt *ggg*.
Die Wirklichkeit ist die Überzeugung also rauf auf die Berge denn nur beweisen gilt!
Das Angebot steht nur zu.
Liebe Grüsse Susi
Ein Klasse Bericht
Aufregend, anregend, abschreckend... der hat alles, der Bericht.
Heike
Hallo Susi
Um mein Fahrkönnen einschätzen zu können, empfehle ich dir die Lektüre meiner Berichte \"Die Gardasee Tour\" und \"Das Bergrennen\". Danach dürfte keine Frage mehr offen sein.
allzeit gute Fahrt auf allen Straßen der Welt
Reino
Hallo Reino
Wirklich guten Bericht, möchte dich mal was Fragen fährst du auch so gut wie du schreibst?
Da war doch vor kurzem einen Eintrag von dir das du den Duc\'s nachkommen willst? Schaffst du das auch?
Dann lad ich dich gerne zu mir in die Berge ein und wir fahren eine 3-4 Pässe Tour zusammen.
LG Susi
@ Reino:
Hast ja recht, fliegen würde sie nicht lernen, aber nen dummen, der sie kauft, würd ich schon suchen. *grins*
Davon abgesehen, ich würde wieder eine Deuce kaufen - aber nur in neuer Version *schonmalgesichtsmaskesuchunddenbankraubplan*
Ich mag nämlich nicht die dicken Teile zwischen den Beinen beim Fahren *fg* - ein Schelm, wer Böses dabei denkt - den fetten Tank mein ich, den die Harleys alle so haben.
LG,
Petra
hi reino,
starker bericht und geil geschrieben!
bin auf weitere aufgeschriebenen erinnerungen
von dir gespannt.
\"live and let die\" touren mit reino. *g
lhg
Searcher
@Petra
Wart mal ab, wenn deine Deuce mal ihre Tage bekommt in Frankreich oder Spanien. Bin gespannt, ob du sie dann auch \"fliegen\" lassen würdest. Falls ja, dann sag mir aber vorher Bescheid, damit ich dich noch überreden kann, mir die bockige Kiste statt dessen zu schenken.
Ich hoffe, du hast nicht all zu viele Aftermarketteile dran geschraubt oder dran schrauben lassen. Auch in Deutschland gibt\'s \"specialists\"!
schönen Urlaub
Reino
Hi Reino,
volle Punktzahl. Deine Berichte sind klasse.
Für euer Überlebenstraining gebührt euch Respekt, ich hätte es so gemacht, wie Heidi, am nächsten Berg hätte sie (die Harley) das Fliegen gelernt.
LG,
Petra
@Reino... mal wieder ein supergenialer Bericht! ... ich hätt noch stundenlang weiterlesen können :o)
Aber ganz ehrlich: Ich glaub, ich hätt die Schüsseln schon längst über den nächsten Abhang geschmissen *zwinker*...
baibai... Heidi *:o)