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chip59 14.11.2010

Via Osten 2010

Wegstrecke 6548 km
Länder/Regionen/
Wegpunkte
Tschechien, Slowakei, Ukraine, Rumänien, Ungarn
Straßenart Landstraße
Tour-Motorrad YAMAHA XT 600 E (3TB)
Schwierigkeit mittel
Schlagworte Via Osten 2010


Via Osten 2010

Einige Anekdoten aus meiner mehrwöchigen Reise.

Meine Tour gegen Osten beginnt in Euskirchen und führt mich durch 5 Länder. Na ja, eigentlich sind es 6, ich muss die Neuen Bundesländer ja mitrechnen, auch wenn sie wiedermal nur Transitstrecke sind.
Nach knapp 650 km, erstes wohlverdientes Nachtlager in Krebs, einer kleinen Ortschaft zwischen Pirna und der Grenze zu Tschechien.
Im Haus "Polterhof", der Fam. Budai werden Biker immer gerne aufgenommen und finden sogar noch bei Vollbelegung ein Plätzchen zum Schlafen.
Nach einem deftigen Frühstück und vielen guten Ratschlägen für meine Reise durch die ehemaligen GUS Staaten verlasse ich das Örtchen Krebs, überquere zwischen Königstein und Schöna die Elbe und fahre durch die sächsische Schweiz in Richtung Tschechische Grenze. Gegen Abend möchte ich in Zlin sein. Aber 1. kommt es anders und 2. als man denkt. Aber eins nach dem anderen. Nach ca. 150 km entlang der Elbe, fahre ich hinauf in die Hügel und Berglandschaft, die mich ein wenig an die Vulkaneifel erinnert, nur viel größer wie mir scheint. Die kleinen Straßen und Wege sind fast leer und wunderbar zu fahren, mal von der Oberflächenbeschaffenheit der Asphaltdecke abgesehen. Aber die XT federt das meiste mühelos ab und mein Navi rechnet sich unterdessen en Wolf, weil ich ständig neue kleine Offroad-Wege ausprobieren muss. Auf meinem Weg nach Zlin fahre ich an einem Biker vorbei der entgegengesetzt aller Vernunft, sein Gefährt eine kleinen Berg hinauf schiebt und nach einem kurzen Blick auf mein Navi, dies wohl noch einige Zeit weiter tun wird. Ich drehe also um und frage was den passiert ist. Ist einfach ausgegangen, kam die knappe Antwort, einfach so.
Der jung Mann heißt Frank, kam aus der Nähe von Berlin und hatte wohl nicht so die richtige Tourerfahrung wie mir schien. Motorradkombi, Stiefel, Karten und Werkzeug, alles was man so braucht, Fehlanzeige. Das Angebot, ihn mit seinem Mopped den Berg raufzuschieben, lehnt er ab, muss er halt so bis zur nächsten Haltebuch weiterkommen. Als er endlich bei mir ankommt, kann ich mir das Ding genauer ansehen und versuchen ihm zu helfen. Das Motorrad, eine Honda NTV oder so was, ist tot wie ein Stein. Kein Muks und kein Lämpchen blinkt. Der Mann hat wahrscheinlich ein Elektrikproblem. Ich versuche die Sitzbank zu öffnen, klemmt. Ich frage nach den Sicherungen, keine Ahnung. Als die Sitzbank nach ein wenig Gewalt nachgibt, lacht mich ein aufgeräumtes, weil leeres Werkzeugfach an. Und keine Sicherungen. Ich hole mein Werkzeug und begebe mich auf die Suche nach der verdammten Hauptsicherung. Nach etwas Fummelei und Verfolgen diverser Kabel, finde ich die Sicherung, sie ist vollständig oxidiert und muss nur sauber gemacht werden. Sicherung säubern, einsetzen, und läuft. Hatte ich schon erwähnt, dass Er auch in die Ukraine wollte.
Egal, das Ganze hatte Zeit gekostet und wir beschlossen erst einmal zu zweit weiter in Richtung Zlin zu fahren und nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu suchen, was sich etwas schwieriger darstellte als ich erwartet hatte. Die in den Karten des ADAC angegebenen Campingplätze waren entweder nicht vorhanden, schon wieder geschlossen oder wir waren zu blöd Sie zu finden. Kurz vor Zlin beschlossen wir an einem Waldrand unsere Zelte auf zu schlagen und am nächsten Tag weiter zu fahren. Ins Hohe Tatragebirge und zur slowakischen Grenze. In der Nacht hatte es angefangen zu regnen und der Waldboden war aufgeweicht. Dieser Umstand machten die ca. 1,5 km zurück auf den asphaltähnlichen Belag den man hier Straße nennt, doch recht Abenteuerlich und vor allem, Rutschig. Wir erreichen nach wenigen Kilometern die Grenze und halten erst wieder an einer Tankstelle in der Kreishauptstadt Zilina (Zilinsky kraj). Der Regen hat nicht aufgehört, im Gegenteil, es fängt an zu schütten und während bei mir nur die Stiefel volllaufen, ist Frank aufgrund der fehlenden/unpassenden Bekleidung klatschnass. Der Weg führt nach Michalovce, nahe der Grenze zur Ukraine und höher hinauf ins Gebirge, wo sich ein Unwetter zusammenbraut. Während ich versuche noch vor dem Unwetter die Gebirgskette zu erreichen, beschließt Frank die waage Hoffnung zu nutzen, in entgegengesezter Richtung in trockenes Wetter zu fahren. Also trennten sich hier unsere Wege wieder.

Ich folgte, die Unwetterfront im Nacken, der Bundesstraße E 50 in die Hohe Tatra. Um es vorweg zu nehmen, ich habe das Rennen verloren und habe es mit der Funktionsfähigkeit meines Handys bezahlt. Wer einmal ein Unwetter in den Bergen erlebt hat, wird dies nicht mehr so schnell vergessen. Ich hatte gedacht, das es mich in den Alpen schon mal schwer getroffen hatte aber das hier war noch ne Nummer schärfer. Der Regen prasselte so heftig auf das Visier, dass die Sicht gleich Null war und der Lärm schon fast weh tat. Das heftigste waren aber die Schlammmassen die von den Hängen auf die Straße gespült wurden. Überall in den kleinen Dörfern und Städten waren Feuerwehren und diverse Helfer damit beschäftgt, die Straßen zu räumen oder Absperrungen aufzustellen. Die Wasserdurchfahrten in den Senken reichten bis an den Motorblock der XT und zweimal hatte ich schon die Befürchtung, sie würde mir absterben. Aber die alte Technik der Yamaha ist zum Glück nicht tot zu kriegen, auch wenn sie sich ein paar mal verschluckt hat;-)

Es hat einfach keinen Zweck mehr, ich gebe die schnellste Strecke ein und fahre auf die Autobahn D1 Richtung Presov und weiter nach Michalovce. Ich bin mittlerweile bis auf die Knochen durch, habe keine Lust mehr und der Regen hört einfach nicht auf. Bei Libtovsky Hradok fahre ich ab und nehme mir ein Hotelzimmer. Die XT bekommt sogar ne trockene Garage. Absatteln, das Zimmer zum Trockenraum umfunktioniert, heiß duschen, trockene Sachen an und lecker Essen. Ein großes slowakisches TOPVAR Bier in einem großen Ohrensessel geschlürft und all die Mühen fallen langsam von einem ab. Ich hoffe, dass das Unwetter sich über Nacht verzogen hatt und ich die Strecke bis zu ukrainischen Grenze auf den kleinen,schönen Landstraßen durch die Tatra ohne Vollkörperkondom fahren kann.

Eine in Tarnuniform gekleidete Beamtin reichte mir vor der eigentlichen Kontrollstation einen mehrfach kopierten Zettel den ich doch bitte vollständig ausfüllen sollte. Besagter Zettel war in Kyrillisch und Englisch geschrieben und beinhaltete so Fragen wie komplette Wohnanschrift des Grenzüberschreitenden, Geburtsort, Geschlecht, Art der Reise und Reiseziel in der Ukraine, was sich in meinem Fall als etwas schwierig herausstellte, ich hatte ja kein bestimmtes Ziel und so trug ich einfach den Namen der nächsten größeren Stadt auf dem Zettel ein, Mukaceve.
Siegessicher reichte ich den Zettel der Uniformierten zurück, diese gab ihn mir mit einem Lächeln zurück und machte mir klar, das ich 1. die andere Seite ebenfalls ausfüllen müsse und 2., ich mit dem Zettel zu dem in weiß gekleideten Offizier gehen muss, um den Zettel mit meinen Papieren abzugleichen und quittieren zu lassen. Ich packte als meine Papiere und den ominösen Zettel ein, schob mich und die YAM zu dem Beamten und reichte ihm den Zettel durch den Schlitz in der Scheibe. Passport, Dokumente verlangte er und breitete gemächlich alle meine Papiere vor sich aus. Personen, Motorrad und Versicherungsdaten verschwanden im Einfingersuchsytem in seinem Computer und brachten mich langsam aber beständig zum kochen. Nach einer gefühlten Ewigkeit schmiss er alle Papiere wieder in meinen Reisepass und schob sie mir durch die Öffnung, inkl. einer Quittung die ich in meiner Tasche verstaute. Dieser leichtfertige Umgang mit Dokumenten der ukrainischen Republik sollte mich einiges an Zeit und Nerven kosten. Aber erstmal durfte ich wieder ein Feld vorrücken, auf die Parkallee. Das eben war die Einreisekontrolle, jetzt kommt die eigentliche Zollkontrolle. Ich stand also nun auf dem vermeintlich letzten Feld und wartete auf einen der vielen rum stehenden Beamten, die jetzt dunkle Uniformen trugen und öffnete vorsichtshalber schon mal die Alukoffer. Aber nichts tat sich, die standen einfach rum und schwafelten, während es in mir zu brodeln begann aber ich dachte an besagte Freundin und zwang mich zu einem Lächeln und zur Ruhe. Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit wies ein aus dem Gebäude kommender Beamter einen kleinen dicken und schwitzenden Zöllner wohl an, sich um mich zu kümmern, was er dann auch mürrisch tat. Ticket, fragte er und ich reichte ihm das ganze Papierzeug. Er blätterte es kurz durch, gab es zurück und murmelte im weggehen, Ticket. Äh?
Das war es, keine Erklärung, keine Hilfe, er ging wieder zu der Gruppe Zöllner zurück, drehte sich noch mal zu mir um und fragte die Augen aufschlagend: Ticket und alle Lachten. Ich war dem explodieren nah und als ein vorgesetzte Offizier auf die Gruppe zusteuerte setzte ich mich in gleicher Richtung in Bewegung und steuerte die Gruppe an. Einer der Zöllner roch wohl den bevorstehenden Ärger und kam mir auf einmal hilfsbereit entgegen, verfolgt von den ärgerlichen Blicken des verschwitzen Dicken, der wahrscheinlich zu blöd war, um zu merken, das man ihm gerade den Arsch gerettet hat. Quittung, und zeigte in Richtung des Einreiseschalters. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, die Quittung die ich in die Tasche gesteckt habe, ich gab im das verknüllte Stück Papier, er verschwand damit in einem der Kontrollhäuschen und brachte es mir abgestempelt zurück, mit einer flüchtigen Handbewegung deutete er mir an, das ich jetzt weiterfahren könne, was ich sofort in die Tat umsetzte.
Ich startete die YAM und fuhr los, ca. 200m, am Ende der Kurve stand ein weiterer Kontrollposten und verlangte meine abgestempelte Quittung, diese tauschte ich gegen einen weiteren, eine Art Passierzettel ein, den ich keine 50m weiter dem „Schrankenwärter“ in die Hand drückte, er öffnete die Schranke und ich war endlich in der Ukraine angelangt, hiphip Hurra!

Am nächsten Morgen war von dem Unwetter nicht mehr viel zu sehen. Ein paar abgerissene Zweige, Pfützen auf dem Feldweg und ein nasses Bike. Ansonsten war der Himmel aufgerissen und es sollte ein sonniger, schöner Tag werden.
Ich machte Kaffee, packte Zelt und Müll ein und schleuderte so wie ich gekommen war über diesen schei…. Schlickboden wieder zurück auf die E50 um meinen Weg in Richtung Synevyr Nationalpark fortzusetzen.
Auf der E50, M06 oder E471, was wohl anscheinend alles die gleiche Straße bezeichnet, suche und frage ich mich durch. Meine aus Deutschland mitgenommenen Straßenkarten sind nur unmittelbar noch von Nutzen, da hier alles nur in kyrillisch geschrieben ist, was das übersetzen der Ortsnamen auf beiden Seiten zu einem heiteren Ratespiel werden lässt, was aber zugegebener Weise auch nicht immer wirklich lustig war.
Denn bei aller Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die ich überall erfahren habe, blieben Interpretationsfehler nicht aus. Kurz gesagt, befand ich mich plötzlich auf der T 07 12 Richtung Chust, wo ich dann auch um die Mittagszeit zielsicher aufschlug.
Ich brauche aber erst einmal Sprit und wenn ich schon mal hier bin, kann ich dies wunderbar mit einem Bankbesuch kombinieren. Also suche ich eine Bank. Aber wie sieht die hier aus, den lesen fällt aus und jeder Süßwarenladen könnte von Außen hier auch als Bank durchgehen.
Ich halte an und frage. Bank, Banko, Money? Einer zeigt auf ne Parkbank und erst als ich einen Dollarschein rausziehe fällt der Groschen (bzw. der Cent) und er zeigt mir an, das in etwa 300 m, links eine Bank sei. Na, schauen wir mal.

Ich tankte und fuhr nun auf der P 21 in Richtung Synevyr Nationalpark. Nach ca. 15 km wurden die Straßen Kurvenreicher und die Landschaft harmonischer. Die P 21 ist ein Traum, ich habe wenig Verkehr und kann mit gemütlichen 80 Sachen die Schönheit der Landschaft genießen und Bilder schießen. Trotzdem, unaufmerksam darf man auf keinen Fall werden. Auch rate ich von Fahrten in der Dunkelheit dringend ab. Unverhofft auftauchende wirklich tiefe Schlaglöcher und auf der Fahrbahn stehendes Getiers, (Hühner sind da das kleinste Problem) macht das Fahren doch schon etwas gefährlicher als in unseren Gefilden. Noch ca. 70 km bis zu dem von mir anvisieren Ressort.
Synevyr ist ein angesagtes Skigebiet in der Ukraine und das Hotel ein nach unseren Maßstäben gewertetes 3 Sterne Ressort mit guter Küche und einem grandiosen Ausblick auf die ukrainische Seite des Karpatengebirges.

Ach ja, da war ja noch die Sache mit der Kette. Nach nun mehr ca. 2000 km war es wohl an der Zeit mich um den Antrieb zu kümmern. Das Ding hing ganz schön durch. Ich nahm die Koffer ab und holte mein Werkzeug heraus. Schlüssel, Kombizange, Inbusschlüssel usw.
Splint aus der Achsmutter ziehen, die Bremssattelhalterung lösen und Achsmutter selbst lösen. Alles bekannt.
Aber wo zum Teufel sind die 22er und 24er Schlüssel, ich such mir en Wolf aber die Dinger sind nicht da. Einfach vergessen, shit, shit, shit. Ich gehe zur Rezeption und frage nach dem Haustechniker oder so was in der Art. Nachdem alle verstanden haben was ich möchte, kommt nach kurzer Zeit einer mit den gewünschten Schlüsseln und stellt sich erwartungsvoll neben mich und die YAM. Ich setze den 22er auf der Achsmutter an und kontere mit dem 24er den Achskopf. Aber die Mutter Sitz fest. Ich bitte den jungen Mann, den Achskopf mit dem 24er Maulschlüssel zu kontern und versuche mit aller Kraft die Mutter zu lösen. Das Ding sahs so fest, das der Schlüssel sich verbog, was wohl eher an der schlechten Qualität des Ringschlüssels lag, als an meiner unbändigen Kraft. Egal, wie dem auch sei, die Mutter ließ sich nicht lösen und ich konnte mit der durchhängenden Kette nicht allzu weit fahren. Man war hektisch bemüht, für meine missliche Lage, eine Lösung zu finden und kontaktierte das Faktotum des Hotels.
Soweit ich verstanden habe war sein Name Hermann und er war lange bei den russischen Streitkräften im Osten Deutschlands, also der DDR, stationiert gewesen und so eine Schraube stellt doch kein besonderes Hindernis dar. Als er schließlich mit so einer Art Wasserpumpenzange der Achsmutter zu Leibe rücken wollte, machte ich meine Einwände deutlich.
Nein, nein, sagte er in gebrochenem Deutsch, alles OK, kein Problem,
setzte sich breitbeinig hinter die YAM und zog mit Leibeskräften an der Achsmutter.
Und Heinrich hatte Kräfte wie ein Bär, es kam wie es kommen musste, für die Mutter brauchte man einen Ringschlüssel und nicht eine Wasserpumpenzange. Mit einem schaurigen Geräusch rutschte die Zange über die Krone und riss die erste ab.
Oh, meinte der Bär, aber egal, noch andere da und wollte noch mal ansetzen.
Nein nein, es reicht, versuchen wir es anders, du hälts fest und ich versuche auf der anderen Seite zu drehen, OK?
Ich weiß nicht, ob meine Taktik jetzt die bessere war oder einfach das literweise aufgesprühte Caramba die ganze Sache in Bewegung brachte, auf jeden Fall begann die Schraube nach zu geben und wir konnten die
Kette letztendlich doch noch spannen.
Den Rest des Abends verbracht ich mit dem Überprüfen, neu sortieren und natürlich weiterem trocknen meiner Ausrüstung. Die Koffer befestigte ich noch zusätzlich mit Spanngurten an den Kofferträgern der YAM, den am nächsten Tag ging es das 1. Mal auf unbefestigtem Boden in die Berge.

Die Straße schlängelte sich die fantastische Berglandschaft hinauf, zuerst in guter Asphaltqualität, dann in Asphalt mit Löchern, dann nur noch Löcher, um sich schließlich in eine Geröll und Schotterpiste zu verwandeln. Es ist schwer, die bepackte YAM über die Schotterpiste zu manövrieren weil allzu tiefe Löcher nur mit feinem Schotter aufgefüllt werden, in denen ein Motorradreifen tiefer einsinkt als ein Auto oder LKW-Reifen. Aber auf Motorräder achtet hier eh niemand, wie ich noch öfters bemerken werde.

Der Weg führt mich wieder auf der T07 24 und auf der T07 20 in Richtung Teresva und damit immer näher an mein eigentliches Ziel, Rumänien.
Aber bis zur rumänischen Grenze war es noch ein kleines Stück. Über die sich dahinschlängelnde T07 20 fahre ich durch wunderschöne Täler und kleine Ortschaften hinab in die Ebene. An diesem Tag scheint in jedem Dorf Markt zu sein, die Straße ist links und rechts voll mit Ständen und Transportern. Auf der Straße selber ist die schon im Alltag sehr großzügig gehandhabte STvO vollkommen außer Kraft gesetzt und ich muss mir meinen Weg frei hupen. An einem der vielen Obststände halte ich einfach an und bestelle vom Motorrad aus einfach ein paar Pfirsiche, Äpfel und Bananen. Abgewogen und jedes im Beutel verpackt bekomme ich das Obst mit einem freundlichen Lächeln gereicht, bezahle 8 Griwna (nicht mal 1,-EUR) und mache mich mit meiner Beute wieder auf den Weg. Auf dem, an diesem Tag stattfindenden Märkten wird alles gehandelt was es nur gibt, alle Arten von Getier und Gemüse, Tinnef und Tand, Möbel, Porzellan. Das Gewühl ist Atemberaubend und ich würde mir einige Märkte gerne länger Ansehen aber ich habe immer noch Angst um die YAM und das ganze Gepäck. Also begnüge ich mich mit einzelnen Stopps um mir das Treiben anzusehen.
Ich vergleiche immer wieder die kyrillischen Ortsnamen mit der ebenfalls in Kyrillisch gehaltenen Karte, die ich ergattert hatte. So konnte ich einigermaßen sicher sein, auf der richtigen Straße zu sein. Denn wie schon mal erwähnt, Straßen sehen hier etwas anders aus.

Mein erster Eindruck von Rumänien ist ernüchternd. Ich fahre die ersten Kilometer durch, für westeuropäische Augen gesehen, schmutzige und heruntergekommene Ortschaften. Die im Grenzgebiet häufig ansässigen Sinti und Roma lassen ungewollt althergebrachte Vorurteile aufkommen. Doch dieser Eindruck verfliegt, je weiter ich ins Landesinnere komme. Die Landschaft wird natürlicher und die Ortschaften wirken aufgeräumter.

Ich lassen das Navi nach der nächsten Übernachtungsmöglichkeit suchen. Das nächste mir passende Hotel ist 80 km entfernt und es fängt an zu dämmern. Ich muss also etwas am Gas ziehen, will ich nicht in die Dunkelheit kommen. Die rund um Borsa entstehende Touristikbranche hat momentan etwas Kurioses. Überall stehen halbfertige Hotelanlagen die selbst im Rohbau schon als Unterkünfte genutzt werden. Die Gäste gehen vorbei an Betonmischern, Baumaschinen und Material zu ihren Zimmern. Alles ist etwas Chaotisch und vor allem laut.
Noch 43,5km sagt das Navi. 1,25 Std. Fahrzeit. Na toll, hoffentlich schaffe ich das noch, bevor es ganz dunkel wird. Die Fahrbahn wird zunehmend tückischer und der unbefestigte Abhang rechts der Straße ist auch nicht zu verachten.
Zwischen Borsa und Prislop fällt mir ein, an einem Strommast provisorisch angebrachtes, Pensionsschild auf.
50m PENSIUNEA, Pfeil links
Ich steige voll auf die Bremse und ziehe die YAM auf die linke Seite, zweiter Gang, Gas voll auf und den Steilhang hoch. Der Untergrund ist so zerfurcht und locker, dass das Hinterrad kaum Halt findet. Ich habe das ungute Gefühl, das meine Geschwindigkeit ein klein wenig zu schnell sein könnte. Ich kann nur hoffen, der Parkplatz hat genug Auslauffläche. Mit vollem Schwung erreiche ich die Kuppe der Auffahrt und wie befürchtet, ein Schotterplatz und geparkte Autos.
Auf die Hinterradbremse, leicht das Vorderrad eingebremst und mit einem Filmreifen Stunt zum Stehen kommen.

Welcome to Rumänia !
Shit, und keiner hat es gesehen

Von St. Georgen nach Brasov ist es ein Katzensprung aber anscheinend müssen alle Rumänen heute heiraten. Überall, in das ohnehin schon katastrophale Verkehrsgewühl, zwängen sich unzählige Limousinen. Die Langen versteht sich, hier mag man es gerne protzig und lebensfroh, wie generell im Osten. Um bei diesen Verkehrsverhältnissen als Motorradfahrer weiterzukommen und dann noch zu überleben, muss man zwangsläufig die bei uns erlernten Verkehrsregeln auch mal recht großzügig auslegen können. Gefahren wird da, wo Platz ist. Und wenn es der Gehsteig oder ein Parkplatz ist.
Rein Fahrtechnisch, hatte ich wohl an diesem Tag die Arschkarte gezogen, nicht nur die Heiratswütigen und Sonntagsfahrer drängten ins Zentrum, sondern es war auch Trödel und Antikemarkt.
Da ich Zeit genug hatte, entschied ich mich für einen Rundgang über den Markt und stellte die YAM, voll bepackt, in der Nähe von zwei herumlümmelnden Polizisten auf dem Gehweg ab. Aber niemand hat das Motorrad auch nur angerührt, was nicht an den Polizisten lag, die waren bei meiner Rückkehr nämlich weg. Nein, die Menschen dehnen ich begegnet bin, waren durchweg sehr freundlich und hilfsbereit.

Wir haben geschätzte 100° in der Stadt und die Luft steht. Ich verstaue Motorradjacke, Handschuhe ect. unter dem Gepäcknetz und kette den Helm mit einem Schloss an die YAM. Ich kaufe an einem sich in der Nähe befindlichen Kiosk eine Cola und schlendere durch den Park. Überall stehen die Verkäufer und bieten ihre Waren an. Sehr viele Frauen bieten Silberschmuck in Form von Ringen, Armbändern und Ketten an. Aber auch der klassische Trödel ist vertreten. Von alten Uhren über Geschirr und Krimskrams, bis hin zu den Relikten der kommunistischen Vergangenheit. Der Gang durch die Stände, hat trotz des manchmal herrschenden Gewühls, etwas von einem gemütlichen Sonntagsspaziergang, was wohl auch daran liegen mag, das wir tatsächlich Sonntag haben, zum anderen aber an der schönen Parkanlage und den aufgeräumten Ständen.

Hinter Rasnov finde ich einen, der in diesem Land seltenen, eindeutigen Wegweiser. Vorbei an einer alten Industrieruine (die schau ich mir später noch mal genauer an) fahre ich nach Zarnesti hinein. An einem kleinen Lebensmittelladen, der trotz sonntäglicher Ruhe offen hat, halte ich an und frage nach einer Unterkunft. Die junge Frau hinter der Theke versteht kein Wort, schüttelt ständig den Kopf und zuckt mit den Schulten. Plötzlich fasst mich älterer Mann an den Arm und zerrt mich auf die Straße. Als ich mich von seinem Griff ruckartig befreien und ihn wohl dabei auch entrüstet anschaue, deutet er lachend auf ein großes, 200m entfernt stehendes rotes Schild, was auf der linken Straßen steht : PENSIUNEA
Ich komme mir vor wie ein Depp und denke beim Aufsteigen auf die YAM: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Ich bedanke mich artig und fahre zu der Pension.

Ich verstaute meine Klamotten wie Tags zuvor an der Maschine und machte mich zu Fuß an den Aufstieg zur Festung. Leute die ihr das lest, versucht wenn möglich nie, ich betone nie, mit Motocross Stiefel einen steilen Weg zu erklimmen, der mit Blaukopfsteinen verlegt wurde. Es ist ausgesprochen anstrengend!
Ich hätte mir auch ein Clownskostüm anziehen können, die Reaktionen auf mein Outfit wären wohl die gleichen gewesen. Dennoch war es immer wieder amüsant zu sehen, wie man auf mich reagierte.
Ich war ein ALIEN auf Burgentour.

Die Besichtigung der gesamten Festungsanlage gleicht am Anfang mehr einer Hochalpinen Tour. Es geht ständig bergauf oder bergab, selbst im Inneren der Festung sind ebene Plätze oder Wege selten zu finden. Der Anblick, sich manch quälender Frau, die aus modischen Gründen, nicht auf ihre High Heels verzichten wollte, machten mein Gehoppel etwas erträglicher.
Et jit kän jrößer Leid, als wat der Minsch sich sälvfs andeit.

Es geht weiter nach Pitesti, wo ich auf die 7c auffahre und mich unwissendlich geradezu in Richtung Hochgebirge bewege, was ich erst viel später Bemerken sollte.

Ich schraubte mich unweigerlich immer höher ins Gebirge. Hinter Curtea nahm die Vegetation langsam ab und ich konnte einen Blick auf die Berghänge von Negoiu und Moldoveanu werfen. Nun konnte ich mir einen Begriff von der Bezeichnung „Straße in den Wolken“ machen. Aber dafür war es jetzt zu spät.
Bei ca. 2200m ist Schluss, ich bin am Gipfel, Wasserperlen bilden sich auf meinem Visier und es ist unangenehm kalt. Ich fahre in nördlicher Richtung in den Tunnel. Wie ich später erfahre, ist die von mir gewählte Strecke in den Wintermonaten komplett gesperrt und der Gipfel kann nur mit der auf der nördlichen Seite vorhandenen Seilbahn erreicht werden. Ehrlich, im Winter würde ich hier auf keinen Fall fahren wollen, egal ob mit 2 oder 4 Rädern.
Auf der anderen Seite erwartet mich wieder die Sonne und eine Serpentinenstrecke par Excellenze. In endlosen 90° Kehren schlängelt sich die Straße die 2200m runter ins Tal. Leider muss ich meine ganze Aufmerksamkeit einem älteren Herren, am Lenkrad eines VW Passat widmen, der mir anscheinend das Profil am Hinterrad nicht gönnt und ständig so dicht auffährt, das einem Angst und Bange wird. Im Normalfall hätte ich kein Problem damit, diesen verhinderten Rennfahrer stehen zu lassen. Aber die in den Asphalt gefrästen Längsrillen, die dummerweise auch noch parallel zur Fahrtrichtung verlaufen, lassen eine schnellere Gangart nicht zu. Die YAM schaukelt wie ein betrunkenes Kamel und ist nur sehr schwer in der Spur zu halten. Auf halber Höhe bietet sich die Gelegenheit auf einen Seitenstreifen auszuweichen. Ich nutze die Möglichkeit zum Halten. Erstens um mich elegant meines Schattens zu entledigen und Zweitens um ein Foto zu machen.

Die Toreinfahrt zum Fabrikgelände ist fast zugewachsen. Birken, Sträucher und Gräser bahnen sich ihren Weg durch die Betonplatten. Ebenso ist die ehemaligen Werksstraßen schon teilweise überwuchert und ich muss auf eingestürzte Versorgungschächte achten. Ein Rudel wilder Hunde hat das Gelände annektiert und ist wild entschlossen es gegen den motorisierten Eindringling zu verteidigen. Da ich dieses Gehabe schon hinlänglich kennen lernen durfte, hat sich mein Herzschlag nach einer Schrecksekunde wieder beruhigt und ich fahre in langsamen Tempo einfach weiter, ohne mich weiter um die Hunde zu kümmern. Nach ca. 150 m lassen sie von mir ab und ziehen sich in die Steinruinen zurück. Ich stelle die YAM in der Mitte der Anlage ab und mache meine Fotos.


Bei Gelegenheit gehts weiter, sorry aber für heut habe ich Schluß;-)

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