Trip ins Königreich im Himmel
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Trip ins Königreich im Himmel
Kuhreiten im Königreich im Himmel oder: Mit dem Motorrad durch LesothoIch hatte mal einen Motorradtraum. Darin erschienen mir hunderte von Kilometer gut ausgebauter, kurviger Passstraßen bis rauf auf 3100m, eingebettet in eine herrliche Gebirgslandschaft, entlang an riesigen Seen, vorbei an samtiggrünen Berggipfeln unter tiefblauem Himmel. Und: Kein störendes Auto weit und breit! Jeder wird jetzt sagen: Das kann nur ein Wunschtraum bleiben. Sowas gibt es nicht! Den ganzen lieben Tag lang herrliche Pässe fahren ohne einem Fahrzeug zu begegnen?! Nie und nimmer. Und gibt es überhaupt grüne Berggipfel mit über 3000m Höhe?
Doch! Das alles gibt es in Lesotho. Aber wo ist jetzt verdammt nochmal Lesotho?!
Schnell gegoogelt oder gewikipediat und schon weiss man es. Das ist ein unabhängiges hochgebirgiges Königreich mitten in Südafrika. Es heißt auch „kingdom in the sky“. Dass man hier auf einsamen, aber gut ausgebauten geteerten Passstraßen das Motorradfahren so richtig genießen kann ist ganz einfach der Tatsache zu verdanken, dass Lesotho viel Wasser hat. Wie? Was? Motorradfahren und Wasser? Nun, Lesotho ist durch seine Höhe natürlich ausreichend mit Niederschlägen aus Wolken die vom nahen warmen indischen Ozean aufgestiegen sind gesegnet. Das Lesotho umschließende Südafrika dagegen leidet an Wassermangel. Da lag es nahe, das vorhandene Wasser in riesigen Stauseen im Hochland von Lesotho zu speichern und dieses dann nach Südafrika in einem gigantischen Tunnel- und Röhrensystem bis in das 400km entfernte Johannesburg zu leiten. Sozusagen ein riesiger Wasserturm. Die traumhaften Pässe wurden in den Achziger Jahren nur zu dem Zweck angelegt, dieses System aus Stauseen, Tunnel und Röhren bauen und versorgen zu können. Individualverkehr wie bei uns in Europa gibt es hier praktisch nicht. Also tatsächlich ein wahr gewordener Motorradtraum!
Und so sind wir mit 4 alten Boxer BMWs in das Königreich eingefallen und haben die Passstraßen erobert.
Um nicht allzu großen Stress am Hauptgrenzübergang von Südafrika nach Lesotho zu erfahren, wählen wir einen kleineren Grenzübergang. Ich bin bereits zum dritten Mal in Lesotho und weiß mittlerweile auf was es hier ankommt. Das Wichtigste: Ein Kugelschreiber! Nein, nicht als Geschenk für den Grenzbeamten. Man muss hier ein Formular ausfüllen.Wer, wie, wohin und sonst noch so einiges. Nur gibt es am ganzen Grenzübergang keinen Kugelschreiber. Und die netten Schokodamen hinter der Glasscheibe rücken keinen raus. Hat man also keinen dabei ist man so ziemlich aufgeschmissen. Das Fussvolk welches hier sonst durch den Grenzübergang marschiert hat alles Mögliche dabei. Hühner, Ziegen, Kopfbedeckungen, Decken, Werkzeug, Möbel. Zum Teil auf’m Kopf balanciert.
Aber garantiert keinen Kugelschreiber. Sie haben ja auch alle Zeit der Welt und können warten bis ein reicher Weisser mit Kugelschreiber vorbei kommt. Aber ich bin ja lernfähig und habe dieses Mal einen dabei. Ansonsten ist der Grenzübertritt völlig problemlos. Und dann geht’s gleich richtig los. Kennt jemand Jim Knopf und seine Lokomotive? Dann kennt er auch das Takka Tukka Land. Genau so sieht’s hier aus. Man stelle sich mal die Alpen bis in die Spitzen hinauf mit grünem Samt überzogen vor. Dazwischen verstreut farbig bemalte Rundhütten, die wie bunte Sprengsel in der Landschaft wirken. Die Menschen tragen genauso bunte Decken über ihrer Kleidung und häufig den typischen Lesotho Strohhut.
Unser Ziel ist der Katse Staudamm, einer von 2 riesigen Stauseen. Noch 5 weitere sind in Planung. Wenn die fertig sind gibt’s bestimmt ein paar gut ausgebaute Pässe mehr. Noch ein Grund wieder nach Lesotho zu kommen.
Der Katse Damm liegt auf 2000m Höhe, aber vorher muss man noch den spektakulären Mafika Lisiu Pass mit knapp 3100m Höhe überwinden. Man stelle sich diesen Pass aber nicht als zweites Stilfser Joch mit seinen was weiss ich wieviel Kehren vor, sondern vom Verlauf entspricht er mehr der Timmelsjoch Nordflanke. Die Temperaturen sind hier im südafrikanischen Sommer auch auf 3000m Höhe total angenehm. So um die 20°C. In etwa vergleichbar mit dem Pico de Veleta oder dem Mulhacen in Spaniens Andalusien.
Zu Beginn des Passes ist es ratsam im letzten Ort noch mal zu tanken. 250km ohne Tankmöglichkeit liegen vor uns. Am geplanten Tagesziel, also an der Staumauer des Katse Damms, endet auch die geteerte Passstraße. Für die Weiterfahrt bräuchte man dann schon ein absolut geländefähiges Fahrzeug und eine gehörige Portion Abenteuergeist. Beides haben wir nur im sehr eingeschränkten Maße und deshalb muss man, wenn man nur mit Straßenmaschinen unterwegs ist, dieselbe Strecke wieder zurück fahren.
Das Tanken selbst ist hier eine besondere Erfahrung. Motorräder vor allem dieser „Größe“ sind eine absolute Sensation und wir sind umzingelt von neugierigen Basotho. Wir werden mit Fragen ausgequetscht und als sie erfahren, dass wir aus Deutschland – oder besser – Europa stammen tritt ein Mann aus der Menge auf uns zu. Er bittet uns, sobald wir wieder in Europa sind, beim europäischen Parlament vorstellig zu werden und uns für einen Beitritt Lesothos zur europäischen Gemeinschaft ein zu setzen. Wir blicken uns alle überrascht an und können uns ein Lachen nur mit Mühe verkneifen. Aber ein Blick in sein Gesicht verrät uns: Der meint das bitterernst. Ihr Königreich sei von Südafrika umzingelt, meint er. Sie fühlen sich wie im Gefängnis und die Mitgliedschaft in der EU würde ihre Position deutlich stärken. Wir versprechen ihm, uns dafür einzusetzen…….
Ein weiteres Merkmal von Tankstellen in Lesotho und auch in Südafrika ist, dass sie gleichzeitig als Minibus Haltestelle dienen. Der Minibus ist meistens ein VW-, Toyota- oder Mitsubishi-Bus, der in der Regel Platz für 9 Fahrgäste hat. In Europa wird dieser Fahrzeugtyp meistens von „Großfamilien“ mit 2 Kindern angeschafft, um mehr Platz für den Kinderkram zu haben. Hier aber sind Minibusse für den Großteil der schwarzen Bevölkerung die einzige Möglichkeit größere Fahrstrecken zurück zu legen. Ein eigenes Fahrzeug kann sich keiner leisten. Dementsprechend sind die Busse immer hoffnungslos überfüllt. Das sorgt bei uns immer für grenzenloses Staunen, an den Tankstellen zu beobachten wieviel Personen in so ein Gefährt passen. Es gibt ja in Südafrika den makabren Witz: Frontalzusammenstoß zweier Minibusse. 80 Tote und 2 Überlebende. Das waren die Fahrer, die vor’m Aufprall abgesprungen sind……
Mit vollen Tanks geht’s jetzt ab auf die Piste. Wir tauchen ein in eine fast unwirklich scheinende Landschaft. Die klare Luft läßt alles viel näher und deutlicher erscheinen. Wir sind ja auch schon auf ungefähr 2000m Höhe. Die grünen gezackten Berggipfel – einige sind bis 3400m hoch – und der tiefblaue Himmel darüber vermitteln einem das Gefühl als fahre man durch ein künstlich koloriertes Landschaftsfoto.
Die gut ausgebaute Straße windet sich in wunderbar geschwungenen Kurven den Pass hinauf. Sie verleitet zum Schnellfahren - mit dem linken Ohr (Achtung Linksverkehr) im Randstreifen und so - aber das ist hier absolut nicht ratsam. Es gibt zwar hier praktisch keinen Individualverkehr, aber dafür Viehhirten, Kühe, Ziegen, Pferde und zu guter Letzt auch riesen Steinsbrocken, die unvermittelt hinter einer wunderschönen schnellen Kurve auftauchen können. Gott sei Dank nicht allzu oft.
Hat man sich darauf eingestellt, sind dem Fahrspass keine weiteren Grenzen mehr gesetzt. Mit zunehmender Höhe verschwinden auch die vereinzelten Viehhirten als letztes Zeichen von Zivilisation. Kein Mensch soweit das Auge reicht. So glauben wir. Wo um alles in der Welt sollen in diesen Steilwänden sich noch Menschen rumtreiben? Und warum? Irgendwann bleib ich stehen um ein weiteres Foto zu schießen und um einem dringenden Bedürfnis nach zu geben. Die anderen fahren schon mal weiter. Völlig ungeniert stell ich mich im Bewußtsein der völligen Einsamkeit einfach an den Straßenrand und mit Blick auf die wunderschöne Landschaft lass ich’s laufen. Herrlich! Plötzlich schallt’s hinter mir aus der Steilwand im astreinem Jodelbayrisch: Holdrijodrioooo! Das Echo kommt prompt. Und nochmal: Holdrijodriooo! Ertappt drehe ich mich um. Niemand zu sehen. Schnell beende ich mein Geschäft und inspiziere die Gegend um mich herum genauer. Kein Mensch zu sehen. Dann wieder: Holdrijodrioooo! Diesmal antworte ich schlagfertig mit „Hollaradiriatai“. Im Folgenden entwickelt sich ein Zwiegespräch zwischen mir und einem unsichtbaren Unbekannten in einer Lautsprache ohne Bedeutung. Trotzdem bleibt mein Gesprächspartner unsichtbar. Vielleicht gibt es hier Aliens. Würde mich nicht wundern. Aber ich kann hier nicht ewig bleiben. Ich verabschiede mich mit einem klaren „Juuhuhu“ und mach mich aus dem Staub.
Die anderen warten schon auf der Passhöhe des Mafika Lisiu Passes auf knapp 3100m Höhe. Das Gelächter ist groß als ich ihnen von meiner Begegnung der dritten Art erzähle.
Gut gelaunt fahren wir weiter Richtung Katse Damm.
Bald tauchen die ersten Ausläufer des riesigen Stausees vor uns weit unten im Tal auf. Wir haben ganz vergessen, dass wir die ganze Zeit schon auf 3000m Höhe rum fahren. Der Stausee liegt auf 2000m.
Es geht jetzt also wieder kurvig bergab bis zu einer Brücke, die über eine Engstelle des Stausees führt. Danach geht’s wieder steil bergauf und nach so 50km mit immer wieder herrlichen Ausblick auf den See taucht das Ziel, der Katse Damm, auf. Absolut beeindruckend. Der Stausee ist diesmal bis zum Rand des Dammes gefüllt.
Beim letzten Mal, als ich da war, herrschte sogar hier Wassermangel und der Pegel lag ein gutes Stück tiefer. Leider kann man nicht über die Staumauer fahren. Das ist nur für die Bediensteten hier möglich. Die Passstraße führt außen am Damm vorbei und dann hinab zum Ablauffluss für das überschüssige Wasser. Immerhin ist es dadurch möglich, die imposante Staumauer sowohl von oben zu betrachten als auch aus der Froschperspektive.
Mittlerweile ist es so um die Mittagszeit und Hunger macht sich bemerkbar. Natürlich gibt’s hier kein Bistro oder Restaurant. Schlau wie wir nun mal sind haben wir vorsorglich leckere Brotzeit für ein Picknick direkt am Fuße des Damms dabei. Irgendwie ein eigenartiges Gefühl unterhalb einer Staumauer zu futtern, wenn man bedenkt welche Wassermassen sich dahinter verstecken. Hätte auch sein können, dass plötzlich die Überlaufschleusen geöffnet werden. Dann hätte es uns hier am Ufer des Ablaufflusses sauber weggeschwemmt. Aber nix passiert und wir machen sogar seelenruhig ein Nickerchen in dieser Idylle. Aber alle Gemütlichkeit hat mal ein Ende und das hat hier auch seinen Grund. Nicht umsonst gibt’s hier soviel Wasser. Ab späten Nachmittag muss man verstärkt mit brutalen Gewittern und Regengüssen rechnen. Die ersten Wolkenbänke schieben sich schon von Süden heran in den blauen Himmel. Also dieselbe Strecke zurück. Ich als Roadcaptain wie immer voran. Jeder kennt jetzt die Strecke und wir kommen flott voran, verfolgt von den immer größer und schwärzer werden Wolkenhaufen. Die Sonne ist schon lange verdeckt und die bei der Hinfahrt so farbenprächtige Landschaft sieht plötzlich eher bedrohlich aus. Aber wir fahren immer noch vor der Wolkenfront und wenn alles klappt, dann sind wir aus den Bergen draußen bevor es uns von der Straße schwemmt. Erdrutsche sind hier auch keine Seltenheit wie man anhand der Spuren an den Bergflanken sehen kann. Davon unbeeindruckt schwinge ich mich von Kurve zu Kurve und genieße einfach die Einsamkeit und die Landschaft.
Ich hab wohl schon längere Zeit nicht mehr in den Rückspiegel geschaut. Auf jeden Fall stelle ich plötzlich fest, dass keiner mehr hinter mir fährt. Und dabei bin ich nicht schnell gefahren. Was ist da passiert?! Ich bleibe stehen. Aber auch nach 5 Minuten warten kommt niemand nach. Ein ungutes Gefühl kriecht in mir hoch. Einfach nur falsch abgebogen können sie ja nicht sein, denn es gibt hier einfach nix zum Abbiegen. Dringende Pinkelpause? Hatten wir doch erst. Fotos schießen? Das dauert doch nicht so lange. Bleibt nur noch Unfall oder Panne. Ich hasse dieses Gefühl!
Mit zugeschnürter Kehle drehe ich um und fahre zurück. Zu allem Überfluss natürlich genau in die sich drohend vor mir aufbauende schwarze Wolkenwand. Es dauert ganz schön lange bis ich hinter einer Biegung endlich die anderen am Straßenrand stehen seh. Alle stehen, keiner liegt. Gott sei Dank. Zumindest scheint es kein ernster Unfall zu sein, denke ich im ersten Moment. Ein paar Sekunden später bin ich bei ihnen und weiß dann auch gleich was los ist: Antje’s R80 hat einen platten Hinterreifen. Also eigentlich relativ harmlos könnte man meinen. Nur war der Reifen trotz Schlauchlosfelge mit einem Schlauch montiert worden. Also einfach mit Stöpsel und etwas Vulanisierflüssigkeit geflickt, wie es sonst bei Schlauchlosreifen so einfach geht, kann man vergessen. Auch ist es nicht so ohne weiteres möglich, den Tubeless Reifen vom Hump der Tubeless Felge zu drücken um dann den Schlauch raus zu ziehen und flicken zu können. Mit einfachen Montiereisen tut man sich da verdammt schwer. Für diesen Fall haben wir natürlich schlau wie wir sind ein Pannenspray und zusätzlich Druckluftpatronen dabei. Stolz hole ich die große Pannenspraydose aus dem Tankrucksack und klemm sie ans Ventil. Den Nagel haben die anderen vorher schon aus dem Reifen gezogen. Unter saftigem Druck flutscht die weissliche Flüssigkeit in den Reifen. Aber was passiert? So wie sie in den Reifen reingeflossen ist so kommt sie aus dem relativ großem Nagelloch wieder raus. Die Sch…flüssigkeit weigert sich fest zu werden. Auch nach Aufbocken und durch laufenden Motor und eingelegten Gang gedrehtem Hinterrad verweigert die Pannensprayflüssigkeit seine Aufgabe. Munter pfeift die Luft aus dem Reifen. Und dabei habe ich das Spray erst vor 5 Jahren gekauft……..Ich Idiot. Na ja, wieder um eine Erfahrung reicher. Gerade Pannensprays haben nur eine sehr begrenzte Lebensdauer. Sollte man eigentlich wissen. Gerade wenn es wie hier weit und breit keine Reifenwerkstatt gibt.
Nun wird uns echt mulmig und ein Blick in den Himmel verstärkt das auch noch zusätzlich. Es riecht schon förmlich nach Regen und erste Blitze zucken zwischen den Wolken. Gott sei Dank noch weit entfernt. Wir befinden uns aber noch vor dem 3100m hohen Mafika Lisiu Pass. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren pumpe ich die ganze Pannensprayflasche und zusätzlich noch eine Druckluftpatrone in den Reifen und wir versuchen damit soweit wie möglich zu kommen.
Antje fährt mit der lahmen Kuh voraus und ich beobachte den Hinterreifen während ich hinter ihr fahre. Die Luft entweicht glücklicherweise nicht schlagartig sondern langsam. Und so kommen wir immerhin bis kurz vor die Passhöhe, bis die nächste Druckluftpatrone fällig ist. Das Spielchen wiederholt sich bis wir die Passhöhe überwunden haben und schon wieder deutlich ins Tal hinab gefahren sind. Dann sind alle Patronen aufgebraucht und nix geht mehr.
Zumindest haben wir wieder etwas Vorsprung vor dem Unwetter herausgefahren. Der nächste Ort mit der uns wohl bekannten Tankstelle und Werkstatt ist von hier noch ungefähr 60km entfernt. Also Hinterrad ausgebaut und auf meine R100 geschnallt. Antje quetscht sich auch noch auf die R100. Sie will unbedingt dabei sein wenn der Reifen ihres „Babies“ geflickt wird.
Und so machen wir uns auf den Weg. Die anderen bleiben bei der gefledderten Kuh und passen auf. Man weiß ja nie, ob sich nicht einer der Basothos mal eine wenn auch unkomplette BMW in den Kuhstall stellen möchte. Würde bestimmt seinen Sozialstatus ernorm verbessern.
Nach vielleicht 20km nähern wir uns einer kleinen Ansiedlung von Blech- und Strohhütten. Und irgendwie müssen die Buschtrommeln gesprochen haben, weil schon auf Höhe der ersten Hütte die Leute auf die Straße springen und in eine bestimmte Richtung deuten. Zuerst sind wir verunsichert, aber dann verstehen wir ihre Gesten. Sie weisen uns den Weg zu einer unscheinbaren Blechhütte mit 2 weit geöffneten Türen. Durch die eine geöffnete Türe sehen wir eine dicke Schokomama Hühnersuppe kochen. In der anderen Türe steht mit breitem Grinsen ein gut gekleideter Basotho und deutet stolz auf den Haufen Altreifen vor seiner Hütte. Altreifen? Nein, für ihn sind das Ersatzreifen. Bei uns würden die umgehend in der Altreifenverwertung landen.
Wir wollen aber keinen Autoreifen, sondern nur den Reifen von der Felge gedrückt haben, damit wir den Schlauch wechseln können. Hab ich schon erwähnt, dass wir schlauerweise immer Ersatzschläuche auf unseren Touren dabei haben? Schlauch wechseln? Kein Problem sagt uns der nette Basotho. Weit und breit ist aber kein Reifenmontierbock zu sehen. Wie will der das machen? Mit immer noch breitem Grinsen holt der Kerl ein ungefähr 1m langes verrostetes Stahlrohr und eine etwas längere Stahlstange mit breit geschmiedetem Ende - also eine Art Riesenmeissel – aus seiner Werkstatt. Diese Stange versenkt er in das Rohr, wobei das breite Ende der Stange unten raus ragt. Dann setzt er den Meissel am Reifen im Bereich des Hump an.
Der wird doch nicht…?! Entsetzen steht in meinem Gesicht. Wenn der jetzt die Alufelge zerdeppert mit dieser Brachialmethode dann ist es aus mit lustig. Seelenruhig zieht der Basotho das über den Meissel geschobene Rohr hoch und schlägt dann das Rohr mit voller Wucht zwei drei Mal auf den Meisselkopf. Flutsch und schon ist der Reifen von der Felge gelöst. Ruckzuck der neue Schlauch drin. Ein echter Profi!
Staunend stehen Antje und ich zusammen mit dem Rest des Dorfes davor. Wir sind die Attraktion und als wir eine Runde Coca Cola (ja das gibt’s auch in Lesotho) spendieren sind wir die Kings im kingdom in the sky. Die Schokomama nebenan lacht und rührt singend in ihrem Hühnertopf aus dem noch die Teile des Huhnes ragen um.
Jetzt muss der Reifen nur noch aufgepumpt werden. Kein Druckluftkompressor weit und breit. Unser Profi verschwindet kurz in seiner Werkstatt und kommt mit einer riesigen Handluftpumpe zurück. Unverschämterweise sage ich ihm auch noch, dass ich gerne 2,5bar drin haben möchte. Er nickt und fängt wie ein Berserker zu pumpen an. Ein Druckmanometer hat er natürlich nicht. Stattdessen lässt er das Rad kurz auf den Boden sausen und beobachtet wie es zurück federt. Passt. Er wird von uns fürstlich belohnt, wahrscheinlich geben wir ihm mehr als er sonst in einem Monat einnimmt. Aber das ist uns der Spass wert.
Unter fröhlichem Winken der Dorfbewohner fahren wir wieder zu den anderen zurück. Schnell ist das Rad eingebaut. Und jetzt lass ich es mir nicht nehmen und setz kurz meinen kleinen Luftdruckmesser auf das Ventil. 2,5bar zeigt er an. Das war wirklich ein echter Profi!
Glücklicherweise hat uns der Regen bis jetzt noch verschont. Aber kaum sind wir die ersten Kilometer gefahren fängt es erbärmlich an zu schütten. Aber wir sind alle wegen des gelösten Reifenproblems so gut aufgelegt, dass wir lachend die Regenklamotten anziehen und uns in die Fluten stürzen. Es hört aber bald wieder auf und wir kommen trocken am Grenzübergang an. Dieses Mal brauchen wir zum Verlassen von Lesotho keinen Kugelschreiber. Kurz den Ausweis gestempelt und schon sind wir wieder in Südafrika.
Aber das kingdom in the sky hat uns bestimmt nicht zum letzten Mal gesehen! Wir kommen wieder, keine Frage.
Allzeit gute Fahrt auf allen Straßen der Welt
Reino
Kommentare
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ups, meine Antwort ist falsch plaziert... ich hatte nicht auf Peters Einwand antworten wollen, sondern ganz einfach nur mein Gefühl ausdrücken wollen; und ich beneide Dich sehr um diese Touren ;.)
Ganz klasse Bericht, mal was anderes !
Die anderen (Motorrad)Tage würden mich aber auch interessieren, - dann mal los ! :-)
Gruß: Dirk
Falls du mich meinst, den Grufti, ist kein Neid. Man nennt es Sachzwang. Ich darf meine alte Mutter nicht so lange alleine lassen!
purer Neid.... mehr fällt mir dazu nicht ein ;-)
Wünsch Dir weiterhin gute Fahrt für Deine Touren.
@Grufti
wenn du damit den Zeitaufwand meinst um dorthin zu kommen, dann muss ich dir widersprechen. Du steigst hier in D abends in den Flieger und landest am frühen Morgen in Johannesburg. Dort schwingst du dich dann auf ein bereits hier gebuchtes Mietbike und bist 5 Stunden später in Lesotho! Wie lange braucht man denn von D nach z.B. Südfrankreich oder Spanien?
Okay, die Kosten. Aber du musst die Kosten für Mietbike und Flug gegen rechnen mit den wesentlich billigeren Kosten von Sprit(60Cent der Liter), Unterkunft und Verpflegung. So schlimm ist das dann nicht. Vielleicht erwischt man auch billige last minute Flüge und man kann auch buy back bikes kaufen oder ältere bikes mieten. Gibt's alles im I-net. Man muss nur wirklich wollen!
Reino
Liegt leider nicht gleich um die Ecke! 10P
Schöner Bericht, flockig zu lesen und gut bebildert.
2,5 bar, geil!
10 Punkte.
Möge der Grip mit dir sein, Salut Mustang
Kuhreiten im Königreich im Himmel oder: Mit dem Motorrad durch Lesotho mehr...
Klasse Bericht. Volle 10 Punkte für diese tolle Reise. Da kommt man richtig ins Schwärmen. Da muss ich auch unbedingt mal hin.
Kleine Anmerkung: Jim Knopf lebte im Lummerland. Im Takka-Tukka-Land wurde Kapitän Langstrumpf von bösen Piraten gefangen gehalten. ;-)