Einmal Rumänien und Ukraine und zurück (Teil 1)
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Karpaten |
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Einmal Rumänien und Ukraine und zurück (Teil 1)
Karpaten-Tour 2009Mal nachsehen, was Dracula so macht? Hier eine kleine Tour über Tschechien, Österreich, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Ukraine und über Polen zurück.
Es war anders als in den Vorjahren. Die Wettervorhersage im Internet sieht optimal aus: Sonne über ganz Europa und 34°C im Schatten. Zwei Tage bereite ich mich auf den Start vor und lege ihn mit Absicht auf einen Sonntag. Da kann ja keiner mehr morgens anrufen und noch dringend etwas brauchen. Da kann ich endlich mal pünktlich am Vormittag losfahren….
Sonntag, 2.8.2009, Frankfurt, km 89516
Der Sonntag beginnt mit blauem Himmel. Ich bin noch mit der Erledigung der wirklich allerletzten Dinge beschäftigt und packe. Es dauert länger als ich dachte, es wird 11 Uhr, dann 12 Uhr, 13 Uhr und dann 14 Uhr. Das Blau des Himmels hat einem leichten Grau Platz gemacht. Gerade als ich mich in die Reiseklamotten werfe, fallen die ersten Tropfen. Wie? Das war doch gar nicht vorgesehen. The same procedure as every year: Der Beginn meiner Motorradtour findet traditionell im Regen statt. Also, ich trinke erst noch in Ruhe einen Kaffee und starte dann. Viel später als geplant. Aber gut, der Regen hat sich verzogen. Vorläufig.
Etwa drei Stunden später, ein paar Kilometer vor Amberg, muss ich eine Zwangspause einlegen. Bis jetzt hat das Wetter gehalten, aber nun öffnen sich alle Schleußen und es gießt in Strömen. Notdürftig unter einem Baum vor Regen geschützt warte ich auf dem Parkplatz über eine Stunde, bis ich wieder weiterfahren kann. Als der Regen nachlässt, fahre ich. Aber was ist das? Die Öllampe leuchtet!!
Ich steuere den nächsten Autohof an. Naja, wenigstens eine überdachte Tankstelle haben sie hier. Öl ist genug drin. Ich versuche meinen Meisterschrauber per Handy zu erreichen, aber der geht nichts ans Telefon. So ist das halt Sonntags. Also dann eben: der ADAC. Der gelbe Engel kommt nach etwa einer Stunde angeflattert und nimmt mein Motorrad auseinander. Er schraubt gut und gerne eine weitere Stunde daran rum, erklärt, dass es wohl nur der Öldruckschalter sei, und dann, nach einer kurzen Probefahrt ist die Warnlampe tatsächlich aus. Vorläufig. Er empfiehlt sicherheitshalber einen Besuch beim lokalen BMW-Händler.
Bestandsaufnahme. Es ist nun viertel vor acht, sehr lange wird es nicht mehr hell sein. Ein Glück, dass ich in Tröstau (Wunsiedel) nette Bekannte hab. Ein Blick auf die Karte – das kann ja eigentlich nicht so wahnsinnig weit sein. Ich werfe Steffi – mein Navi – an und lass sie die Strecke nach Tröstau berechnen. Steffi meint 120 km. Ich erkläre sie für verrückt. Das können nicht mehr als 50 km sein. Höchstens 60. Ich werfe mein Motorrad an und fahre los. Nach 3 km leuchtet die rote Öldrucklampe wieder satt und warnend. Ich hoffe und bange, dass der gelbe Engel mit seiner Diagnose richtig liegt.
An den kleinen Seen, an denen ich vorbeifahre, steigt in der beginnenden Dämmerung malerisch und geheimnisvoll der Dunst in den Himmel aber mir ist gar nicht so nach Romantik und fotografieren zumute. Schlag 10 bin ich in Tröstau. Hab ichs nicht gleich gewusst – ziemlich genau 120 km……
Gegen Mitternacht rufe ich den Mobility Service bei BMW an. Sie versprechen, am anderen Morgen um 8 Uhr würde sich eine Werkstatt bei mir melden. Na, da kann man ja beruhigt einschlafen.
3.8.2009, Tröstau, km 89909
Es ist schon halb neun, da ruft der nahegelegene Freundliche BMW Händler an und eröffnet mir freudenstrahlend, dass er mein Motorrad abholen würde, um es in Rehau in der Werkstatt genau zu untersuchen. Mit solchen Fehlern wäre nun mal nicht zu spaßen, Kurz darauf, also zwei Stunden später, steht der Transporter vor der Tür und gemeinsam wuchten wir Iron Lady in den Sprinter. Da ist es ja schon fast tröstlich, dass das Wetter nicht gerade optimal für Motorradtouren geeignet ist. So kann ich mich ganz auf die Kirmes in Tröstau konzentrieren. Nach einem wirklich opulenten Mittagessen wird mir klar: das wird auch heute nichts mehr mit weiterfahren. Am Nachmittag gegen 15 Uhr kommt schließlich der erlösende Telefonanruf. Der defekte Motoröldruckschalter wäre ausgetauscht, das Fahrzeug könne abgeholt werden. Fein! Wie ich allerdings von Tröstau nach Rehau kommen kann, dazu kann er mir wenig sagen. So strapaziere ich die Gastfreundschaft der Betreiber meines Basislagers erneut und werde die 30 Kilometer gefahren, um meine reparierte und obendrein sauber geputzte Iron Lady wieder auszulösen. Nun, da ich meine Tour heute schon nicht fortsetzen kann, dann fahre ich einfach ein wenig durch das Fichtelgebirge, zum Beispiel nach Rehau Pilgramsreuth und dann weiter nach Martinlamitz. Aber es ist einfach nicht mein Tag. Bei Pilgramsreuth lande ich im fränkischen Nirvana, entnervt gebe ich mich geschlagen, ich steuere die B289 an, fahr dann über Schwarzenbach nach Kirchenlamitz. Dort fällt mir ein, dass ja Kaffeezeit ist und bei einer Bäckerei halte ich kurz vor Feierabend, um mir ein Tässchen Kaffee zu gönnen. Das schwarze Gesöff kostet zwar nur einen €, mehr als 20 Cent ist es nicht wert. Aber dafür bleibt mir der Nachgeschmack stundenlang auf der Zunge anhaften. Nach der glücklichen Rückreise nach Tröstau bleibt mir nur die Kirmes als Trost, und unter den Klängen bayrischer Volksmusik versuche ich ein wenig das Gefühl zu betäuben, dass das jetzt so weitergehen könnte…..
4.8.2009, immer noch Tröstau, km 89955
Der Tag beginnt grau, die 34° im Schatten werden noch auf sich warten lassen. Nach meinem zweiten wunderbaren Frühstück in Tröstau sage ich meinen Freunden lebewohl, hänge die Koffer an das Motorrad und starte los. Nach dem Reinfall mit dem Bayrischen Wald im letzten Jahr steht mein Entschluss fest, ich fahre zuerst Autobahn und will dann in Bayrisch Eisenstein (das klingt so hart) die Landesgrenze überqueren. Also fahre ich rund 100 km Autobahn, die ich mir zwei Tage zuvor selbst aufgehalst hatte, bis Schwandorf, und dann weiter mit Bundesstraße. Das geht relativ gut - bis kurz hinter Cham. Baustelle. Hier steht der Verkehr an diesem Dienstag vormittag, und der Anfang der Schlange ist gar nicht auszumachen. Kilometer lang stauen sich die LKWs und Fahrzeuge. Ich drehe und suche den Ausweg über Raindorf und ein paar Dörfer und lande schließlich irgendwo bei Voggendorf. Das ist das erste Mal auf meiner Tour, wo ich Steffi aus dem Tankrucksack hole, damit mein Navi mir sagt, wo ich eigentlich bin. Gleichzeitig ist es das erste Mal an diesem Tag, dass es zu regnen beginnt.
Eine halbe Stunde später hat mich Steffi rausgelotst und ich fahre an der Hindenburg Kanzel vorbei. Wunderschönes Panorama hier, die schwarzen Regenwolken allerdings trüben das Bild etwas.
Und dann stehe ich unvermittelt vor der Grenze – in Bayrisch Eisenstein oder Zelezna Ruda, wie der Ort auf der tschechischen Seite heißt. Es ist kurz vor eins, als ich dort bin. Wenn man es genau nimmt, bin ich jetzt seit zwei Tagen unterwegs und habe 440km meiner Strecke geschafft. 1800 km liegen aber noch vor mir bis Sibiu. Ob ich das jemals erreiche?
Jetzt auf böhmischen Straßen. Ich spüre es wieder, die Welt ist sofort eine Andere, sobald man die Grenze nach Tschechien überfährt. Ich fahre über Nova Hurka durch den böhmischen Wald Richtung Hartmanice.
Susice ist nicht weit, also mache ich einen Abstecher dorthin. Auf diesem Marktplatz kann ich mich an ein Gewitter vor 6 Jahren erinnern, aber auch an die interessanten Sgraffiti-Häuser.
Eigentlich wollte ich in Susice nur einen Kaffee trinken, aber heute ist Markttag und es ist irre was los. Außerdem sieht das Wetter nicht wirklich stabil aus. Also steige ich wieder auf und fahre weiter. Hartmanice, Rejstejn, Svojse, Kvilda. Schön, das hier wieder mal zu sehen. Die Landschaft ist einfach … Urlaub.
Polka, Horni Vitavice, Lenora, Volary und dann in Richtung auf den Moldau-Stausee. Und das Wetter erinnert mich an meine erste Fahrt auf dieser Route im Jahr 2003. Damals hat es in Strömen geregnet. So richtig regnen tut es heute noch nicht, aber so wie es aussieht, kann das auch jeden Moment anfangen. Blöd, denn ich hatte mir immer gewünscht, diese romantische Strecke mal bei schönem Wetter zu fahren.
Es ist kurz nach 16 Uhr, als ich Frymburk (km 90327) erreiche. Ein – zugegeben – touristisch geprägter Ort, dessen Café aber mindestens drei Sterne verdient. Ich beschließe: Hierher werde ich wiederkommen, am See campen und bei schönem Wetter im Moldaustausee schwimmen. Nur, heute wird das mit dem schönen Wetter bestimmt nichts mehr.
Ich bin eine dreiviertel Stunde im Cafe und Iron Lady im Halteverbot, dann fahr ich weiter. Ich mach noch eine kurze Fotopause an der Staumauer, dann geht’s weiter bis Vyssi Brod. Attraktion ist dort das Kloster, das auch wirklich schön renoviert ist. Für eine Führung komme ich natürlich zu spät und ich hätte ohnedies keine Zeit, aber ein Rundgang durch die renovierte Zisterzienserabtei könnte sich bestimmt mal lohnen.
Gut, also weiter. Jetzt geht’s über Rybnik bei Wullowitz und über die Grenze nach Österreich. Das erste Mal übrigens für Iron Lady, dass wir auf österreichischen Straßen fahren.
Das ist jetzt nett, aber nicht sensationell. Etwa eine Stunde, nachdem ich in Vyssi Brod das Motorrad gestartet habe, komme ich in Freistadt, Österreich an (km 90360). Zehn Minuten vor Sechs. Den Geschäften auf dem Marktplatz ist anzusehen, dass sie gleich genauso schließen werden, wie die Touristeninformation. Freistadt ist niedlich, aber es haut mich auch nicht vom Motorradsitz. Ob jetzt hier übernachten, oder wo anders, wird egal sein. Also fahre ich weiter.
Knapp zwei Stunden später komme ich in Zwettel an. Ein paar Umleitungen haben mich ziemlich aufgehalten, ich glaube, sie haben auch in Österreich ein Konjunkturprogramm für den Straßenbau aufgelegt, denn eigentlich waren das nach Wegweiser nur etwa 70km gewesen, aber ich glaube, ich bin bestimmt über 120 km gefahren. Gut, die Fahrt durch das Harrachstal war zwar nicht eingeplant, aber trotzdem sehr schön. Nun ist aber Endstation, denn es wird dunkel. Ich steige in der Innenstadt ab und studiere das Angebot an Unterkünften. Camping können wir vergessen bei dem Wetter. Völlig zufällig stoße ich auf die Pension Franzus. 35 € inclusive Frühstück sind akzeptabel, und 5 Minuten später habe ich die Auswahl zwischen dem buddhistischen Zimmer oder dem Biedermeier Zimmer. Gut, ich entscheide mich für Buddha. Iron Lady darf im Hof parken. Der Eigentümer ist Künstler und macht unter anderem Taschen aus Holz. Ich fühle mich sofort wohl in dieser liebevoll inspirierten und gestalteten Umgebung. Gegenüber gibt es in der Kneipe noch was Warmes zu Essen, dann kann ich noch ein wenig am Computer von Franzus meine weitere Route planen, aber kurz vor 11 werden meine Augenlider schwer, und ich begebe mich sozusagen in die Arme Buddhas.
5.8.2009, Zwettl, Niederösterreich, km 90444
Der Tag startet verhalten mit Sonne und einem guten österreichischen Frühstück. Als ich dann losgefahren bin, enttäuscht mich Niederösterreich nicht. Saubere Straßen mit einem fein gezogenen Mittelstrich und Nummernschildchen und natürlich ohne Schlaglöcher, keine bizarren Landschaften, alles irgendwie - normal. Beruhigend sanfte Hügel, Seen und Felder.
Ich fahre Richtung Osten und nach einer Dreiviertelstunde mache ich eine erste Pause in Horn. Die Sonne ist mittlerweile auch aufgewacht, und so schaue ich mir kurz das von Franzus fürchterlich verschmähte Städtchen an, das immerhin einen netten Stadtkern hat und das Denkmal mittendrin belehrt mich, dass 1832 hier die Cholera gewütet hat.
Cholera ist doch ansteckend? Also vielleicht doch besser, ich fahre weiter und über die sauberen Nebenstraßen über Eggenbrunn, Stoizendorf, Kleinstetteldorf, Ernstbrunn, Mistelbach, Zistersdorf und Dümkrut steuere ich Angern an der March an und genau über diese March bringt mich eine kleine klapprige Fähre. Gleichzeitig mit der March (km 90628) überquere ich die Landesgrenze zwischen Österreich und der Slowakei nach Zahorska Ves. Die verlassenen Grenzanlagen lassen einiges von europäischer Geschichte ahnen.
Obwohl Bratislava sehenswert sein soll will ich diesen Ballungsraum gerne weiträumig umfahren, daher führt mich mein Weg über Malacky nach Pernek und Pezinok (km 90679) bis Senec. Zwischen Pernek und Pezinok führt der Weg durch richtige Wälder und Berge über Serpentinen hoch und runter, eine richtig tolle Strecke. Aber der Rest des Programms ist dagegen ziemlich langweilig.
Da ich immer noch keine brauchbare Straßenkarte von Ungarn oder Rumänien habe, schaue ich in Senec mal an einer Tankstelle vorbei und finde tatsächlich einen Autoatlas von Ungarn, den ich gleich mitnehme. Dann denke ich, es müsste doch schön sein, ein wenig entlang der Donau zu reisen, also fahre ich südlich bis Samorin und dann auf kleinen Sträßchen der Donau entlang. Aber was für ein Irrtum. Auf der Straßenkarte liegt Straße und Donau direkt nebeneinander, in Realität bekommt man die Donau an genau einer Stelle kurz zu sehen, sonst versteckt sie sich. Anhalten, um ein schönes Foto zu machen, ist überflüssig und gegen 15 Uhr rolle ich in Komarno über die Brücke zwischen der Slowakei und Ungarn.
Auf ungarischem Boden werde ich gleichzeitig mit Sonne und mit Regen begrüßt, 34° Temperatur gibt’s allerdings auch hier nicht. Irgendwie hat der Feierabendverkehr schon eingesetzt und trotz neu erstandener Straßenkarte habe ich Orientierungsschwierigkeiten. Ein ungarischer Autofahrer sieht wohl die Fragezeichen auf meiner Stirn und er weist mir den richtigen Weg zum Etappenziel.
Esztergom ist zweifellos beeindruckend, eine der ältesten Städte Ungarns. Es gibt keltische, römische und slawische Vorfahren. Die klassizistische Basilika ist eine der größten Kirchenbauten Europas. Noch viel interessanter ist, dass es mir gelingt, unweit des Stadtzentrums sowohl einen Parkplatz zu ergattern als auch einen Geldautomaten der mir Forint ausspuckt und dazuhin kann ich noch ein Kaffeehaus zu finden, das Kaffee nach meinem Geschmack braut und dazu noch leckeren Kuchen anbietet.
Gut. Sehr gut. Schließlich hört auch der Regen auf. Der anschließende Versuch, sich an einem Hotspot ins Internet einzuloggen, scheitert, aber immerhin finde ich nach wenig Suchen eine richtige Tankstelle. Nach einem ausgedehnteren Stadtbummel setze ich meine Route fort. Ich hab mir doch „Die schönsten Routen in Ungarn“ mitgebracht und da ist die mit unendlich Kurven bestückte Straße zwischen Esztergom und Szentendre die Rede. So einfach ist die aber nicht zu finden, schließlich glaube ich sie gefunden zu haben. Nur, so richtig beeindruckend ist das auch nicht und vor Szentendre hab ich nicht mehr so den Eindruck, dass die Wegweiser richtig den Weg weisen. Ich verfahre mich in den Vororten von Szentendre, ich suche den Ortskern, aber finde ihn nicht, und ich bemerke, jetzt wird es langsam dunkel und ich muss mich nach einem Platz für die Nacht umsehen. Kurz vor sieben komme ich noch an einem Lidl vorbei, der gerade zu macht, da sehe ich ein Schild „Camping“ und auch wenn es nicht so aussieht, als könnten die tiefhängenden grauen Wolken die Nacht über dichthalten, beschließe ich, genau hier zu bleiben und mein neues Zelt unter den 1000 Sternen zu benutzen. Die nette freundliche Empfangsdame am Eingang von Pap-Sziget Camping (www.pap-sziget.hu) ist entsetzt: nur eine Nacht? Das scheint ungewöhnlich zu sein.
Ich bin hingerissen von der Aufbauzeit: Nach genau 3 Minuten steht mein Zelt. Viel länge hätte es allerdings auch nicht dauern dürfen, sonst hätten mich die Schnaken und Stechmücken leergesaugt. Die Donau ist gerade mal 20 Meter entfernt.
Jetzt Hunger. Also steuere ich das Campingplatzrestaurant an. Ich nehme auf der Terrasse an einem Tisch Platz und warte. Der Kneipenchef spricht mit anderen Gästen, räumt Tische ab und deckt ein, nur von mir scheint er keine Notiz zu nehmen. Bikerallergie? Deutschfeindlich? Sowas hab ich doch schon mal in Tschechien erlebt, als ich fast eine Stunde in einer Kneipe saß und Mösieur de Terrasse später meinte, er habe mich nicht gesehen. Ich will schon in Betracht ziehen, wieder zu gehen, als er kommt und alles wird gut. In Ungarn muss ich natürlich Gulaschsuppe essen. Ohhhhhh, ein Genussssss…..
6.8.2009, Szentendre, km 90963
Der Tag beginnt mit Regen und ich hüpfe über die Pfützen in die sauberen und gut gepflegten Duschen des Campingplatzes. Obwohl, Duschen? Wozu bei dem Wetter eigentlich. Der Regen hört gerade auf, grau bleibt es trotzdem. Wo verdammt sind die 34° C im Schatten….?
Ich stehe schon früh an der Schranke des Campingplatzes, das Häuschen ist gar nicht besetzt. An dem Kiosk bekomme ich schon einen Kaffee ausgeschenkt. Ich unterhalte mich mit einem rumänischen Ehepaar, das nach Nürnberg fährt und erzähle, dass ich nach Rumänien will.
Dann darf ich losfahren, und ich will nun doch noch die Altstadt von Szentendre finden und ansehen. Viel Wert auf Tourismus scheinen sie nicht zu legen. Kein Wegweiser, kein Schild nichts. Ich kurve um die Gegend, in der das Stadtzentrum liegen müsste, stelle dann Iron Lady ab und gehe zu Fuß weiter. Aha, hier ist das. Gut versteckt, aber dann doch zu finden. Kleine Gassen, Treppchen, Läden – hat richtig Stil. Warum verstecken sie das wohl? Vielleicht wollen Sie gar nicht, dass Touristen hierher kommen. Eine Statue von Petöfi steht vor einer Kirche. Wer ist eigentlich Petöfi?
Schön, nun muss ich aber weiter. „Die schönsten Motorradrouten in Ungarn“ schlägt vor, über Pilisszentlaszlo nach Visegrad zu fahren und dort das Freilichtmuseum von „Skanzen“ anzusehen. Sicher haben sich schon einige Ungarn gewundert, weshalb in Deutschland so viele Orte „Umleitung“ heißen. „Skansen“ heißt im slawischen „Freilichtmuseum“, hoffentlich haben das die Autoren des Buchs gewusst….
Der Weg dorthin ist schon kurvig, aber nicht eben außergewöhnlich. Vom Freilichtmuseum fällt erst mal auf, dass es von einer sehr hohen Hecke umgeben ist, die auch gar keinen Blick in das Museum zulässt, das ohnedies an diesem Morgen noch gar nicht offen ist. Also, der Besuch wird gestrichen und ich fahre diese hoch gerühmte Strecke bis Visegrad, also gut, nett, aber nicht sensationell. Visegrad ist 10 Minuten später schon erreicht und empfängt mich mit einer Statue die wohl vom katalanischen Castellon gestiftet ist, direkt an der Donau. Oben auf dem Berg gibt es eine Burgruine, aber ich finde die Abzweigung nach da hoch nicht und bei dem trüben Wetter ist der Ausblick vielleicht doch nicht so schön. Also mache ich mich auf die Suche nach der Fähre über die Donau, da es Brücken hier offenbar gar nicht gibt.
Zwei, drei Mal hin- und hergefahren, die lustige ungarische Sprache macht das Finden
auch nicht gerade einfacher, dann hab ich aber die Fähre gefunden. Blöd. Die Fähre fährt (haha, was sollte sie sonst tun..) nur jede Stunde mal, und sie ist vor 10 Minuten abgefahren. Ärgerlich. Aber nicht zu ändern. Also kehre ich in dem Cafe an der Fähre ein, und während die anderen Wartenden so früh am Morgen schon mit Spiegelei und Speck anfangen versuche ich der Bedienung am Tresen klarzumachen, dass mir nach einem Milchkaffee dürstet.
45 Minuten später ist der graue Himmel immer noch grau, aber die Fähre fährt los und gleichzeitig lichtet sich die Wolkendecke, die ersten Sonnenstrahlen zeigen sich und blauer Himmel. Runter von der Fähre auf der anderen Seite und ich fahre ein paar Kilometer die Donau entlang bis Veroce, dann nördlich nach Retsag, Ersekvadkert bis Balassa-Gyarmat, weiter über Szecseny Richtung Hollokö. Hier sind es wieder schöne Landstraßen, nur ein wenig zu gerade, die durch eine schöne hügelige Landschaft führen.
Und dann bin ich in Hollokö (km 91087), das Dorf das so originalgetreu erhalten geblieben ist, dass es von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Das ist nun ein echtes Freilichtmuseum. Ich laufe über das grobe Kindskopfsteinpflaster in das Dorf hinein. Wer in so einem Dorf wohnt, braucht bestimmt eine Enduro. Auf beiden Seiten des Weges versuchen die verbliebenen Dorfbewohner die dörflichen Erzeugnisse (Deckchen, Figürchen) an den Mann oder an die Frau zu bringen, und es kommen schon leichte Zweifel auf, ob es sich nicht nur um eine Art Disneyland handeln könnte. Über die Burg „Rabenstein“ über dem Dorf ranken sich natürlich Legenden und Geschichten, wie sie sich um jede Burg ranken. Ich steige den Berg hinauf zur Burgruine und habe einen schönen Ausblick auf die Wälder rings um Hollokö. Die Abfahrt zu Hollokö ist übrigens leicht zu finden: an der Straße steht eine große Statue eines schwarzen Rabens.
Nun genug gelaufen und gesehen. Ich starte wieder und jetzt steht Eger als Etappenziel auf dem Plan. Über Paszto und Matraszentimre fahre ich durch das Matra-Gebirge und hier mache ich mir einen Extra-Vermerk in mein Notizbuch: „geniale Motorradstrecke“. Schlechte enge Straßen, Serpentinen, Berge, Kurven, Wald, Aussicht, Natur – kurz, hier ist es wunderschön.
Zwei Stunden später lande ich in Eger (km 91188), ich stelle Iron Lady ins Parkverbot und betrete das Stadtzentrum zu Fuß.
Eger ist eine 1000 Jahre alte Kleinstadt, Perle des Barocks, die während des Mongolensturms (1241) (Mongolen in Ungarn? Hatten die damals schon Motorräder?) fast völlig zerstört und im Türkenkrieg (1552) ein Bollwerk war. Davon zeugt noch das Riesendenkmal, das ja nun mal nicht zu übersehen ist. Eger ist historisches Weingebiet, (das nützt mir aber jetzt wenig) – und bekannt für das Thermalwasser, nur Kaffee wär mir jetzt lieber. Die große Burg lädt ein zur Besichtigung, aber Burgen hab ich heut schon besichtigt, auch diese wird kaum wesentlich anders aussehen.
Für eine Kleinstadt ist Eger erstaunlich groß. In den Bars und den Läden der Altstadt drängeln sich die Touristen durch. Das 35 Meter hohe Minarett ist das höchste Bauwerk der Stadt, von oben soll man einen schönen Rundblick haben, aber ich spare mir den Aufstieg. Eigentlich bin ich ja auf der Suche nach einem Café und mein Coffeinscanner zeigt lange nicht an. Bis ich das „Egri Dobos Cukrászda“ gefunden habe (Széchenyi István utca 6), hats etwas gedauert, aber dann finde das Kaffeehaus, in dem es eine gigantische Auswahl an leckeren Torten gibt und das dem „Sacher“ in Wien kaum nachsteht. Ich fülle meinen Zuckerspiegel gewaltig auf, ich schau auf die Uhr, ich habe noch Strecke vor mir, also los….
Ich fahre nun südlich, erst nach Kerecsend, Füzesabony und dann Besenyötelek und Tiszafüred Richtung Debrecen. Die Straße ist kerzengerade und topfeben. Das muss ungarische Puszta sein, hier sprüht es nicht gerade Funken vor Spannung und auf dem Motorrad muss ich darauf achten, nicht beim Fahren einzuschlafen. Die Route führt durch den Hortobagyi Nationalpark, das größte mitteleuropäische Steppengebiet. Steppe, wohin man auch schaut, manchmal unterbrochen durch Seen.
Einen Vorteil hat die Eintönigkeit dennoch – sie sorgt für ein vergleichsweises schnelles Vorankommen und so bin ich zwei Stunden nach Verlassen von Eger bereits im Stadtzentrum von Debrecen (km 91321), mitten im Berufsverkehr. Es ist kurz vor 18 Uhr, die letzten Campingplätze hab ich im Nationalpark gesehen, hier gibt es selbstverständlich keine Hinweisschilder auf Campingplätze mehr, das hatte ich mir schon so gedacht. Die Grenze nach Rumänien ist nicht weit, eigentlich könnte ich weiterfahren, aber da ich nicht weiß, was mich dort erwartet, entscheide ich mich, in Debrecen zu bleiben.
Ich stelle das Motorrad am Stadtzentrum ab und mit Glück und der Hilfe eines Infostandes für Touristen gelingt es mir mit wenig Mühe, ein Internet Cafe zu finden, und dort kann ich mir eine Liste von Hotels zusammenstellen. Auch ein Campingplatz ist im Internet zu finden, leider aber bleibt ziemlich unklar, wo der liegen könnte. Das Hotel „Centrum Panzio“ ist dagegen ganz in der Nähe, also nichts wie hin. Ich werde sehr freundlich empfangen, wir einigen uns schnell auf € 35,00 und der Chef des Hauses führt mich durch einen japanischen Mini-Park zu meinem Appartement in einem Häuschen hinter dem Haupthaus. Für Iron Lady würde es später auch noch einen überdachten Carport geben. Und: ich habe freien Internetzugang – da kann ich später noch ein paar eMails verschicken. Jetzt brauche ich erst mal eine Dusche, dann schwinge ich mich noch einmal auf Iron Lady und mache noch eine kleine Stadtrundfahrt durch Debrecen. Ich lächle über das Verkehrsschild mit dem Pferdegespann und an der Universität – wow, sehr beeindruckend – schmiere ich meine Kette. Ich finde noch einen Getränkeladen, und kann ein wenig ungarisches Bier einkaufen.
Jetzt ist es 20 Uhr und es wird schon dunkel als ich das Motorrad im Carport parke und in die City zu Fuß gehe, um noch etwas zu Essen.
Im Centrum haben alle Restaurants auf der Straße Bänke und Tische aufgestellt. Wie die Polen scheinen es auch die Ungarn zu mögen, in der Kneipe nicht gesehen zu werden, sie sitzen alle im Dunkeln. Überhaupt sehe ich in dem Dämmerlicht nur Menschen mit Trinkbarem, keiner hat was zu Essen. Ich befürchte schon, verhungern zu müssen, als ich ein Restaurant mit reichhaltiger Speisekarte finde. Die Bedienung nickt freundlich, als ich (auf englisch) frage, ob ich noch etwas zu essen bekommen kann. Eine Stunde später habe ich hervorragend gegessen und spüre ein wenig die vielen Stunden auf dem Motorrad. Jetzt freue ich mich auf ein komfortables Bett….
Noch einmal ruhig schlafen, bevor die Abenteuer in der Wallachei beginnen ....
Wie geht es weiter? Im Traum höre ich die Schritte Draculas schon hinter mir ..... ´
schauen wir in der nächsten Folge weiter
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Schöner Bericht, Danke!
Gruß: Dirk