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against-the-wind 06.06.2010

Einmal Rumänien und Ukraine und zurück (Teil 2)

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Einmal Rumänien und Ukraine und zurück (Teil 2)

Karpaten-Tour 2009
bis Ungarn bin ich schon vorgedrungen. Jetzt geht es weiter durch die abenteuerlichen Verkehrsverhältnisse Rumäniens auf der Suche nach den Spuren Draculas
7.8.2009, Debrecen, km 91330
Der Tag beginnt sonnig und außerdem mit einem leckeren Frühstück. Ich sattle auf und starte Richtung Süden. Nun bin ich doch sehr neugierig, ob der Campingplatz in Debrecen zu finden ist und tatsächlich, ich finde Hinweisschilder und schließlich auch den Campingplatz selbst. Allerdings ist er geschlossen, keiner weiß warum. Das wäre eine schöne Überraschung gewesen, wenn ich Platz gestern hätte finden wollen. Nun will ich vom Campingplatz zurück auf die Hauptstraße, ich denke, da gibt es eine Abkürzung und plötzlich bin ich in einem Labyrinth von Umleitungen und Baustellen und werde immer weiter in ein Neubauviertel geführt. Die Straßen wandeln sich zu Bauwegen, nur die Hauptstraße nach Oradea ist nun auch gar nicht mehr in Sicht. Eine halbe Stunde kurve ich herum, bis ich endlich wieder die Peilung und die Hauptstraße finde. Ich verlasse aber die N47 nach Süden und fahre über Hoszzupalyi und Pocsa auf Nebenstraßen Richtung Grenze. Hier ist jetzt wieder Wald und Naherholungsgebiet. Und natürlich: auch gleich drei Campingplätze, allesamt schön gelegen….

Da ich nicht weiß, ob es in Rumänien auch ausreichend Tankstellen gibt, will ich nochmal auf ungarischer Seite auftanken. Kurz vor der Grenze ist auch ein Schild das auf eine Tankstelle hinweist. Nur ist sie leider nicht zu finden. Ich fahre hin, ich fahre her, schließlich frage ich ein Paar Polizisten, die an der Straße stehen und wohl gerade Lagebesprechung machen. „Kein Problem“ meinen Sie und deuten zurück in Richtung Ungarn. Es dauert noch einmal gut eine Viertelstunde, bis ich endlich diese Tanke gefunden habe. Erst später wird mir klar, warum dies hier die einzige Tankstelle in der Umgebung ist – auf der rumänischen Seite gibt es Dutzende von Tankstellen und das Benzin ist dort deutlich billiger. Hier auf der ungarischen Seite bekomme ich zwar teueres Benzin, aber eine Straßenkarte von Rumänien suche ich vergeblich (….dafür hatten sie eine von Island…).
Frisch getankt fühle ich mich gut gerüstet, ich fahre Richtung Grenze. Völlig auf ein grenzenloses Europa eingestellt drossele ich am Grenzübergang mein Tempo etwas aber fahre langsam durch die Grenzanlagen, als mich ein scharfer Pfiff und ein „Stopp!!“ aus der Konzentration reißt. Ein leibhaftiger Zöllner steht vor mir, schaut mich vorwurfsvoll und doch lächelnd an, und verlangt, meinen Ausweis zu sehen. „Herr Helmut !!“ sagt er mahnend – ich habe gar nicht mehr daran gedacht, dass Rumänien nicht mehr Schengen-Bereich ist und hier noch eine Grenze existiert. Nun gut, ich weiß, jetzt bin ich in Rumänien angekommen.
Direkt hinter der Grenze tausche ich mir etwas rumänisches Geld ein. Mit der ganzen Umrechnerei (4 Leu sind ein Euro oder 270 Forint …) werd ich noch ganz durcheinander.
Die wenigen Kilometer von der Grenze bis Oradea sind trostlos. Das muss ein riesiges Industrieviertel sein. Eine Werbetafel an der anderen, ein Industriekomplex neben dem nächsten. Lastwagen überall und schlechte Luft. Und dann bin ich in Oradea. Zuerst fällt mir auf: es sind unglaublich viele Menschen auf den Straßen. Und: es herrscht ein Verkehr wie auf einem Bazar. Hier wird nicht nur gefahren, hier wird gedrängelt, geschubst, abgedrängt, und vor allem immer wieder gehupt und geflucht. Wozu sind hier eigentlich Verkehrsschilder aufgestellt worden. So gut wie keiner hält sich daran. Vorfahrt hat der, der sie sich nimmt. Der erste Eindruck von Rumänien: Das ist eine Kreuzung aus Müllhalde, Industriegebiet und Baustelle.
Ganz einfach ist es nicht, sich in dem Verkehrschaos zurechtzufinden, aber immerhin, es gibt Wegweiser und ich kann mich Richtung der E79 nach Beius orientieren. Dann endlich lichtet sich das Verkehrsgewühl, ich lasse diese Großstadt hinter mir und fahre rumänische Landstraße. In der Ferne sehe ich Berge in dunklen Wolken, dunstig ist es, ich hoffe, das Wetter wird halten, immerhin liegen noch fast 400 km vor mir.


Ich stelle mich auf eine gemütliche Überlandfahrt ein, nur leider wird es nicht ganz so gemütlich wie ich mir das gewünscht hätte. Es gibt zwar außerhalb der Stadt keine Kreuzungen und Kreisverkehre mehr, trotzdem fahren die Rumänen in einer Art und Weise, die mich irgendwie an Wrestling erinnert und mir fremd ist. Autobahnen gibt es ja fast gar nicht. Also teilen sich die Autos die Landstraße mit den Lastwagen, Motorradfahrern und den Pferdefuhrwerken. Und natürlich gibt es Streckenabschnitte, in denen Überholen wegen der Unübersichtlichkeit unmöglich ist und eine Autoschlange sich kilometerlang hinter einem LKW herquält. Die Rumänen hält das aber nicht wirklich davon ab, trotzdem zu überholen. Kurve oder nicht. Sie scheren aus, drücken aufs Gas, überholen zwei, drei Autos, und kurz vor dem Zusammenprall mit dem Gegenverkehr wird in die Schlange wieder hineingedrückt und der noch zuletzt Überholte zu teilweise riskanten Brems- und Ausweichmanövern gezwungen. Motorradfahrer sind da eine leichte Beute. Die können ja schließlich ganz einfach ins Gelände ausweichen. Was müssen die auch auf der Straße fahren …!
Schon nach wenigen Kilometern kommen ernste Zweifel bei mir auf, ob es denn für „Sicherheitsabstand“ eine rumänische Übersetzung gibt. Bei meinen Motorradtouren habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, einen ausreichenden Abstand zum Vordermann zu halten. Hier, auf rumänischem Boden kommt das einer Einladung an den Hintermann gleich, dass ich ihm den Platz freihalte. Sobald der Abstand mehr als etwa 2 Meter beträgt, setzt das hinten fahrende Auto automatisch und gnadenlos zum Überholen an. Völlig unverständlich, wenn der Lückendrücker von eben, der nun 10 Fahrzeuge überholt hat, dann plötzlich rechts auf einen Parkplatz abbiegt, um sich die Beine zu vertreten. Also, aus der gemütlichen Überlandfahrt wird eher ein Nahkampf-Turnier und ich bin dann doch glücklich darüber, dass, je weiter ich die Großstadt Oradea hinter mir lasse, der Verkehr weniger und entspannter wird.
Etwa 60 km später ist es Mittagszeit und ich mache einen kurzen Stop in Beius. Ich finde zwar die Banca Transilvania, (Blutbank?) aber kein Cafe, wie ich es mir vorstelle. Also halte ich mich nicht lange auf und fahre weiter.

40 km später steht ein weißes Pferd ordnungsgemäß geparkt an einem Parkplatz am Straßenrand in einer Parkbucht. Ich glaube, der Besitzer war gerade Beeren sammeln.

Die Dörfer durch die ich jetzt komme, haben etwas sehr „rumänisches“, nämlich einen Wasserkanal zu beiden Seiten der Straße. Zu den Höfen der Häusern führt eine extra Zufahrt über den Wasserkanal. Wieviele Autos – so frage ich mich – fahren hier jedes Jahr in so einen Graben?

Dann, pünktlich zur Kaffeezeit, hat sich die dunkle Wolke zu einem Gewitter verdichtet. Als der Regen losbricht schaffe ich es mal wieder glücklicherweise bis zu einer Bushaltestelle, in der sich bereits ein Hund verkrochen hat. Direkt neben der Bushaltestelle gibt es noch so eine Art Kiosk. Ich geh dort hinein. Tatsächlich wird dort auch Kaffee (naja, sagen wir mal kaffeeähnliches Getränk) verkauft. Eine der wenigen Artikel, die der Laden hat, sind offenbar Kekse, also kaufe ich mir Kaffee und Kekse und nehm sie raus in meine Bushaltestelle. Der Regen macht gar nicht den Eindruck, als wolle er aufhören. Der Kaffee schmeckt ganz übel. Die Kekse sind geringfügig besser. Nach einer dreiviertel Stunde hab ich genug vom Warten, der Regen ist weniger geworden, ich fahre weiter. Wenn ich heute noch Sibiu erreichen will, muss ich mich ranhalten.
Mangels genauer Karte habe ich wenige Möglichkeiten, kleinere Straßen auszuprobieren. Ich bleibe also auf der E79, fahre durch Deva und Simeria auf die E68 um dann später vor Sebes plötzlich in einem kilometerlangen Stau zu stehen. Nur sehr mühselig quälen sich die Autos durch Sebes durch und ich scheue mich, die Karawane auf Bikerart zu überholen, da ich mir nicht sicher bin, ob mir nicht einer mit dem Gewehr hinterherschießt. Dann schließlich hat auch dieser Stau ein Ende und die letzten 60 km bis Sibiu gleichen mehr einer Schnellstraße. Teilweise ist die 4-spurig ausgebaut. Über etliche Kilometer davon „begleitet“ mich eine rote BMW F650GS mit rumänischem Kennzeichen bis sie mir davonzieht. Kurz darauf sehe ich sie wieder am Straßenrand und den Fahrer daneben am Handy. Fahrer? Nein, es ist eine Fahrerin.
Dann, endlich, liegt Sibiu vor mir. Von der wunderschönen Stadt und dem Weltkulturerbe der UNESCO zeigt sich erst wenig, dafür umso mehr der Industriegürtel um die Stadt. Auf Anhieb gelingt es mir, die Innenstadt zu finden – der Kirchturm ist ja auch nicht zu übersehen - und ich parke Iron Lady fürs erste im Halteverbot (km 91758) , da legales Parken hier wohl nicht vorgesehen ist. Ein paar Schritte Richtung Kirche und ich bekomme einen ersten Eindruck von der interessanten Schönheit dieser Stadt.





Nun muss ich aber erst mal eine Bleibe suchen. Das „Camping Ananas“ hab ich mir schon in Debrecen rausgeschrieben. Ich gebe die Adresse Cimitirului ins Navi ein und Steffi führt mich in eine Plattenbausiedlung. Dort scheint es alles zu geben, nur keinen Campingplatz. Gut, dann eben Costas, ein Hotel für 19€ in der Vasile Milea 26. Obwohl mich Steffi prima dorthin leitet – so einfach zu finden ist das gar nicht. Ich laufe hin und her, dann stehe ich schließlich doch am Ziel: Pension direkt an der Hauptstraße, das kann ja heiter und erholsam werden. Ich klingele, werde freundlich begrüßt, nur, sie sind voll belegt. Hm, das ist nicht mein Tag. Mein Navi beginnt nun auch zu schwächeln, und es wird leicht dämmrig. Bei einer Tankstelle in der Nähe habe ich wenigstens insofern Glück, dass ich einen Stadtplan erstehen kann. Jetzt sehe ich, was Sache ist. Gut, das „Camping Ananas“ ist immerhin etwa 12 km entfernt, die Pensiunea Carmen nur 3 km. Carmen hat gewonnen.
Die str. Podului 79 habe ich lokalisiert, ich mach mich auf den Weg durch das abendliche städtische Verkehrsgewühl. Ich frage mich wieder, wie die rumänischen Verkehrsteilnehmer angesichts der Fahrweise unfallfrei ihre Tage hinter sich bringen. Es muss da einen Trick geben.
Der Weg zur „Pensiunea Carmen“ (www.pensiunecarmen.ro) führt über eine große Brücke, dann halblinks abbiegen, jetzt werden die Häuser und die Straßen schon kleiner. Dann entfällt der Straßenbelag, es geht auf Piste weiter. Verflixt, wie weit geht das denn noch raus. Endlich sehe ich den Wegweiser zu „Carmen“. Was? wo soll das denn sein? Eine Kreuzung zwischen Feldweg und Schotterpiste führt steil bergan. Erst zögere ich, aber dann weiß ich, ich habe keine Wahl. Also heize ich mit Vollgas etwa 400 Meter durchs Gelände und über einen Schotterweg und stehe vor einem ganz neuen Gebäude – die Pension Carmen – und es kreuzen sich mehrere wunderbare Gegenbenheiten, die so nicht vorhersehbar waren.


Sabin ist der Chef des Hauses, und ich verstehe erst den Sinn der Frage nicht: „How did you find us?“. Es zeigt sich, dass Sabin ein leidenschaftlicher Endurofahrer ist, der jahrelang Motorradsport betrieben hat, und nun sein Motorradhotel, nämlich Pensiunea Carmen, in Sibiu aufgebaut hat. Von dort aus bietet er geführte Motorradwanderungen offroad in der Gegend von Sibiu an (www.endurotours.ro). Dafür stehen in seiner Werkstatt mehrere KTMs. Für mich hat er selbstverständlich ein Zimmer frei, ich traue mich mit meinen dreckigen Motorradstiefeln fast nicht, das elegante Appartment zu betreten. Iron Lady kann ich direkt vor meinem Eingang parken, und das wireless internet funktioniert ohne Probleme selbst auf meiner Terrasse.
Ich lade aus und starte Iron Lady wieder zur ersten Stadterkundungsfahrt. Bobby, der Wachhund bellt sich die Lunge aus dem Leib, er hat´s auf Motorräder abgesehen. Ich parke das Motorrad wieder am Stadtzentrum und mache meinen kleinen Ausflug. Ich habe Hunger, die Pizzerien auf der Plaza gefallen mir nicht, da stolpere ich über den „Weinkeller“, ein kleines Restaurant mit klar deutschen Wurzeln und einer Speisekarte, die meinen Gaumen in Wallung bringt. Ich werde auch in den nächsten Tagen hierher kommen, und habe es nie bereut.
Nach dem Essen würde ich ja noch gerne ein Bier als Schlummertrunk kaufen. Ich finde einen Getränkeshop, der noch offen hat, gehe hinein. Die Frage nach dem Preis der zwei schwarzen Dosen geheimnisumranktem Gerstensafts gestaltet sich schwierig, aber der nette Herr an der Kasse, den ich bei einem Gespräch mit einem Bekannten unterbreche, nimmt einen Tischrechner zur Hand und tippt ein und ich sehe eine 27. Gut, eine Dose 27 Leu, zwei Dosen dann 54.

Leise ertönt eine Warnglocke in irgendeiner Gehirnwindung in mir, aber ich vermute falschen Alarm, weil ich durch die ganze Umrechnung von Euro in Forint und Lei schön völlig gaga bin. Ich zähle exakt 54,00 Leu auf die Theke und bekomme noch eine Plastiktüte gratis. Kaum bin ich aus dem Laden, rechne ich überschlägig nach. Ich habe an der Grenze 100€ getauscht und dafür 400 Leu bekommen, wenn die zwei Dosen Bier nun 54 kosten … dann wären das ja fast 14 €? Ich zögere. Entweder, das Bier ist hier wirklich so teuer, oder da hat mich einer gerade heftig über den Tisch gezogen. Ich gehe zurück und nochmal in den Laden. Verkäufer redet immer noch mit seinem Bekannten. Ein Blick in den Kühlschrank belehrt, dass die anderen Biere knapp unter 3 Lei kosten. Kann das wirklich sein, dass ich zum Edelbier in vergoldeten Dosen gegriffen habe? Ich spreche den Verkäufer an. Jetzt ist Verständigung plötzlich gar nicht mehr möglich. Er spricht weder Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch noch Polnisch. Mit Händen, Füßen, Kugelschreiber und Notizblock verdeutliche ich, dass ich ihm 54 Leu gegeben habe. Er versucht mir klarzumachen, dass ich ihm vielleicht ja nur einen 10 Leu Schein gegeben haben könnte. Das besänftigt mich aber nun auch überhaupt nicht mehr. Dann hätte er immerhin 4,60 Leu zurückgeben müssen, was er auch nicht gemacht hat. Gut, ich hätte besser aufpassen sollen, ich ärgere mich über mich selbst. Ich bin schon dabei, die Sache als Lehrgeld abzubuchen, als ich sozusagen als letzte Drohung bluffe und verdeutliche, dass ich jetzt zur Polizei gehen werde. Stille im Shop. Das Wort „Polizei“ war offenbar international verständlich. Der Bekannte des Verkäufers verdrückt sich. Der Verkäufer öffnet die Kasse und zählt einen Stapel Scheine und Münzen heraus, gibt ihn mir, zuckt mit den Achseln und sagt „scusi“. „Netter Versuch“ denke ich anerkennend. Der Bluff hat ja offenbar gut funktioniert.
Dann schlägt die Müdigkeit zu. Ich kenne den Weg zur Pension mittlerweile leicht, ich habe mir die Stellen in der Straße mit den größten Schlaglöchern gemerkt, also finde ich unbeschädigt zurück. Mit dem Inhalt der zwei Bierdosen komme ich langsam zur Ruhe und überlege, wie es morgen weitergehen soll. Der Abendhimmel ist wolkenlos und dunkelblau. Könnte gut werden, morgen.
Samstag, 8.8.2009, Sibiu, km 91775
Ich schlage die Augen auf und vor meinem Fenster erstreckt sich blauer Himmel mit Schäfchenwolken. Endlich. Gut gelaunt bekomme ich von den ausgezeichnet deutsch sprechenden Schwiegereltern von Sabin das Frühstück angeboten und Sabin schlägt mir eine Fahrt im Süden von Sibiu vor. „There will be a little Shotterstrecke“ meint er. Ich freue mich drauf. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, was auf mich zukommt….
Der blaue Himmel ist einladend, ich bin sicher, ich habe mir eine einfache Tour zusammengestellt, da ist noch Zeit für ein wenig Sibiu-Besichtigung. Ich laufe durch diese schöne wiederaufgebaute Innenstadt, an einigen Stellen hat der Wiederaufbau allerdings noch auf sich warten lassen.
Natürlich bin ich neugierig. Auf der Karte hab ich gesehen, der Campingplatz liegt nicht direkt in Sibiu, sondern in Cisnadioara. Das kann ich bequem in meine Tour einbauen. Schon auf dem Weg dorthin fallen mir die Pferdefuhrwerke auf. Die sind mir schon in Oradea aufgefallen, dort habe ich so 4 oder 5 davon gesehen. Jetzt allerdings sehe ich sie überall. ich glaube, an diesem einen Tag sehe ich mehr Pferdegespanne, als in meinem gesamten Leben bisher überhaupt.

Selbstverständlich habe ich die Berichte der Rumänienreisenden gelesen und auch bei den Pferdefuhrwerken geschmunzelt, ja sogar heimlich mir eine so romantische Begegnung ausgemalt. Nun aber stelle ich fest: Das Pferdefuhrwerk ist hier ungefähr so selten wie ein VW Golf in Frankfurt.
Ich brauche gut eine halbe Stunde, bis ich den Zeltplatz Ananas gefunden habe. Nun ja, für Campingbusse und Wohnwagen ist der sicher gut geeignet. Für den Biker mit Dackelzelt vielleicht dann doch nicht so. Schön gelegen, aber doch 12 km von Sibiu entfernt. Ich bereue meine Wahl von Pensiunea Carmen nicht. Ich hab es warm, bequem, trocken, eigene Dusche und vor allem: ich bin nur 5 Minuten vom Stadtzentrum entfernt. Trotzdem beschäftigt mich die Frage: warum gibt es so wenig Campingplätze in Rumänien?

Gut, nun beginnt die Tour eigentlich, ich fahre die E81 Richtung Süden an Talmaciu vorbei den Fluss Olt entlang. Der Verkehr ist wieder dicht, die rumänische Fahrweise provokativ. Bei Cainenii Mari biege ich ab, fahre über den Fluss. Jetzt wird es hügelig. Und wenige hundert Meter nach dem Abbiegen endet die geteerte Welt. Jetzt ist das eine Piste, festgefahrene Erde mit Schotter. Natürlich rumpelt und klappert das ganze Motorrad und anfangs fahre ich noch vorsichtig und prüfe immer wieder, ob mein Topcase und der Seitenkoffer eigentlich noch mitfährt. Nach ein paar Kilometer werde ich mutiger. Alleine schon, weil ich nicht ewig mit 25 km/h unterwegs sein kann, einfach auch, weil es bei höheren Geschwindigkeiten auch nicht mehr rumpelt und scheppert. Die Route führt über Boisoara und Titesti und ich rumple durch eine Menge kleiner Dörfer ohne Namensschilder.




In Boisoara mache ich ein kurzes Päuschen. Eine Familie mit Pferdewagen kommt mir entgegen. Eine Frau kommt aus einem Haus und geht zum Brunnen, um Wasser zu holen. Ein Auto begegnet dem Pferdewagen.

Seltsame Idylle. Ich fahre weiter. Im nächsten Dorf eine wieder Mal neue Kirche. Ein Brunnen mit Heiligenbilder am Wegesrand und eine neu erbaute Kirche, ich ziehe gerade meine Kamera aus der Tasche, da steigt die Temperatur doch kurzzeitig auf über 34°: mit göttlicher Anmut schwebt an mir eine Dorfschönheit auf der Shotterpiste vorbei, mit einem Kurz-kurz-Minikleid das mich einen Moment vergessen lässt, dass ich mitten in der rumänischen Wallachei bin. Heya, ich merke gar nicht, dass meine Camera völlig falsch eingestellt ist. Aber eigentlich wollte ich doch den heiligen Brunnen fotografieren




Zum fehlenden Straßenbelag, zu allerlei Schlaglöchern kommen beschädigte Kanalröhren in der Straße. Aufmerksame Rumänen haben die größten Löcher in den Röhren freundlicherweise mit Ästen und Zweigen markiert. Für die wenigen Autos oder LKWs, die hier vorbeikommen. Längst teile ich mir den Weg nicht nur mit motorisiertem Gerät oder Pferdewagen. Schweine, Pferde, Hühner, Gänse, Esel und Hunde haben sich des Fahrwegs bemächtigt. Ein am Straßenrand schlafendes Schwein ist dabei weniger eine Gefahr, viel eher die Hunde, die sich einen Spaß daraus machen, sich besonders vor Motorräder zu schmeißen, und weniger skrupellose Fahrer damit zu einer Vollbremsung zu zwingen, um diesen am Hosenbein zu schnappen und im Garten zu verscharren. „Bellende Hunde beißen nicht“ fällt mir ein, aber ich bin angesichts der Aggressivität dieser Viecher nicht so überzeugt davon, dass die das auch wissen. Zudem haben manche dieser Vierbeiner eine erstaunliche Kondition und sind in der Lage, zugleich bellend und hechelnd kilometerweit neben einem Motorrad herzurennen, während dessen Fahrer im zweiten Gang bei Vollgas die Piste nach Felsbrocken, Löchern und perforierten Kanalröhren abscannt. Die blöden Viecher nerven total, und da ich mittlerweile den Eindruck habe, der rumänischen Landbevölkerung ist ein Hund mehr oder weniger egal, gewöhne ich mir das Bremsen bei heranstürzenden Hunden völlig ab, ja ich fahre direkt auf sie zu, und tatsächlich – jetzt gewinne ich die Duelle. Und erwischt man so einen Köter nun nicht mit dem Vorderrad und er schnappt noch immer, dann hilft manchmal auch energisches Nachtreten mit dem Fuss!

Bei Salatrucu finde ich die Abzweigung nach Arefu. Dieser Weg ist in meiner Motorradkarte rot markiert. Rot heißt: empfohlene Strecke für Reise-Enduros. Eine freundliche Umschreibung zu dem Umstand, dass die bisherige Schotterstrecke auch für Tourenmotorräder geeignet sein muss. Tatsächlich merke ich dass der Weg zunehmend schwieriger auszumachen ist. Soll heißen, wenige Kilometer nach Salatrucu bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich noch auf einer Piste oder schon offroad durchs Gelände fahre. Gelegentlich sind noch Reifenspuren von irgend einem Traktor zu erkennen. Ich denke, ein normaler Dacia hat hier keine Chance mehr durchzukommen. So biete ich meine höchste Konzentration auf, um nicht an einem Felsbrocken hängenzubleiben, oder auf der Geröllbahn das Gleichgewicht zu verlieren. Jetzt merke ich die Rüttelei in den Armen und im Rücken. "A little Shotterstrecke". Soso. Ich beginne mich zu fragen, ob ich das wirklich so wollte….
Und dann habe ich Salatrucu erreicht. Auf einmal ist wieder Straße unter meinen Reifen, hurra. Rechts geht’s in die Zivilisation, aber nach meiner Karte sollte ich links abbiegen. Kein Problem bei diesen wunderbaren Straßen, aber die Freude über den Straßenbelag währt kurz. Nach zwei Kilometern ist Ende des Vergnügens und es geht wieder in Schotterpiste weiter, die zudem schon wieder Kilometer für Kilometer abenteuerlicher wird. Mir kommen große LKW mit Baumstämmen entgegen, ein Paar Waldarbeiter stehen auf einer Lichtung am Rand. Ich halte an, ich nehme die Karte mit und versuche, mich mit Ihnen zu verständigen. Ihr Votum ist eindeutig, den Weg weiter zu fahren ginge nicht. Ich solle umkehren. Gerne. Meine Shotterpistelust ist mittlerweile aufgezehrt. Ich kehre um, ich fahre nach Süden, Suici, Curtea de Arges, ich weiß es gar nicht genau, ehe ich wieder auf eine fahrbare Straße Richtung Norden gelange. So, nun sieht die Sache wieder anders aus. Ich habe wieder geteerte Straße unter dem Reifen, die Richtung stimmt und ich fahre nach Poenari, Dracula´s Burgfestung. Poenari, so erklärte mir Sabin noch am morgen, sei die einzige Burg, die Vlad Tepes – also Dracula - definitiv sicher benutzt und bewohnt hat. Bei allen anderen kann man nicht so sicher sein. Gut, das muss ja besucht werden. Ich stelle Iron Lady am Fuße des Berges am Parkplatz neben dem Wagen mit dem leckeren Eis ab und beginne mit dem Aufstieg.


Au weia, auch das hatte ich mir leicht anders vorgestellt. Nach fast einer Stunde schließlich und nach dem Überklimmen von mehr als 1400 Stufen bin ich schweißüberströmt oben. Eine Burg ist eine Burg und somit ganz nett, das ist allerdings eine Ruine. Von hier oben hat man eine wunderbare Sicht, und ich kann klar erkennen, dass sich die Regenwolken nähern. Bis ich wieder unten bin, und an meinem Motorrad den Helm aufziehe, fallen die ersten Tropfen. Der Eisverkäufer aus dem Wagen neben Iron Lady schaut mich mit einer Mischung aus Bewunderung und Verständnislosigkeit an. Ich bin mir sicher, er denkt: Wie kann man nur so bescheuert sein, bei diesem Wetter mit dem Motorrad zu fahren. Ich denke, wie kann man nur so bescheuert sein, Eis zu verkaufen, wenn es so kalt ist.
Ich starte wieder durch und die Straße geht stetig bergan. Höher und immer höher geht’s Richtung Himmel. Dann breitet sich ein riesiger See vor mir aus, der Vidraru Stausee. Hier haben sie bestimmt in den 70er Jahren den „Schatz im Silbersee“ gedreht. Soweit ich mich erinnere, hatten die aber damals noch blauen Himmel. Was mir erst nur vereinzelt aufgefallen ist – jetzt häuft sich das: am Wegesrand, in der Landschaft und in den Parkbuchten sind Rumänen dabei, Zelte aufzubauen.

Immer noch höher geht es, Serpentinen, ein Wasserfall, eine Schafherde, für mich sieht es fast nach Alpen aus. Ich lasse den Nebel hinter mir und je höher ich komme, desto mehr blauer Himmel ist zu sehn. Dann scheint die Baumgrenze erreicht, hier oben ist weder Baum noch Strauch zu sehen.



Jetzt stoßen schon die ersten Wolken und der Boden zusammen, ich fühle mich wieder wie in nasse kalte Watte gesteckt und die Straße führt direkt in den Berg hinein, in einen Tunnel.

Als der mich auf der anderen Seite ausspuckt trifft mich fast der Schlag: Eine unglaublich große Menge von Autos stehen wild durcheinander geparkt, Fußgänger, Schaulustige drängeln sich am Straßenrand und auf der Straße, Dutzende von Buden bieten etwas zu essen und trinken an. Ich parke das Motorrad ins Halteverbot am Straßenrand. Lange schon hab ich nichts mehr gegessen, also stelle ich mich an und entscheide mich für Crepe und Kaffee. Die Crepe ist ausgezeichnet, der Kaffee gerade noch durchschnittlich. Da wo keine Autos geparkt sind, da sind Zelte aufgebaut, so scheint es mir, und langsam wird mir klar, weshalb es in Rumänien so gut wie keine Zeltplätze gibt. Nicht, dass die Rumänen nicht zelten würden. Das tun sie hunderttausendfach. Nur eben wild, und nicht auf einem eingezäunten Platz.




Dann fahre ich weiter. Die Serpentinen der Straße auf der es wieder talwärts geht, könnte von keinem Werbedesigner besser erfunden werden – ein Glück, dass kein Knoten in der Streckenführung ist. Kurven über Kurven, fein säuberlich geteerte Straße, fast schon langweilig.


Etwa eine Stunde lang schlängele ich mich nun wieder zurück nach Sibiu.

Nun hat auch Iron Lady Durst. Am Stadtrand eine Tankstelle, da steht Aral drauf, wenn auch auf grünem Untergrund. Ich entscheide mich für „Premium“, stecke den Zapfhahn in den Tank und sehe auf der Anzeige, wie Liter um Liter in meinen Tank fließt. 12 Liter, 14 Liter, 16 Liter, … 17 Liter,… moment mal, soviel fasst mein Tank doch gar nicht!! Ich wende meinen Blick, schaue auf den Zapfhahn im Tank von Iron Lady, und sehe, wie Liter um Liter aus dem Tank heraus über den Sitz und über den Motor rinnt und sich in einer seegroßen Lache unter dem Motorrad sammelt.

Ich reiße den Schlauch raus, fuchtele mit den Armen, fluche und schreie. Der Tankwart steht seelenruhig da, grinst, und zuckt mit den Achseln. Bei der Preisanzeige hat ja gross drangestanden: non Stop! Mit Wut im Bauch bezahle ich. Fahre zurück zu meiner Pension. Dusche.


Erneuter Ausflug ins nächtliche Sibiu. Auf dem Marktplatz spielt eine Band aus Österreich. Ich habe aber Hunger und freue mich schon wieder nach einem kurzen Studium der Menükarten auf den Weinkeller und werde wieder nicht enttäuscht. Eine Stunde später sitze ich satt und zufrieden in der Abenddämmerung auf meiner Terrasse in der Pensiunea und Bobby der Hund holt sich ein paar Streicheleinheiten ab. Ich mache mir Notizen und Pläne für den nächsten Tag. Wenn das Wetter so bleibt …..

... bleibt das Wetter so? Oder ziehe ich wieder magnetisch Sintfluten an? Mehr in der nächsten Episode....

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ABSENDEN

Offline
against-the-wind
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Missing_mini
Gelöschter Benutzer
Wieder ein sehr schöner Bericht, Danke!!
Gruß: Dirk
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